Alexander Garth im
Interview
bei Gerth Medien
Der Berliner Pfarrer Alexander Garth kennt die
Argumente gegen die Existenz Gottes aus eigener Erfahrung. Mit seinem Buch
"Warum ich kein Atheist bin" leistet er jetzt einen erfrischenden
Beitrag zur aktuellen Atheismusdebatte. Im Interview mit Gerth Medien sprach er
über sich, seine Gemeinde und den Atheismus und den Glauben an Gott ...
GM: Weshalb war es Ihnen gerade zur jetzigen Zeit ein
Anliegen, ein Buch über Atheismus zu schreiben?
Garth: Erstens bin ich als Sachse in einer
christentumsfeindlichen Diktatur mit ihrer aggressiven atheistischen Propaganda
aufgewachsen. Die Auseinandersetzung mit dem Atheismus bestimmt mein Leben so
lange ich denken kann. Ich stamme aus einem liberalen christlichen Elternhaus,
das dem DDR-Regime ablehnend gegenüber stand. Zweitens gehörte zum
Theologiestudium in Leipzig ein Studium der marxistisch-leninistischen
Philosophie. Drittens bin ich Pfarrer und Gründer einer Missionsgemeinde im
Berliner Osten. Viele Menschen, die in unserer Gemeinde zum Glauben an Jesus
gefunden haben, stammen aus einem atheistischen Hintergrund. Die Arbeit unserer
Gemeinde ist darauf ausgerichtet, Menschen mit einem reduktionistischen
atheistischen Weltbild Zugangswege zum Glauben zu eröffnen. Viertens ist es
dringend notwendig, dass es endlich ein Buch gibt, das sich mit den
Denkvoraussetzungen und Glaubensaussagen des Atheismus auseinander setzt
und zum christlichen Glauben einlädt.
GM: Wie und wann haben Sie selbst zu Gott gefunden?
Garth: Ich war ein gläubiges Kind. Das Vaterunser, das meine
Mutter mit uns Kindern abends vor dem Einschlafen betete, bedeutete mir viel.
Aber dieser Kinderglaube kam mir im Teenageralter irgendwie abhanden. Ich
suchte in dieser Zeit den Grund, warum ich lebe und wofür es sich zu leben
lohnt. Ich lernte Christen kennen, begann die Bibel zu lesen und zu Jesus zu
beten. Bei einem Jugendgottesdienst vertraute ich mein Leben Jesus an.
GM: In ihrem Buch schreiben Sie, dass Atheismus
insbesondere in Europa ein Trend sei. Weshalb ist das Ihrer Meinung nach so?
Garth: Die Gründe dafür sind so komplex, dass sie eigentlich den
Rahmen dieses Interviews sprengen. Einmal hat das Christentum in Europa im 4.
Jahrhundert eine tragische Entwicklung genommen. Als der römischen Kaiser
Theodosius im Jahre 380 das Christentum zur für jedermann verbindlichen
Staatsreligion und damit zur Zwangsreligion machte, wurde das biblische
Christentum zur Ausnahme in der Kirche. Ca. 10 % der Bürger des römischen Reiches
waren Christen. Heerscharen von Heiden wurden nun in die Kirche hineingetauft
und praktizierten jetzt ihren Unglauben und ihr Heidentum in der Kirche.
Statt dass die Kirche Jesu liebevoll um sie warb, wurden die Heiden
zwangsgetauft, ohne persönliche Abkehr vom alten Leben mit seinen Götzen und
seinen Sünden. War es aus damaliger Sicht vielleicht folgerichtig, aus dem
Christentum eine Staatsreligion zu machen, so leitete diese Entscheidung eine
verhängnisvolle Entwicklung ein. Die Kirche bestand immer weniger aus an Jesu
hingegebenen Christen. Europa wurde zwangschristianisiert, aber nicht wirklich
evangelisiert. Das Christentum büßte nicht unerheblich seine spirituelle
Vitalität ein, verstrickte sich in Machtkämpfe und Konfessionsstreitigkeiten.
Von diesem Hintergrund aus wird verständlich, dass geistige Bewegungen wie die
Aufklärung mit ihrem Intellektualismus und Moralismus, der Positivismus und
auch die liberale Theologie den Boden für atheistische Ideen bereiteten. Der
naturalistische Atheismus Ludwig Feuerbachs, der philosophische Atheismus Karl
Marxs, der naturwissenschaftliche Atheismus Ernst Heckels, der psychologische
Atheismus Sigmund Freuds fand weite Verbreitung in allen Volksschichten
Europas, besonders in Deutschland und Frankreich.
GM: Halten Sie Glaube und Wissenschaft für
unvereinbar?
Garth: Auf keinen Fall. Das zeigt schon der überdurchschnittlich
hohe Anteil an Christen unter den Naturwissenschaftlern.
GM: Ein von Atheisten immer gern aufgegriffenes
Argument ist das der Theodizee, der Frage, wie die Existenz Gottes mit der des
Leids, des Übels in der Welt vereinbar ist, nicht nur bezogen auf selbst
verschuldetes Leid, sondern insbesondere auch auf unverschuldetes Leid wie
beispielsweise der Tod eines Kindes. Wie widerlegen Sie diese Argumentation?
Garth: Die Theodizee-Frage ist die schwierigste Frage überhaupt
und ein ernsthafter Einwand gegen Gott. Ich selbst musste erleben, dass meine
Mutter, eine fromme Frau, an Krebs starb. Ich studierte Theologie und war
ziemlich sauer auf Gott. Das Leben ist nicht fair, weil wir in einer unerlösten
Welt leben, in der die Seinsmächtigkeit Gottes noch verborgen ist. Es gibt
unzählige Beispiele dafür, dass Gott nicht vor Leid bewahrt. Wer sich aber im
Leid auf Gott einlässt, erfährt, dass der Glaube tröstet, Halt gibt und Kraft
sowie Freude schenkt.
GM: In Ihrem Buch haben Sie es sich zur Aufgabe
gemacht, Atheismus-Argumente zu widerlegen. Kann bzw. muss der gläubige Mensch
auf jede Frage eine Antwort haben?
Garth: Nein, das wäre vermessen. Aber der Glaube an Gott hilft,
der Absurdität vieler Dinge die Gewissheit entgegen zu halten, dass Gott
letztgültig alles gut macht.
GM: Sie sind Gründer, Leiter und Pfarrer der „Jungen
Kirche Berlin“, einem Projekt der Evangelischen Kirche in Berlin-Lichtenberg.
Dort wollen Sie atheistisch eingestellten Menschen den Glauben näher bringen –
mit Erfolg. Können Sie ein Ihnen gut im Gedächtnis gebliebenes Beispiel nennen,
auf welche Weise bzw. durch welches Ereignis eines Ihrer heutigen
Gemeindemitglieder doch noch zu Jesus gefunden hat?
Garth: Eine junge Frau aus unser Gemeinde war schwer in einen
Atheisten verliebt, einen Naturwissenschaftsstudenten. Sie scharte eine
Gruppe von Menschen um sich, die jeden Sonntag nach dem Gottesdienst für den
jungen Mann betete, dass er zu Gott findet. Der junge Mann begann unsere
Gemeinde zu besuchen und sich ernsthaft für den Glauben zu interessieren. Im
Laufe von zwei Jahren fand er zu Gott. Das war nicht nur für ihn ein Wunder.
Heute sind die beiden glücklich verheiratet und eine Säule in unserer Arbeit.
GM: Was unterscheidet die Gottesdienste in Ihrer
Gemeinde von denen einer „konservativen“ Kirche?
Garth: Wenn es um das Evangelium von der Rettung des Menschen
geht, sind wir ziemlich konservativ. Aber in den äußeren Formen sind wir recht
postmodern und experimentierfreudig. Wir wollen Jesus groß machen mit
Ausdrucksformen, die uns entsprechen (das Durchschnittsalter unser Gemeinde
liegt bei 22 Jahren) und den Menschen, die sich einladen lassen. Unsere
Gottesdienstmusik reicht von alten Chorälen, die von einer Band recht jazzig
oder rockig begleitet werden, bis hin zu modernen Lobpreisliedern und selbst
geschriebenen Liedern. Es ist uns wichtig, dass jeder Gottesdienstbesucher
seine eigene Form findet, Gott mit Liedern zu preisen und das Evangelium zu
besingen. Manche sitzen einfach auf ihrem Stuhl, viele stehen, einige heben die
Hände, andere knien. Die Predigten bei uns sind nicht kurz, aber sehr
herausfordernd und natürlich humorvoll. In der Mitte der Kirche steht ein Altar
mit einem riesigen Holzkreuz, einer aufgeschlagenen Bibel und vielen Kerzen. Es
gibt eine Bühne, die in abgedämpftes farbiges Licht getaucht ist. An der Decke
hängt ein Beamer. Das Thema des Gottesdienstes wird häufig unterstrichen oder
illustriert durch den Einsatz von Filmsequenzen, Musiksamples, Videoclips,
Ausdruckstanz, Gospelchor, Anspiel. Oft bieten wir Rituale an, um auf die
Botschaft des Gottesdienstes zu reagieren: Segnungen mit Öl, Schreiben von
Gebeten, die in die Taufschale gelegt werden, stille Gebetszeiten, zu denen man
sich als Ausdruck der Hingabe um den Altar mit Kreuz knien kann. Es gibt keine
feste Ordnung. Wir halten Voraussagbarkeit des Gottesdienstes für einen
Langweilefaktor. Wir feiern jeden Sonntag um 18 Uhr unseren Hauptgottesdienst.
Daneben gibt es noch einen postmodernen Nachtgottesdienst mit heiligem
Abendmahl und einen liturgischen Abendmahlsgottesdienst jeweils einmal im
Monat.
GM: Falls Sie Allister McGraths Buch „Der
Atheismus-Wahn“ gelesen haben: Wie stehen Sie zu diesem Buch, bekräftigen Sie
alle dort angeführten Argumente gegen den Atheismus und für den christlichen
Glauben oder gibt es große Unterschiede?
Garth: Ich habe das Buch mit großem Interesse und Gewinn gelesen
und teile die Sicht des Autors. Meine Herangehensweise ist allerdings stärker
von meiner Arbeit als Gemeindegründer mitten im Atheismus geprägt. Das
verändert auch etwas die Perspektive.
Das Interview führte Christine Beitat anlässlich der Herausgabe
seines Buches "Warum ich kein Atheist bin" und erschien in Gerth Medien,
6. März 2008, http://www.gerth.de/News/?idcatart=2051
Zu Buch und Autor:
Alexander Garth: Warum ich kein Atheist bin
Erschienen in Gerth Medien, 01.2008 , EUR[D] 12,95, 224 Seiten,
Gebunden Best.-Nr. 816305
http://www.gerth.de/?vp_id=www-Link&fct=search&nav_fct=search&search_str=816305
Alexander Garth ist im entkirchlichten Ostdeutschland
aufgewachsen. Er schildert, warum er nicht - wie so viele andere Menschen in
seinem Umfeld - Atheist wurde. Es geht ihm darum, Menschen einzuladen, ihre
atheistische Haltung zu überdenken und einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
Aus dem Vorwort
"Was will das Buch
eigentlich erreichen? Es beschreibt in verständlicher, weltlicher, manchmal
humorvoller (hoffentlich!) Sprache, was atheistisch und postmodern geprägte
Menschen daran hindert zu glauben, und es zeigt Wege zu einer erlebten
christlichen Spiritualität. Es möchte eine Brücke zwischen Atheismus und
christlichem Glauben schlagen. Menschen sind zunehmend unglücklich über ihren
Unglauben und unzufrieden damit. Sie ahnen, dass ihnen der Glaube in
schwierigen Zeiten helfen würde, Halt, Lebensmut und Orientierung zu
finden."
Alexander Garth
Leserbriefe
Beten für Andere am wirkungsvollsten
Eine junge Frau aus unserer Gemeinde war schwer in einen Atheisten verliebt. Sie scharte eine Gruppe um sich, die nach dem Gottesdienst für den jungen Mann betete. Dieser Bericht bestätigt mich in meiner Meinung, daß das Beten für Andere am wirkungsvollsten ist.