12.06.08
Ministerpräsidenten wollen ARD und ZDF Handschellen im Internet anlegen
Die Verleger können sich freuen - Die Gebührenzahler haben das Nachsehen
(MEDRUM) Wie die Medien heute berichten, beabsichtigen die Ministerpräsidenten der Länder, die Nutzung des Internets durch ARD und ZDF nahe an den Gefrierpunkt herunterzufahren. Die öffentlich-rechtlichen Sender sollen sich dort in Zukunft nicht mehr viel und nur noch unter erschwerten Bedingungen bewegen können.
"Spiegel-Online" berichtet, die Ministerpräsidenten der Länder seien sich weitgehend einig: Sie wollen den Internet-Auftritt der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Grenzen halten. Unstrittig ist, dass die Rundfunkanstalten keine "elektronische Zeitungen" produzieren sollen. Es soll ihnen aber nicht nur untersagt werden, "Elektronische Zeitungen" zu machen, sondern sie sollen künftig zum Beispiel auch nur noch solche Unterhaltungsangebote im Internet machen dürfen, die eine untergeordnete Rolle spielen. Selbst sendungsbegleitenden Angeboten über Sportereignisse droht ein starker Rückschnitt.
Beim Angebot von sendungsbegleitenden Videos in Mediatheken scheinen
die Ministerpräsidenten den Forderungen der deutschen Verleger generell
folgen zu wollen.
Wie Spiegel Online berichtet, ist Äußerungen von Ministerpräsident Koch zu entnehmen, dass der heutige Umfang des derzeitigen Online-Angebotes künftig nicht mehr statthaft sein soll. Teile des derzeitigen Angebotes müssten demnach amputiert werden. Ministerpräsident Koch soll erklärt haben, On-demand-Videoangebote wären zeitlich zu begrenzen. So könnten künftig sendungsbegleitende Angebote über Großereignisse demnach nur noch 24 Stunden vorgehalten werden und
müssten dann aus dem Angebot genommen werden, andere Sportereignisse könnten bis zu sieben
Tage gezeigt werden. ARD und ZDF dürften dann eigene Sendungen nur noch kurzzeitig über Internet-Mediatheken für den Gebührenzahler und Verbraucher bereitstellen. Das entspricht der Verlegerlinie (MEDRUM-Artikel v. 21.05.08).
Damit scheinen die Ministerpräsidenten den Interessen zu folgen, die
u.a. der Verband deutscher Zeitungsverleger und der Bundesverband der
deutschen Industrie als Lobbyisten vertreten haben. Der Stimme des
Deutschen Gewerkschaftsbundes, der sich für eine verbraucherfreundliche
Linie ausgesprochen hatte, scheint demnach kaum Gehör gefunden zu
haben. So verwundert es nicht, dass die Intendanten von ARD und ZDF den
Ministerpräsidenten vorhalten, über die Richtlinien der Europäischen
Union hinaus gehen zu wollen. Markus Schächter, Intendant des ZDF,
verwies darauf, dass sowohl die BBC wie zum Beispiel auch France
Télévision wesentlich größere Spielräume haben. Eine Kritik, die auch
die Partei Die Linke teilt. Die Intendanten sind mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge nicht
zufrieden. Sie sehen insbesondere Klärungsbedarf beim
Unterhaltungsangebot, dass sie als festen Bestandteil ihres
Programmangebotes sehen, dem aber deutliche Grenzen drohen sollen.
Wie der Gebührenzahler auf die von ihm finanzierten Sendungen zugreifen kann, die nur
noch kurzzeitig in Form von Videos über das Internet bereitstehen, scheint damit
auf der Hand zu liegen: Entweder gar nicht, oder über den Erwerb
entsprechender Produkte am Markt, oder über Erwerb von Ersatzprodukten,
die der private Markt anbietet. Es werden sich sicher Verleger finden,
die solche Produkte oder Dienstleistungen gegen Bezahlung anbieten.
Der medienpolitische Sprecher der Linken, Lothar Bisky, kritisierte,
dass der Änderungsvertrag in den Hinterzimmern ausgearbeitet worden
sei. Nach seiner Auffassung wird ARD und ZDF ein angemessener Platz in
der digitalen Zukunft genommen. Er sprach von Fesseln, die den Sendern
angelegt werden.
Aus einem Interview der Tagesthemen mit Ministerpräsident Kurt Beck geht hervor, dass zwar um eine Lösung gerungen wurde, die auch dem Informations-Interesse des Gebührenzahlers gerecht werden soll, dass dies aber durch die Haltung der Ministerpräsidenten der von CDU und CSU geführten Länder erschwert werde. Dennoch zeigte er sich zuversichtlich, eine Lösung zu erreichen, die es auch künftig noch ermögliche, das Interesse des Gebührenzahlers an wichtiger Information zu befriedigen. So sei es durchaus möglich, auch künftig sendungsbegleitende Videoarchive für längere Zeit anzubieten, falls die Sendeformate betimmten Prüfkriterien entsprechen und vorgeschriebene Prüfungen bestehen.
Der Kommentator in den Tagesthemen stellte heute heraus, dass die Beweggründe für eine starke Begrenzung der Internetnutzung durch die öffentlich-rechtlichen Sender vor allem in den wirtschaftlichen Interessen liegen, weil es um einen "milliardenschweren" Markt geht. Durch die Beschränkung der öffentlich-rechtlichen Sender sollen sie als Konkurrenten vom Markt ausgeschaltet werden, lautete das Fazit des Kommentators.
Nach der heutigen Beratung durch die Ministerpräsidenten wird der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit der EU und mit privaten Sendern besprochen, bevor er im Oktober beschlossen werden soll.
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