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Auch Bund der Deutschen Industrie und Produzentenallianz wollen Mediatheken und Archive abschaffen

21.05.08


Bund der Deutschen Industrie und Produzentenallianz wollen Mediatheken im Internet abschaffen

Eine hitzige Debatte über Panoramasendung zur Löschung von Filmarchiven

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Der Beitrag in der Panorama-Sendung vom 15.05.08 über die Initiative des Bundes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hat die Debatte um die Beschneidung des Informationsangebotes der öffentlich-rechtlichen Sender (ÖRS) im Internet angeheizt (MEDRUM-Bericht vom 16.05.08).

Stellenweise wird in den Medien schon von einer regelrechten Kampagne gesprochen. Falschinformation, verantwortungslose, unseriöse Berichterstattung und einige andere Aburteilungen mussten sich die Verantwortlichen bei ARD und Panorama wegen ihres Beitrages anhören.

Panoramabeitrag "absolut verantwortungslos"

So schreibt ein Zuschauer an Panorama: "Der Panorama-Bericht ist absolut verantwortungslos. So sieht seriöser
Journalismus nicht aus. Es geht nicht um die Frage, ob (zugegeben gute)
Panorama-Berichte in einem Internet-Archiv gezeigt werden dürfen. Im
Mittelpunkt steht die ordnungspolitische Fragestellung inwieweit der Staat in
Konkurrenz zu privaten Anbieter treten darf.
Wenn so öffentlich-rechtlicher
Rundfunk aussieht, dann benötigen wir ihn nicht."

Eine anderer Kritiker meint: "Es ist erschreckend wie Panorama mit einseitiger Berichterstattung und verdrehen
der Tatsachen die Meinung der Bevölkerung in ihrem Sinne lenken will
/beeinflussen will. Das soll unabhäniges Fernsehen sein? Kein Film-Archiv
muß gelöscht werden!!! Die ÖFR dürfen weiterhin Sendungsbezogen Inhalte anbieten
AUCH ONLINE. Sie dürfen nur nicht eine elektronische Presse machen. Man käme ja
auch nicht auf die Idee eine ÖFR PRINT Zeitung zu machen."

Plan der Zeitungsverleger "skandalös"

Aber, ebenso bekommen die Zeitungsverleger ihr Fett weg. So schreibt ein Panorama-Zuschauer: "Ich habe selten jemand so arrogant selbstsüchtigen wie Herrn Heinen vom Verband
der Zeitungsverleger erlebt - seine anmaßenden Aussagen über das, was sich für
die Sender "gebühre", was "angemessen" sei, machen mich dermaßen aggressiv, dass
ich mich frage, welcher ernstzunehmende Politiker sich im Vollbesitz seiner
geistigen Kräfte wähnen mag, wenn er auf diesem Level dem unrühmlichen
Besitzstandslobbyismus der Verleger auf den Leim geht. Ekelhaft!"

Ein anderer Zuschauer schreibt: "Ich empfinde den Plan der Zeitungsverleger als skandalös und höchst gefährlich.
Schon heute ist 'Wissen' ein Gut, dass die Gesellschaft in eine
Zwei-Klassen-Gesellschaft spaltet. Bei Managergehältern ist die deutsche
Politik schnell dabei, den Verfall in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft verhindern
zu wollen. Der Plan der Zeitungsverleger zielt auf nichts anderes ab. Wer
zukünftig recherchieren möchte, soll dafür zahlen, und zwar in die Taschen der
privaten Wirtschaft."

Falsche oder zutreffende Berichterstattung durch Panorama?

Die Palette der Argumente für und wider den Sendebeitrag ist groß. Während einerseits von einigen schlicht bestritten wird, dass daran gedacht sei, die Archive von Fernsehbeiträgen zu löschen und eine Begrenzung eines Internet-Journalismus durchaus befürwortet wird, wenden sich andere generell gegen den Versuch, das Online-Angebot im Internet zu beschneiden.

Es stellt sich die Frage, ob Panorama tatsächlich falsch und tendenziös berichtet hat oder ob die Kernaussage der Sendung zutrifft, es gebe die Bestrebung, Fernsehbeiträge künftig nicht mehr in Archiven bereitzuhalten. Diese Frage kann leicht beantwortet werden, wenn man einen Blick auf weitere Akteure wirft, die bemüht sind, Einfluss auf die Regelungen für das künftige Marktgeschehen der Medien zu nehmen.

Auch Bund der Deutschen Industrie und Produzentenallianz wollen Mediatheken und Archive abschaffen

Nach Spiegel-Online hat sich auch der Bund der Deutschen Industrie (BDI) in der Debatte hat sich zu Wort gemeldet. Er nimmt eine kritische Position zu den Online-Aktivitäten der ÖRS ein und votiert dafür, die ÖRS auf den Kernauftrag zu konzentrieren. Der BDI äußert sich auch zu den Mediatheken. Er bezeichnet sie vor allem als möglichen Kostentreiber zu Lasten der TV-Zuschauer und will sie begrenzt sehen. Wenn es nach dem BDI geht, sollten Spielfilme nur 24 Stunden, Shows höchstens drei Tage und
Bildungsangebote maximal sieben Tage abrufbar sein, heißt es in Spiegel-Online.

Aus dieser Position wird klar, dass es nicht alleine darum geht, einen Konkurrenz-Journalismus des Fernsehens im Internet als gebührenfinanzierte Konkurrenz zur privatfinanzierten Presse zu begrenzen, sondern auch dort das Informationsangebot zu beschneiden, wo es lediglich darum geht, Sendebeiträge für den Zuschauer zu archivieren und in Mediatheken zugänglich zu machen. Dies bestätigt die Kernaussage der Panorama-Sendung, dass Online-Archive abgeschafft werden sollen, und Fernsehbeiträge künftig nur noch höchstens sieben Tage lang bereitgehalten werden dürften. Der BDI geht in seiner Position aber wesentlich weiter. Er hinterfragt grundsätzlich das Gesamtvolumen der ÖRS und sieht den Auftrag einer Grundversorgung bereits als übererfüllt an.

Ebenso wollen die TV-Schaffenden, die in der Produzentenallianz zusammengeschlossen sind, das Angebot der ÖRS beschneiden. Der Umgang der öffentlich-rechtlichen Mediatheken mit den Rechten von
Produzenten sei kein "marktkonformes Angebotsverhalten" im Sinne der Auflagen,
die die EU-Kommission im April 2007 für den Betrieb öffentlich-rechtlicher
Onlineangebote definiert habe, sagen sie laut Spiegel-Online. In ihrem Positionspapier macht die Produzentenallianz klar, dass sie gegen Mediatheken ist, wie sie derzeit von den ÖRS bereitgestellt werden. In ihrem Papier heißt es: "Die Produzenten fordern hier einen engen und unmittelbaren organisatorischen,
inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang aller Angebote zum zentralen Funktionsauftrag." Damit wird klar, dass die Produzentallianz sich auch eindeutig gegen einer dauerhafte Archivierung von Fernsehbeiträgen für den Gebührenzahler ausspricht und das derzeitige Angebot beseitigt sehen will. Auch durch diese Position wird die Behauptung der Panorama-Sendung bestätigt: Keine Archive über Fernsehbeiträge.

Die Argumente, mit denen man Fernseharchive im Internet abschaffen will, sind vielgestaltig. Es gehe um ordnungspolitische Fragen sagt der BDZV, es gehe um Gebührenbegrenzung, sagt der BDI, es gehe um Konformität des Angebotsverhaltens mit dem Markt und den EU-Richtlinien sagt die Produzentenallianz. Wenn man sich diese Argumente betrachtet, taucht das Argument wirtschaftlicher Interessen nirgends auf. Auch das Argument des Zuschauers und Gebührenzahlers, der seinen Zugriff auf Fernsehbeiträge nicht beschnitten sehen will, wird dabei nicht in Rechnung gestellt. Es fragt sich daher, wer den Bürger als Gebührenzahler und Verbraucher in dieser Debatte vertritt. Seine Interessen und Anliegen scheinen in der Debatte nicht durch Lobbyistenvereinigungen vertreten zu sein. Er dürfte nur Gehör finden, wenn sich die Ministerpräsidenten selbst dem Anliegen des Bürgers annehmen. Nach Spiegel-Online scheint dies beim Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck (SPD), der Fall zu sein.

Ministerpräsidentenrunde am 12. Juni

Die Ministerpräsidenten der Länder werden sich am 12. Juni mit dem Rundfunkänderungsstaatsvertrag befassen. Ihre Aufgabe wird es sein festzulegen, die Aktivitätsfelder zu bestimmen und die Grenzen der Nutzung des Internets für die ÖR-Sender festzulegen. Vor dem Hintergrund der zahlreichen lobbyistischen Versuche, die Nutzung des Mediums Internet durch die ÖR-Sender möglichst weitgehend zu beschneiden, bleibt abzuwarten, ob man diesem Druck weichen wird oder ob das Anliegen des Zuschauers, das von ihm finanzierte Fernsehangebot wie bisher auch künftig über das Internet nutzen zu können, Gehör findet.