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Starke wandern aus, Schwache wandern ein

04.07.08



Starke wandern aus, Schwache wandern ein -
Fachkräftemangel, überhöhte Sozialausgaben, hohe Steuerlast und Inflation

Hans-Olaf Henkel und andere Gäste bei Maybritt Illner

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Maybritt Illner hatte gestern Abend zum Thema "Maxi-Preise, Mini-Jobs: Kleiner Mann, was nun?" geladen. Gesprächsgäste waren Christine Haderthauer (CSU, Generalsekretärin), Klaas Hübner (SPD,
stellvertretender Fraktionsvorsitzender),
Manfred Schell (Bundesehrenvorsitzender der Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer, GDL), Hans-Olaf Henkel (Manager, ehemaliger BDI-Vorsitzender)
und der Schauspieler Peter Sodann.

Über 160.000 Menschen seien im vergangenen Jahr aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewandert, überwiegend jüngere und qualifizierte Leute. Gleichzeitig wanderten Menschen nach Deutschland ein, die wenig qualfiziert seien und den schwächeren sozialen Schichten zuzurechnen seien. Das könne auf Dauer nicht gut gehen, dass Fachkräfte, die hier gebraucht werden, weggehen, und die wenig Qualifizierten noch weiter zunehmen. Dies verstärke eines der gravierenden Problem des Landes, das Problem des Fachkräftemangels, zu geringer Beschäftigung und Bildung und das Problem zu hoher Sozialausgaben. Man müsse sich fragen, was die Ursachen für solche Entwicklungen seien und diese Ursachen beheben, betonte Hans-Olaf Henkel in der gestrigen ZDF-Sendung von Maybritt Illner.

Eine Ursache für unsere Probleme läge darin, dass die Sozialausgaben insgesamt zu hoch seien. Deutschland läge im internationalen Vergleich bei den Sozialausgaben an dritter und damit vordererster Stelle, nehme jedoch nur einen Mittelplatz ein, wenn verglichen werde, was dem Arbeitnehmer vom verdienten "Brutto" eigentlich "Netto" übrigbleibe. Das sei zu gering und lasse von Lohnzuwächsen zu wenig übrig. Es bewahrheite sich, was einst Ludwig Erhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft gesagt habe: "Zu sozial werde unsozial."

Henkel ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass er die derzeitige Inflation und die Steuer- und Abgabenast für zu hoch hält. Er erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die sonderbare Arithmetik, die der Mehrwertsteuererhöhung der großen Koalition zugrundelag, als eine der Inflationsursachen. Aus 0 Prozent und 2 Prozent sei das "arithmetische" Mittel 3 Prozent geworden, merkte Henkel skeptisch an. Auch dies mache sich in der Inflation bemerkbar, die vor allem die Leute mit geringem und kleinem Einkommen treffe.

Ebenso wenig Verständnis zeigte Hans-Olaf Henkel für die Energiepolitik der letzten Jahre. Deutschland habe über die sichersten Kernkraftwerke der Welt verfügt und könnte mit diesen kostengünstig Energie erzeugen, schließe aber seine Kernkraftwerke, um dann Strom von Ländern zu kaufen, in denen dieser Strom von weniger sicheren Kernkraftwerken produziert werde. Er hielt diese Fakten und die absurde Logik dem Schauspieler Peter Sodann entgegen, der ebenfalls als Gesprächspartner geladen war, der aber das Schließen deutscher Kernkraftwerke unterstützte indem er meinte, es müsse doch jemand damit anfangen, mit der Kernkraft Schluss zu machen. Henkel verdeutlichte die Absurdität, mit der diese Vorstellung durch die gegenteilige reale Entwicklung konterkariert wird, denn die internationale Entwicklung zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Zu den gegenwärtig über 400 Kernkraftwerken, die außerhalb Deutscnlands auf einem niedrigeren Niveau von Sicherheitsstandards existierten, kämen derzeit noch weitere 50 Kernkraftwerke hinzu, mit deren Bau begonnen worden sei, fügte Henkel hinzu. Und schließlich seien die hohen Energiepreise in Deutschland zu einem ganz maßgeblichen Teil auch durch hohen Steuerbelastungen bedingt, von denen Teile dadurch verursacht seien, unwirtschaftliche Energiegewinnung zu subventionieren.

Henkel wandte sich auch gegen die nachteiligen Folgen des Kündigungsschutzes für die Beschäftigung. Im internationalen Vergleich sei der Kündigungsschutz in Deutschland ein gravierender Hemmnisfaktor für den Arbeitsmarkt. Die Unternehmen zeigten bei der Festeinstellung von Arbeitnehmern große Zurückhaltung, weil es der gesetzliche Kündigungsschutz sehr schwer mache, sich von Arbeitnehmern wieder zu trennen, wenn sie erst einmal eingestellt seien. Daher seien Unternehmen bei der Festeinstellung zurückhaltend und suchten häufig zunächst nach Alternativen, bevor sie sich zur Festeinstellung entschließen würden. Dies führe nicht nur zu manchen unerwünschten Verwerfungen, sondern wirke sich für Arbeitnehmer und den Arbeitsmarkt mit einer immer noch überhöhten Arbeitslosigkeit insgesamt ungünstig aus. In anderen Ländern wie Dänemark zeige sich, dass ein geringerer Kündigungsschutz günstiger für Arbeitnehmer, Unternehmen und Arbeitsmarkt ist. In Dänemark gebe es mit einer Arbeitslosigkeit von unter 4 Prozent quasi Vollbeschäftigung und dort könne ein Arbeitnehmer bei Verlust des Arbeitsplatzes im Schnitt nach 4 Wochen mit einer Neueinstellung auf einem anderen Arbeitsplatz rechnen.

Im Gegensatz zu Hans-Olaf Henkel sah der Schauspieler Peter Sodann aus Halle die Lösung der Probleme im Demokratischen Sozialismus. Er meine damit nicht den Sozialismus der ehemaligen DDR, erklärte Sodann. Konkreter wurde er leider nicht. Die Frage von Hans-Olaf Henkel, welchen Sozialismus er meine, den von Kuba, Nordkorea oder welch sonstigen, blieb Peter Sodann schuldig. Dennoch hatte Sodann einige Buhrufer auf seiner Seite, die die Frage von Hans-Olaf Henkel offenbar als unzulässig angesehen hatten. Henkel widersprach dem Schauspieler Sodann auch am Beispiel eines Studiogastes, der trotz höchster Qualifikation und Leistung nur als geringgentlohnte Praktikantin von einem Unternehmen beschäftigt wurde, in dem Punkt, dass dieser Fall typisch sei. Henkel hielt Peter Sodann entgegen, dass solche Verwerfungen weder aus seiner eigenen betrieblichen Erfahrung noch aus der Erfahrung seines jüngsten Sohnes, der fünf Praktika geleistet habe, als typisch bezeichnet werden könnten. Peter Sodann ließ offen, ob er seine gegenteilige Auffassung aus betrieblicher Erfahrung und Unternehmensführer gewonnen hat oder ob es sich dabei um ein reines Bühnenerlebnis handelt.

Ähnlich wie Peter Sodann lieferten auch die Beiträge der übrigen Gäste lieferten nur ausschnitthafte, aber keine neuen oder substantiellen Erkenntnisse. Christine Haderthauer (CSU), und Klaas Hübner (SPD) tauschten ihre bekannten Argumente zum Pro und Contra der Pendlerpauschale aus. Abbau der Steuerlast für die Arbeitnehmer stand hier dem Gebot der Haushaltskonsolidierung gegenüber. Manfred Schell von der GDL rechtfertigte den überproportionalen Tarifabschluss mit der Deutschen Bahn AG für die Lokführer damit, dass er differenzierte Lohnabschlüsse für notwendig hält, weil nur so eine leistungs- und verantwortungsgerechte Entlohnung statt Gleichmacherei möglich sei. Wesentliche Erkenntnisse zur Besserung der Lage Deutschlands insgesamt lieferten die Beiträge dieser Gäste leider nicht. Dies lag allerdings teilweise auch an den Fragestellungen, die Maybritt Illner an sie gerichtet hatte.

Im Gegensatz zu diesen Gästen, besonders aber im Gegensatz zu den anrührend gutartigen Eingebungen des Schauspielers Peter Sodann, waren die Diskussionsbeiträge von Hans-Olaf Henkel klar und aufschlussreich. Henkel zeigte Probleme und ihre Ursachen auf und machte zugleich konkrete Vorschläge, wie die Lage verbessert werden kann:

  • Abbau der Arbeitslosigkeit und überhöhter Sozialausgaben durch Beseitigung beschäftigungsfeindlicher Regelungen auf dem Gebiet des Kündigungsschutzes;
  • Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung und Beschäftigung durch differenzierte Tarifabschlüsse;
  • Förderung der Beschäftigung und Verringerung des Sozialausgaben durch
    Verbesserung der Qualifikation und Bildung und Behebung des
    Fachkräftemangels;
  • Erhöhung des Nettoeinkommens der Arbeitnehmer und Reduktion des Preisanstieges durch Minderung der Sozialabgaben und Steuerlast;
  • Senkung der Energiekosten und Verbesserung der Umweltsicherheit durch Energieerzeugung in deutschen Kernkraftwerken mit hoher Sicherheitstandards und Abbau von Subventionen für unwirtschaftliche Energieerzeugung.

Prof. Dr.-Ing. E.h. Hans-Olaf Henkel lehrt als Honorarprofessor an der Universität Mannheim "Internationales Management" und ist Autor mehrer Bücher. In seinem Buch "Der Kampf um die Mitte", das im letzten Jahr erschien, zeigt er auf, welche Korrekturen er gesamtpolitisch für nötig hält, um die Weichen für eine günstige Zukunftsentwicklung Deutschlands zu stellen.