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Auf dem Weg zur gläsernen Familie?


07.08.08


Auf dem Weg zur gläsernen Familie?


Wie Schulkinder in der Schweiz befragt werden

(MEDRUM) "Schulkinder sollen ihre Eltern bespitzeln", lautet die Überschrift eines Berichtes von "kinderohnerechte" über Praktiken, die sich in unserem europäischen Nachbarland Schweiz entwickeln.

Im Kanton Zürich müssen Oberstufenschülerinnen und Oberstufenschüler ausserhalb der regulären Schulpflicht einen «Fragebogen für Jugendliche» zu ihrem Wohlbefinden, zur Ernährung, zu Problemen in der Familie, verübten Straftaten, illegalem Drogenkonsum und zu ihrem Sexualleben ausfüllen. Dabei sollen sie auch ihr soziales Umfeld mit einbeziehen und preisgeben. Darüber berichtete kinderohnerechte.ch im vergangenen Monat. "Solche Befragungen werden bewusst hinter dem Rücken der Eltern durchgeführt", heißt es weiter.

  • «Gab es in deinen Augen schon grössere Krisen in deiner Familie? Wenn ja, welche?» ...
  • «Fühlst du dich in deiner Familie wohl? Wenn nein, warum nicht?» ...
  • «Kommst du mit deinen Geschwistern gut aus? Wenn nein, mit wem nicht und wieso nicht?» ...
  • «Möchtest du etwas in deinem Verhältnis zu deinen Eltern ändern? Wenn ja, was?» ...
  • «Hattest du schon Schwierigkeiten mit der Polizei?» ...
  • «Nimmst du zur Zeit Drogen (Alkohol, Tabak, Joints, Heroin, Speed)? Wenn ja, welche? Und wie oft?» ...
  • «Nimmt jemand in deiner Familie oder aus deinem Freundeskreis Drogen? Wenn ja, wer?» ...
  • «Hast du gestohlen?» ...
  • «Was hältst du von Homosexualität?» ...
  • «Wann hattest du deine erste Blutung?» ...
  • «Hattest du schon mal Geschlechtsverkehr?» ...
  • «Benutzt du die Antibaby-Pille oder ein Hormonpflaster?» ...
  • «Als du das letzte Mal Geschlechtsverkehr hattest, welche Methode zur Schwangerschaftsverhütung habt ihr angewendet?» ...
  • «Hast du je die „Pille danach" verwendet?»

Das sei nur eine Auswahl jener Fragen, die als Ergänzung zur obligatorischen
Schuluntersuchung den 13- bis 16-jährigen Schülerinnen und Schülern im Kanton
Zürich vorgelegt werden. Dahinter stecke taktisches Kalkül der
Bildungsdirektion, die immer mehr Einfluss auf die Erziehung der Kinder nehmen
will.

Kinderrechte.ch kritisiert: "Durch das Bespitzeln und systematische Sammeln von Daten über das elterliche Zuhause erhält die Schule detaillierte Kenntnisse über die familiären Zustände, die sie bei Bedarf gegen die Eltern verwenden kann." Es werde zwar behauptet, das Ausfüllen der Fragebögen sei freiwillig und Anonymität sei gewahrt, letztlich fehle es aber an der Einhaltung von Standards, Transparenz und am Datenschutz. Allein schon aus den Angaben, die die Ausfüllenden bis hin zur Angabe ihres Geburtstages machen solle, seien Rückschlüsse auf die Identität der Person und ihre Familie möglich.

Die Kritik von Kinderohnerechte.ch gipfelt in der folgenden Feststellung:

"Die Tatsache, dass die Schule dies im Geheimen tut, zeugt von einem
tiefgreifenden Misstrauen gegenüber den Erziehungsberechtigten, deren Ziele
möglicherweise von jenen der Schulbehörde abweichen. Diese Praxis untergräbt
zudem das Vertrauen der Eltern in die Volksschule. Insgeheim wird das
Schulobligatorium dazu benutzt, Kinder gegen ihre eigene Familie aussagen zu
lassen. Die Bildungsdirektion verletzt auch massiv den verfassungsmässigen
Schutz der Privatsphäre. Indem sie Schulkinder als Informanten missbraucht,
gerät die staatliche Institution ausser Kontrolle. Die Familie kommt unter
Generalverdacht. Dies erinnert fatal an Zeiten, als beispielsweise Kinder in der
DDR oft im Auftrag des Geheimdienstes ihre eigenen Eltern bespitzeln und
verraten mussten."


Quelle: kinderohnerechte, Newsletter vom Juli 2008