Sie sind hier

Muss Mutter von 7 Kindern wegen Erteilen von Hausunterrichts drei Monate ins Gefängnis?

18.06.08


Müssen Mutter und Vater von 7 Kindern wegen Verletzung der Schulbesuchspflicht drei Monate ins Gefängnis?

Gegen den Willen des Schulamtes ist Ersatzunterricht in der Familienschule von Gefängnisstrafe bedroht

Heute stehen um 11.00 Uhr im Landgericht Kassel die Eltern Jürgen und Rosemarie Dudek aus Herleshausen vor Gericht. Sie sind angeklagt, weil sie ihren Kindern seit etlichen Jahren Hausunterricht erteilen, anstatt sie in einer öffentlichen Schule unterrichten zu lassen.

Verhandelt werden soll die Berufung des Staatsanwaltes Herwig Müller, dem die verhängte Geldstrafe in der ersten Instanz zu niedrig war. Ursprünglich waren Dudeks im Mai vergangenen Jahres durch das Amtsgericht Eschwege verurteilt worden, eine Geldstrafe von 900,-- EUR zu zahlen, der Staatsanwalt hingegen forderte gegen die Eltern jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Monaten, also auch für die siebenfache Mutter drei Monate Gefängnis zu verhängen.

Jürgen und Rosemarie Dudek waren zu einer Geldstrafe von jeweils sechzig Tagessätzen verurteilt worden, weil sie ihre Kinder dauerhaft der Schulpflicht entzogen haben, berichtete die Werra-Rundschau. 60 Tagessätze heißt, die Eltern wurden verurteilt, eine Geldstrafe in Höhe von zwei Monatseinkommen zu zahlen. Aufgrund des geringen Einkommens der Eltern betrug die Strafe 60 Tagessätze á 10 EUR, also 600 EUR für den Vater Jürgen Dudek, und 60 Tagessätze á 5 EUR für Rosemarie Dudek, also 300 EUR für die Mutter.

Die Eltern hätten sich eines Vergehens schuldig gemacht, befand Amtsrichter Peter Höbbel bei der Urteilsverkündung im vergangenen Jahr. Er begründete das dem Staatsanwalt zu gering erscheinende Strafmaß damit, dass von der Schulbehörde längst eine grundsätzliche Entscheidung hätte getroffen werden müssen. Das Schulamt hatte auf den Antrag der Eltern, den Hausunterricht zu genehmigen, jedoch keinen Bescheid erteilt, sondern Anzeige erstattet. Zuständig dafür ist das Staatliche Schulamt für den Landkreis Hersfeld-Rotenburg und den Werra-Meißner-Kreis mit Sitz in Bebra. Richter Höbbel verwies darauf, dass der Fall nur verhandelt worden sei, weil der Strafantrag des Schulamtes aufrecht erhalten worden sei. Auch das evangelische Nachrichtenmagazin "idea" berichtete über den Fall im Juli vergangenen Jahres.

Das Strafmaß erschien dem Staatsanwalt Herwig Müller trotz dieses Hintergrundes zu gering. Er legte Berufung ein und forderte, statt der Geldstrafe eine dreimonatige Gefängnisstrafe ohne Bewährung zu verhängen. Heute findet deshalb in Frankfurt die Berufungsverhandlung statt. Rosemarie und Jürgen Dudek sind erneut angeklagt. Die Eltern und ihre Kinder müssen befürchten, dass nunmehr wegen des Vergehens das erste Urteil aufgehoben und stattdessen eine Gefängnisstrafe verhängt wird, wenn das Gericht dem Antrag des Staatsanwaltes folgt.

Rosemarie und Jürgen Dudek sind Eltern von 5 Söhnen und zwei Töchtern. Sie sind überzeugte Christen. Ihre Lebensgestaltung basiert auf der Bibel. Vier Söhne sind inzwischen schulpflichtig, der älteste hat gerade seinen Realschulabschluss mit der Note "sehr gut" gemacht. Dafür besuchte er für einige Monate eine öffentliche Schule. Die Eltern schicken ihre Kinder aus Glaubensgründen grundsätzlich nicht zu einer staatlich anerkannten Schule, sondern unterrichten sie selbst. Wie hr-online berichtet sind die Eltern besorgt, dass der Unterricht an einer öffentlichen Schule den christlichen Glauben ihrer Kinder gefährde oder sogar zerstöre. Beide Elternteile verfügen über eine Hochschulausbildung. Gegen das Ehepaar war wegen desselben Delikts bereits vor einiger Zeit vor dem Familiengericht in Eschwege wegen Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls verhandelt worden. In Übereinstimmung mit dem damaligen Anklagevertreter hatte das Gericht das Verfahren gegen Auflage von Geldbußen jedoch eingestellt.

Seit Dezember 2004 bemühen sich Jürgen und Rosemarie Dudek um die Genehmigung, ihre Familienschule als Ersatzschule betreiben zu dürfen. Dies muss allerdings vom Schulamt zugelassen werden. Aussicht darauf besteht nach Ansicht der Behörde nicht, einen formalen Ablehnungsbescheid gibt es allerdings bis heute nicht. Wie "idea" im letzten Jahr berichtete, hatte es das Schulamt auch nicht für notwendig gehalten, die Familie zu besuchen und sich von den Verhältnissen in ihrer Familienschule einen Eindruck zu verschaffen. Leiter des Schulamtes ist der Leitende Schulamtsdirektor Arno Meißner.

Das Netzwerk Bildungsfreiheit hat die ganze Verfahrensweise als "himmelschreiendes Unrecht" bezeichnet und dazu aufgerufen, den Eltern durch Präsenz bei der heutigen Verhandlung Unterstützung zu bekunden. Wie töricht die Vorwürfe von seiten der Staatsanwaltschaft seien, ersehe man allein schon daraus, dass es sich hier um eine Musterfamilie handele. Beide Eltern seien hervorragend gebildete Akademiker. Ihr Hausunterricht sei so erfolgreich gewesen, dass der älteste Sohn, der kürzlich an eine Schule wechselte, gleich Klassenbester mit Einsernoten im Zeugnis gewesen sei. Alle Vorwürfe gegen die Familie sind haltlos und lösen sich bei näherer Betrachtung in Luft auf. Es handele sich hier um einen erneuten Fall der Demonstration staatlicher Macht, die diese Familie in die Knie zwingen soll, so das Netzwerk.

In Deutschland gibt es im Vergleich zu anderen Ländern in Europa eine sogenannten Zwang zum Schulbesuch staatlicher oder staatlich anerkannter Privatschulen. Gegen diese Gesetzeslage hat der Bundesverband Natürliches Lernen e.V. eine Kampagne gestartet, um eine größere Vielfalt in der Bildung zu ermöglichen. Er will, dass es künftig auch in Deutschland möglich wird, Kinder in Familienschulen unterrichten zu lassen (MEDRUM-Bericht v.13.05.08).


Information über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes auf Grund einer Verfassungsbeschwerde in einem ähnlich gelagerten Fall aus dem Jahr 2006 -> MEDRUM-Info.

 

Leserbriefe

Die Tatsache, dass Eltern ihre Kinder nicht in die Schule schicken und sie selbst unterrichten, betrachte ich mit leichter Skepsis. Es ist die Frage, ob die Kinder dann wirklich ausreichend gefördert und gebildet werden können (und tatsächlich werden). Das ist nicht leicht zu überprüfen.
Wenn das bei den Kindern der Familie der Fall ist (was das Jugendamt ja offenbar gar nicht interessiert), ist es eine Unverschämtheit, den Eltern sogar Gefängnis anzudrohen und damit den Kindern die Eltern zu entziehen! Es ist natürlich ein Präzedenzfall, der hier verhandelt wird.
Ich wünsche den Eltern und den Kindern viel Kraft und Weisheit, dieses durchzustehen. Gott möge ihnen gute Argumente, Stärkung und Liebe geben, und Menschen, die sie mittragen.
Der Staat ist gnadenlos... . Hoffen wir auf einen Richter, der ein weites Herz hat und der einsieht, dass eine Gefängnisstrafe für so eine Familie eine echte Zumutung ist.
Wird Deutschland zur "Gewaltherrschaft"?
Vernunft und individuelle, begründete Entscheidungen von Familien scheinen jedenfalls nichts zu zählen.

Almut Rosebrock, Wachtberg bei Bonn
www.initiative-schulkinderbetreuung.de