07.02.11
Manfred Lütz: Theologen geht es nicht um Aufbruch, sondern Macht und Einfluß
Psychiater und Kirchenkenner zeichnet ein Psychogramm für eine Theologengruppe, die mit der Spannung zwischen universitärer Macht und Bedeutungslosigkeit in Kirche und Öffentlichkeit leben muß
(MEDRUM) In einem Kommentar in der FAZ vom Sonntag, 6. Februar 2011, nimmt der Psychiater und Kenner der Katholischen Kirche Manfred Lütz Stellung zum kirchenkritischen Memorandum der 143 Theologinnen und Theologen, die eine grundlegende Umgestaltung der Katholischen Kirche fordern. Für ihn ist klar: Es geht den Unterzeichnern nicht um Aufbruch im Glauben und die entscheidende Frage des Heils, sondern um pure Macht. Sie wollen ihren Durst nach Einfluß und Geltung stillen. Er bezeichnet das Memorandum als ein "Dokument der Resignation und Verzweiflung".
In einem Memorandum "Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch" hatten 143 "TheologInnen" in der Süddeutschen Zeitung vom 3. Februar 2010 grundlegende Änderungen der Strukturen, Entscheidungsprozesse und ethischen Normen in der Katholischen Kirche gefordert (MEDRUM: 143 Theologinnen und Theologen wollen die Katholische Kirche umgestalten). Ihre Kernforderungen sind:
Manfred Lütz geht nun in seinem Kommentar zu diesem Memorandum besonders der Frage nach, worum es den Unterzeichnern in Wirklichkeit geht und wie ihre Beweggründe zu verstehen sind. Er analysiert dazu die Stellung der Unterzeichnergruppe und zieht daraus Rückschlüsse auf ihre Beweggründe. Der Psychiater Lütz zeichnet eine Art Psychogramm für eine Schar von Theologen, das die starke Ambivalenz ihrer Bedeutung an den Universitäten, in der Kirche und in der Öffentlichkeit widerspiegelt.
Ihre Position als Professoren beschreibt er als machtvoll: "Theologieprofessoren haben in Deutschland institutionelle Macht. Einmal im Amt, können sie im Grunde tun und lassen, was sie wollen, behalten ihr Beamtengehalt und ihren in Deutschland immer noch klangvollen Titel. Sie können de facto unter dem Label katholische Theologie ohne weiteres evangelische Positionen vertreten. Kaum jemand schreitet da wirklich ein. Nur selten wird jemandem die Lehrbefugnis entzogen. Dann behält er Titel und Gehalt".
Doch die machtvolle Stellung als Universitätslehrer geht nach Beobachtung von Lütz einher mit Bedeutungslosigkeit in der Öffentlichkeit und Kirche. Lütz dazu: "Öffentlich haben sie ihr Renommee fast eingebüßt. In keiner Talk-show, in keiner überregionalen Tageszeitung, überhaupt in keiner öffentlichen Debatte spielen sie noch eine wirkliche Rolle, da will man klare katholische Positionen, da will man möglichst einen Bischof." Mit anderen Worten: Außer an ihrem Lehrstuhl interessiert sich keiner für sie und das, was sie verkünden. Und selbst an den Universitäten würden Theologieprofessoren immer weniger ernst genommen, sagt Lütz. Wörtlich schreibt er: "Entweder bestreiten ihnen polemische Kollegen generell die Wissenschaftlichkeit, oder man wendet sich nicht an sie, weil man wohl an die Kirche einige kritische Fragen hätte, aber irgendwie gehört hat, dass die auch mit ihrer Kirche im Clinch liegen. Bischöfe schließlich haben es heutzutage auch schwer genug, und manch einer hält sich da solche unberechenbaren Berater lieber vom Leib. So befinden sich katholische Theologieprofessoren bisweilen in einer Splendid Isolation." Daher sei die Erklärung in Wirklichkeit ein "Dokument der Resignation und Verzweiflung", so Lütz.
Vor diesem Hintergrund zieht Lütz klare Folgerungen. Das Memorandum werde nichts verbessern. Einerseits sieht er, daß bei den Laien an der Basis zwar auch der Frust mal wieder steigen wird. Doch diejenigen, die noch in die Kirche gehen, so Lütz, sind inzwischen gegen diese alle paar Jahre über Land gehenden Wellen abgehärtet. Kritiker Lütz zieht am Ende ein nüchternes Fazit: Keine der Forderungen, die von den Theologen aufgestellt werden, kann die "Sterbebettprüfung" bestehen. Lütz stellt dazu fest: "Auf unserem Sterbebett wird uns wohl nicht die Frage nach Zölibat, Frauenordination, Sexualmoral und kirchlichen Strukturen interessieren, sondern die Frage Luthers: Wie finde ich einen gnädigen Gott?" Die jungen Leute auf den Weltjugendtagen seien nicht für die Themen der vielen Theologieprofessoren interessiert. Denn, so Lütz: "Sie suchen Menschen, die sich zu Gott, zu Jesus Christus und auch zur Kirche bekennen."
Es dürfte schwer fallen, dem Fazit von Lütz überzeugend zu widersprechen. Für den Gläubigen wird es letztlich nur darauf ankommen, ob er Gnade und Barmherzigkeit findet. Und gerade für diese - am Ende alles entscheidende - Frage ist das, was die 143 Theologinnen und Theologen in ihrem Memorandum fordern, völlig bedeutungslos.
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Manfred Lütz ist Psychiater, Psychotherapeut und Theologe. Er ist Mitglied des Päpstlichen Rates für die Laien, Mitglied im Direktorium der Päpstlichen Akademie für das Leben und Berater der Vatikanischen Kleruskongregation. Ihm wurde im Januar 2011 der Bröckemännche-Preis verliehen. Mit diesem Preis würdigt der Bonner Medienclub Menschen, die "wider den Stachel gelöckt" haben, also gegen den Strom geschwommen sind und sich unbequem gemacht haben.
Zu seinen Büchern gehören das im September 2009 im Gütersloher Verlag erschienene Buch: "Irre - Wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen. Eine heitere Seelenkunde" und das Buch "Gott: Eine kleine Geschichte des Größten", erschienen im Februar 2009 als Taschenbuch im Knaur-Verlag.
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