08.02.11
Zu wenig gedacht, zu kurz gedacht, liebe Theologen
Alexander Kissler fühlt den Theologen und dem Begehr ihres Memorandums
in einem Offenen Brief geistreich auf den Zahn
(MEDRUM) Läutet das Memorandum von 143 erstunterzeichnenden deutschen Theologen eine historische Zäsur für die Katholische Kirche ein oder wird es nur einen Sturm im Wasserglas entfachen? Wie MEDRUM berichtete, hat der Psychiater und Kenner der katholischen Kirche Manfred Lütz in einer vielsagenden psychologischen Diagnostik gezeigt, daß der Ruf der Theologen nichts anderes als ein "verzweifelter" Aufschrei aus ihrer Bedeutungslosigkeit ist. Auch der Kulturjournalist und Buchautor Alexander Kissler kann dem Memorandum wenig Schmeichelhaftes abgewinnen. In einem Offenen Brief hält er den Theologen vor, sich vor allem "Exerzitien der intellektuellen Selbstkasteiung" hinzugeben und Armut im Geiste widerzuspiegeln. Das Memorandum sei ein Versuch, der nicht zünden könne, eine mißglückte Maskerade, meint Alexander Kissler. MEDRUM dokumentiert seinen Offenen Brief.
Offener Brief von Alexander Kissler an deutsche Theologen
7. Februar 2011
Meine lieben deutschen Theologen,
den lieb ich, der Unmögliches begehrt? Wäre es so einfach, wie es das Zitat behauptet, müssten wir alle uns ergriffen an die Brust fassen und eine Träne der Rührung verdrücken und stolz ausrufen: ach, unsere guten deutschen Theologen, wie schön, dass wir sie haben.
So aber, meine lieben Theologen, ist es nicht, zumindest dann nicht, denke ich speziell an Euch, an jene bisher 193 meist habilitierten und staatlich bestallten Lehrenden, die Ihr ein „Memorandum 2011“ unterzeichnet habt. Ja, Ihr wollt Unmögliches, Ihr wisst es genau, und dennoch fällt es mir schwer, Euch als Himmelsstürmer, Weltenstürzer so hoch einzuschätzen, wie Ihr selbst Euch vermutlich einschätzt.
Ihr wisst, dass Eure behänd hervorgeholten Forderungen nicht verwirklicht werden. Noch mehr Frauen am Altar, ergänzt durch verheiratete Priester, gerne auch geschieden, gerne auch schwul: Warum sollte diese mit katholischer Tradition komplett brechende Agenda irgendein Bischof in Rom vortragen? Zumal sie aus einem Land stammt, in dem nicht einmal zwei Prozent aller Katholiken leben, von denen wiederum nicht alle Euch applaudieren.
Unmögliches begehrt Ihr, das allein darf man Euch nicht vorwerfen. Vielleicht hat Euch zu später Lebensstunde Sturm und Drang gepackt? Das wäre schön und nicht zu neiden. Aber es sind eben vor allem Exerzitien der intellektuellen Selbstkasteiung, denen Ihr Euch hingebt. Ihr stellt euch – bitte entschuldigt das harte Wort – viel, viel schlichter, als Ihr seid. Ihr spiegelt uns eine Armut im Geiste vor, die keinem von Euch wirklich eigen sein kann.
Ich kenne Euch, Euch kluge Professoren Biesinger und Bremer, Höhn und Mieth und Striet und Schockenhoff, und Ihr und die 187 anderen wollt uns glauben machen, Ihr hättet ein so schlichtes Gemüt, ein so schwaches Gedächtnis, wie es aus dem „Memorandum“ entgegen schlägt? Ihr müsst es besser wissen. Ihr wisst es besser. Und darum ist Euer Memorandum – entschuldigt bitte abermals – ein Witz, der nicht zündet, eine Maskerade, die nicht glückt.
Ihr schreibt von einer „beispiellosen Krise“, einer „tiefen Krise unserer Kirche“ anno 2010/2011. Was waren die Christenverfolgungen der Urkirche, waren die Spaltungen im 11. und 16. Jahrhundert, war der Kulturkampf, war die bedrängte Zeit im „Dritten Reich“, war die antikirchliche Staatsdoktrin der DDR? Allesamt waren das demnach minder schlimme Krisen, Kriselchen, denn „beispiellos“ soll nur die Gegenwart sein. Sollte Euch, die Ihr gewiss die hebräische Bibel gelesen habt und die Apokryphen, das Gedächtnis plötzlich nur bis ins Jahr 1990 zurückreichen? Man liest und fühlt sich veralbert.
Die Krise, die Ihr meint, speist sich aus den in der Tat absolut erschütternden Fällen sexuellen Missbrauchs, die in jüngster Vergangenheit ans Licht kamen. Aber wieso, bitteschön, begegnet man den „Ursachen von Missbrauch, Verschweigen und Doppelmoral“ am besten durch einen „offenen Dialog über Macht- und Kommunikationsstrukturen“? Würde das einen kranken, innerlich längst vom Glauben abgefallenen Menschen davor bewahren, einem anderen Menschen wehe zu tun?
Nein, man kann hier fast den Eindruck gewinnen, schlimme Vorfälle dienten zum willkommenen Nagel, an dem noch einmal ein verstaubtes Bild aufgehängt werden soll: das Bild von der ramponierten Kirche, die Ihr, liebe Theologen, mit eigener Hand zurecht biegen wollt. Jeder Klempner ist dem Rohrbruch gut Freund. Wer sich gesund wähnt, hat nur den falschen Arzt.
Therapeutisch wollt Ihr, liebe Professoren, eingreifen in den Strom der Zeit. Ihr ortet „verknöcherte Strukturen“ – weil Ihr selbst sie nicht ersonnen habt? Und noch einmal: Braucht diese Diagnose nicht das apokalyptische Szenario, das Ihr zeichnet, um nicht sofort als staubtrockener Antrag auf eine innerkirchliche Verwaltungsreform enttarnt zu werden? Man liest, hört die Absicht, ist verstimmt.
Schlichtest erscheint auch die Berufung auf das Zweite Vatikanum, das Ihr gewiss ein und aus studiert habt. Es dient hier als Einwickelfolie für die Forderung, von der „modernen Gesellschaft“ zu lernen. Das Zweite Vatikanum hat aber exakt jene Verfasstheit von Kirche bekräftigt, die Ihr nun überwinden wollt. Warum schreibt Ihr dann nicht, es sei Zeit, sich vom letzten Konzil zu lösen? Das wäre ehrlich und mutig und also das Gegenteil des tatsächlich Gesagten.
Gläubige bleiben der Gemeinde fern, schreibt Ihr weiter, wenn sie sich nicht „an der Leitung ihrer Gemeinde beteiligen“ dürfen. Woher wisst Ihr das? Kommt der Katholik zur Messe, weil er leiten will? Ist das der Inhalt der Liturgie: Einübung in Leitungskompetenz? Auch hier gilt: Ihr wisst es besser.
Und schließlich ist der fordernde Ton aus dem Munde reiferer Herrschaften bemerkenswert. Spricht man so, wenn man sich auf der Speckseite des Lebens angekommen wähnt? Ihr setzt „Sünder“ in Anführungszeichen, reduziert die Bibel auf eine sehr diesseitige „Freiheitsbotschaft“ – wo bleibt übrigens das Alte Testament? –, plädiert für „Befreiung und Aufbruch“ als Resultat eines „Dialogprozesses“, redet aber zugleich im Kasernenton. Es gelte, es müsse, es dürfe nicht: Das „Memorandum“ wirkt wie die Parodie auf einen Einberufungsbefehl. Stillgestanden, reformiert euch, weggetreten!
Natürlich werden die 1,17 Milliarden Katholiken deshalb keine schlaflosen Nächte bekommen. Es ist ja nur eine schiefe Maskerade, ein Witzlein aus Germanien. Was aber, frage ich Euch, werdet Ihr nun in Euren Vorlesungen, Übungen, Seminaren tun? Mit doppelter Energie und in kirchlichem Auftrag wider die wunschgemäß als „verknöchert“ entlarvte Kirche wüten?
Nein, das werdet Ihr nicht tun. Ihr habt ja geschrieben, ein „echter Neuanfang“ sei nötig und jede Menge „Mut zur Selbstkritik“. Also werdet Ihr ganz anders reden, als Ihr es noch im „Memorandum“ tatet. Ihr werdet neu anfangen in der Disziplin des Dienens und des Glaubens und Euch von niemandem in Eurer Selbstkritik übertreffen lassen. So wird es kommen.
Mit hoffnungsfrohen Grüßen,
Alexander Kissler
(Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Alexander Kissler)
Kissler legt an das Memorandum der Theologen einen Maßstab an, der als Leitwort über seiner Internetseite steht: "Besser denken, weiter denken". Wer Alexanders Kisslers Gedanken folgen kann, dem wird klar, daß die Theologen diesem Leitwort nicht gerecht geworden sind: Zu wenig gedacht, zu kurz gedacht, liebe Theologen.
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Als Buch von Alexander Kissler angekündigt ist sein Essay "Der Jahrhundertpapst" zur Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. Alexander Kissler erinnert an diesen großen Kirchenmann. Er ruft das spirituelle Vermächtnis des Papstes und seine wichtigsten religiösen wie weltpolitischen Initiativen ins Gedächtnis.
Kisslers Buch erscheint im Pattloch-Verlag und wird im Handel erhältlich sein ab 4. April 2011
(→ Leseprobe).
Alexander Kissler im Internet:
Umfrage: Stimmen Sie den Forderungen der 143 Theologen zur Umgestaltung der katholischen Kirche zu?
Die Kernforderungen sind:
Copyright www.medrum.de
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Leserbriefe
Kisslers offener Brief
Herr Kissler argumentiert insgesamt emotional, nicht sachlich. Ein Punkt herausgegriffen: Die Theologen-Forderung 6. Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ist nicht gleichzusetzen nach einer Forderung schwuler Priester. Ich kenne sowohl Priester, die ihre Homosexualität und intime Freundschaft zu einem Mann verbergen, als auch Priester mit heterosexuellen Beziehungen im Geheimen. Ebenso habe ich im Berliner Umfeld erlebt, wie hervorragende engagierte und begabte Seelsorger aus dem Priesteramt verdrängt wurden, weil sie offen zu ihrer Partnerin standen und damit Zivilcourage zeigten. Und in der Vergangenheit über Jahrhunderte, das vielfältige Elend der nicht akzeptierten Priesterkinder. Ist es nicht überfällig, dass die Kirche beim Zölibat ehrlich wird? Dass nur ein freiwilliges Zölibat ein gutes ist, dass es aber von einem Priester nicht erzwungen werden soll.
Kissler pikst linksideologische Denkverhinderer
Liebe Freunde des gesunden Menschenverstands, also da gibts keine Diskussion, der Kommentar von Alexander Kissler ist unglaublich logisch und pikst den linkstheologischen Denkverhinderern in den behäbigen Allerwertesten. Das erzeugt Spaß für die Auseinandersetzung mit den Abschaffern unserer Werte und Kultur"