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Europarat streicht Mutterbegriff als diskriminierendes "sexistisches Stereotyp"


28.06.10

Europarat streicht Mutterbegriff als diskriminierendes "sexistisches Stereotyp"

Erfolgreicher Vorstoß der CDU/CSU-Gruppe und Delegation des Deutschen Bundestages in der Parlamentarischen Versammlung

(MEDRUM) Die Parlamentarische Versammlung des Europarates hat sich gegen die Verwendung sexistischer Stereotype bei der Darstellung von Frauen und Männern in den Medien ausgesprochen. Entgegen der Ursprungsvorlage, die von der Schweizer Nationalrätin und Feministin Doris Stump als Berichterstatterin vertreten wurde, lehnte es die Parlamentarische Versammlung jedoch ab, den Mutterbegriff in eine Kampagne gegen sexistische Stereotype einzubeziehen.

ImageDie CDU/CSU-Gruppe der Delegation des Deutschen Bundestages beschloß vor der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung, sie werde einer Abwertung des Mutterbegriffs keinesfalls zustimmen. Wörtlich hatte Joachim Hörster (CDU, Bild links), Leiter der Delegation des Deutschen Bundestages, gegenüber MEDRUM erklärt:

"Wir haben beschlossen, im Europarat eine Streichung der Passagen zu beantragen, in denen Frauen in ihrer natürlichen Rolle als Mutter herabgewürdigt werden. Gegebenenfalls werden wir den gesamten Bericht ablehnen".

Wie die Sitzung des Europarates in der vergangenen Woche am 25.06.2010 gezeigt hat, haben die Unionspolitiker und deutschen Parlamentarier ihr Versprechen eingelöst. Sie waren mit ihrem Vorstoß erfolgreich. Die Parlamentarische Versammlung hat entschieden, die kritikwürdige Passage

"... confining women and men to the roles traditionally assigned by society, i.e. the women often portraying women as passive and lesser beings, mothers or sexual objects "

zu streichen. Frauen würden oft porträtiert als "geringere Wesen, Mütter oder sexuell Objekte", hieß es im Entwurf, in dem der Begriff der Mutter in eine Reihe diskriminierender Begriffe gestellt war. Die geänderte Fassung lautet jetzt:

... confining women and men to the roles traditionally assigned by society, the women at home, the men in the professional and political world, women as victims or sexual objects, men as competent and powerful leaders or sexually driven persons ...

Die Neufassung nennt nun sowohl Frauen als auch Männer und sagt, die Darstellung von Frauen und Männern in den Medien sei verengt auf traditionelle gesellschaftliche Rollen. Sie zeige Frauen zuhause, Männer im Berufleben und in der Politik, Frauen als Opfer oder sexuelle Objekte, Männer als kompetente und tatkräftige Führungspersönlichkeiten oder als von Sexualität angetriebene Personen.

Nach ihrer Änderung fand die Beschlußvorlage, die sich gegen die Verwendung sexistischer Stereotype bei der Darstellung von Frauen und Männer in den Medien ausspricht, die mehrheitliche Zustimmung in der Parlamentarischen Vollversammlung. Die geänderte Fassung ist als vorläufiges Dokument (Provisional Edition) im Anhang beigefügt.

Die vom Europarat verabschiedete Resolution ruft die 47 Mitgliedsstaaten zu einer Vielzahl von Maßnahmen auf, mit der die Darstellung der Geschlechter in den Medien am Prinzip der Geschlechtergleichheit (Gender Equality) ausgerichtet werden soll. Die Mitgliedsstaaten werden darin zu Kampagnen und Programmen aufgerufen, die sich gegen traditionelle Rollenbilder der Geschlechter wenden und vor allem auch auf eine ausgewogenere Präsenz und größere Sichtbarkeit von Frauen in den Medien aus der Sicht der sogenannten Gender-Perspektive abzielen. Der Katalog von Maßnahmen ist derart umfangreich und generell gehalten, daß der Umfang der sich daraus ergebenden, konkreten Aktivitäten und die daraus resultierende Kosten nur schwer einschätzbar sind. So ist beispielsweise daran gedacht, ein europäisches System der Überwachung und des Austausches der guten Praktiken (sogenannter "best practices") einzuführen, Journalisten durch Experten schulen zu lassen, um ihnen zu vermitteln, was Geschlechter-Gleichheit bedeutet. Auch  in den Schulunterricht soll die Lehre von der Geschlechter-Gleichheit aufgenommen werden.

ImageZu den Bestrebungen im Europarat hat sich auf Anfrage von MEDRUM die Abgeordnete der CDU im Europäischen Parlament Christa Klaß, Europaabgeordnete der Region Trier, geäußert. Klaß (Bild links) verwies zunächst darauf, daß der Europarat eine eigenständige internationale Organisation ist, die nichts mit der Europäischen Union zu tun hat. Zwar seien alle EU-Mitgliedsstaaten auch Mitglieder des Europarates, dessen Beschlüsse seien jedoch im Unterschied zu Richtlinien und Verordnungen der EU keine unmittelbar bindenden Rechtsnormen, sondern bedürften als Konventionen oder Teilabkommen der Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten. Im Europäischen Parlament werde der Bericht von Doris Stump nicht behandelt. Klaß brachte gegenüber MEDRUM klar zum Ausdruck, daß sie ebenso wie die CDU/CSU jede "Gleichschaltung" der Medien und ein Eingreifen in die Pressefreiheit ablehnt.

Die Rollendarstellung der Geschlechter gibt auch an anderer Stelle Anlaß zu Debatten in der Politik und Gesellschaft. Wie MEDRUM berichtete, wurde in der Schweiz ein fast 200 Seiten umfassender Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache herausgegeben, der verbindliche Vorgaben für die Amtssprache in der Schweiz macht. Umstritten war in diesem Zusammenhang die Frage, ob es in der Stadt Bern empfohlen wird, in der Amtssprache die Begriffe Vater und Mutter durch geschlechtsabstrakte Begriffe wie den Begriff Eltern oder den seltener gebrauchten Begriff das Elter zu ersetzen (→ Mutter wird amtlich durch "das Elter" ersetzt, → Entwarnung: kein Sprachirrsinn in der Schweizer Bundeskanzlei).

Ebenso beschäftigte sich die Hamburger Bürgerschaft intensiv mit Darstellung von Rollenbildern. Dort wurde Anstoß an Pixie-Büchern für Kinder genommen, unter anderem daran, daß das Bild einer "normalen" Familie gezeigt wurde (MEDRUM-Bericht: Gender-Aufruhr in Hamburg).

In Deutschland scheint der Aufwind für die ressourcenintensive Umsetzung des Konzeptes des Gender Mainstreamings, mit dem das Bild der Geschlechter-Gleichheit seit der Regierung unter Kanzler Schröder umgesetzt wird, unter dem Eindruck der Finanznot etwas nachgelassen zu haben. So hatte in diesem Frühjahr der Sächsische Landtag entschieden, kein weiteres Gender-Kompetenz-Zentrum einzurichten. Darüber hinaus soll die am 31.07.2010 auslaufende Förderung des GenderKompetenzZentrums durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nicht verlängert werden. Das 2003 eingerichtete Zentrum wird dann darauf angewiesen sein, sich über Dienstleistungen am Markt zu finanzieren. Dies wird auch Thema der nächsten Sitzung am 22. Juli 2010 sein, zu der die Bundesfamilienministerin eingeladen ist, wie das Zentrum gegenüber MEDRUM heute bestätigte.

Kontakt: Email → joachim.hoerster"at"bundestag.de


MEDRUM → Joachim Hörster: "Mütter dürfen in keiner Weise herabgewürdigt werden"


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Leserbriefe

Kriegen wir jetzt auch zwei "Eltertage" anstelle von Muttertag und Vatertag? Und wird die Schraubenmutter jetzt als Schraubenelter bezeichnet, um sie nicht herabzuwürdigen? Was ist mit Gebärelter? Gebärelterhalskrebs? Davon abgesehen, bin ich erleichtert. Offensichtlich gibt es keine größeren Probleme auf dieser Welt zu lösen als die Mutter-- Verzeihung, Eltersprache zu regulieren. Keine Ölkatastrophe, kein zusammenbrechendes Finanzsystem, kein Bienensterben.