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Erweiterung der Eingriffsrechte der Familiengerichte und Jugendhilfe

21.04.08


Diese Woche im Bundestag - Gesetzesänderungen zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

Erweiterung der Eingriffsrechte der Familiengerichte und Jugendhilfe

Der Bundestag befasst sich am Donnerstag, den 24. April, in zweiter und dritter Beratung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur "Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" (Drs 16/6815, vom 24.10.2007).

Anlass für diesen Gesetzentwurf waren Berichte über erschütternde Fälle, in denen Kinder von ihren Eltern misshandelt oder vernachlässigt wurden. Besonders der Fall des zweijährigen Kevin in Bremen entsetzte die Öffentlichkeit. Vor dem Hintergrund solcher Fälle sowie einer Reihe von Fällen wiederholter und erheblicher Kinder- und Jugenddelinquenz hatte die Bundesministerin der Justiz im März 2006 eine Arbeitsgruppe „Familiengerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" eingesetzt. Die Expertengruppe stellte in ihrem Abschlussbericht fest, dass die Familiengerichte häufig zu spät und überwiegend in der Frage des Sorgerechtes eingeschaltet werden. Deshalb sollen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gesetzliche Änderungen in Kraft treten, die im Wesentlichen drei Ziele erreichen sollen:

  • die Familiengerichte sollen früher eingeschaltet und tätig werden
  • das Einwirken der Familiengerichte soll erweitert werden
  • die Eltern sollen stärker verpflichtet werden, mit örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zusammenzuarbeiten und Angebote der Kinder- und Jugendhilfe anzunehmen.

Hierzu sollen:

  • das Tatbestandsmerkmal des "elterlichen Erziehungsversagens" in der Generalnorm des § 1666 BGB entfallen, um die maßgeblichen Voraussetzungen des familiengerichtlichen Eingriffs klarzustellen,
  • die Rechtsfolgen des § 1666 BGB durch eine beispielhafte Aufzählung konkretisiert werden, um dadurch den Jugendämtern und Familiengerichten die Bandbreite möglicher familiengerichtlicher Maßnahmen zu verdeutlichen,
  • dem Familiengericht mit der Einführung des eigenständigen Verfahrensabschnitts "Erörterung der Kindeswohlgefährdung" ein wirksames Instrumentarium zur Verfügung gestellt werden, um Eltern stärker in die Pflicht zu nehmen.

Die gesetzlichen Neuregelungen betreffen Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und des Gesetzes zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Für das Eingreifen der Familiengerichte sollen künftig folgende Regelungen im BGB Art. 1666 gelten:

„(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind."

(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere

  1. Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
  2. Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
  3. Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
  4. Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
  5. die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge,
  6. die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge."

Die erste Beratung zu den gesetzlichen Neuregelungen fand in der 126. Sitzung des Bundestages am 15. November 2007 statt. Die zu dieser Sitzung zu Protokoll gegebenen Reden sind als Auszug im Anhang beigefügt.

In den vorliegenden Gesetzentwurf sind Änderungen eingeflossen, die über den Bundesrat eingebracht wurden. Für die jetzige Beratung als TOP 9 der Tagesordnung sind 30 Minuten vorgesehen. Da der Gesetzentwurf in zweiter und dritter Beratung behandelt wird, muss mit der Verabschiedung der Rechtsänderungen durch den Bundestag am Donnerstag gerechnet werden. Wer jetzt noch Einfluss auf die politische Willensbildung zu diesem Gesetzentwurf nehmen wollte, käme also sicherlich zu spät.

Der jetzige Gesetzentwurf ist im Anhang beigefügt.

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