05.04.09
Vom Wachsen im Scheitern
Ja, Scheitern ist viel gravierender als Misslingen. Scheitern geht an die Substanz, erschüttert die Grundfesten unseres Seins, stellt unser bisheriges Gewordensein, unsere gesamte Existenz in Frage. Ob Gesundheit, finanzielle Absicherung, der Arbeitsplatz, die Einbezogenheit in Familie, Freundeskreis, Partnerschaft und Ehe, alles kann von einem Moment zum anderen wegbrechen. Nichts oder fast nichts wird mehr so sein wie es bisher war.
von Albert Wunsch
(MEDRUM) Angst, Verzweiflung, Scham und Ohnmacht steuern unserer Psyche. Und dann kommt die bohrende Frage: ‚Wieso gerade ich?' Und der Gedankenkreislauf setzt sich fort: ‚Was habe ich denn falsch gemacht? Wie kann ich das vor mir selbst rechtfertigen? Was soll ich meiner Frau / meinem Mann sagen? Wie wird das weitere familiäre Umfeld reagieren? - Nein, den Nachbar und Freunden werde ich nichts sagen! Denn jetzt auch noch eine - zwischen Schadenfreude und geheucheltem Mitleid pendelnden - Reaktionen der Andere aushalten müssen, nein, - dass muss ich mir nicht antun. - Aber bevor ich mein Hirn weiter zermartere, - wer hat eigentlich Schuld an dieser unerträglichen Situation?
‚Steh auf, wenn du weiterkommen willst', äußert sich zaghaft eine leise Stimme. Aber woher soll ich die Kraft nehmen? Wer gibt mir Anhaltspunkte für die ersten Schritte zum ‚raus aus der Misere'? Fallen kann jeder mal, aber wo lernen wir das Aufstehen? Benötige ich vielleicht eine Stütze? Sollte ich mich einem Vertrauten gegenüber äußern, mich in eine Beratung begeben? Nein, dass mache ich mit mir selber aus.
Jedes Scheitern führt in eine existentielle Entscheidungs-Situation. Sage ich ja zu einem Neubeginn, muss ich vorher die Situation akzeptiert und mich aus meinen Verdrängungs-Ambitionen befreit haben. Versuche ich, das Scheitern zu vertuschen und verschwende meine Energie für die Suche nach ‚einem' oder ‚den' Schuldigen und steigere mich in eine Opferrolle, kann Scheitern schnell zur Selbstaufgabe führen. Um die erlittene Schmach zu mildern, wird sich häufig am direkten Umfeld gerecht, werden aus Opfern schnell Misse-Täter für jene, welche einem (noch) nahe stehe.
Die Voraussetzungen, ob Menschen das JA zu einem Neuanfang schaffen oder sich der Ohnmacht ergeben und abtauchen, werden in früher Kindheit grundgelegt. Denn ob Aktivität oder Inaktivität, Verwöhnung oder eine Hinführung zur Eigenständigkeit auf dem elterlichen Erziehungs- bzw. Lehrplan steht, ob Kinder in der Spannung von Herausforderung und Förderung oder statt dessen in Selbstüberlassung und Verwahrlosung in das Leben wachsen, ob sie Chance erhalten, in angemessener Weise und in guten Rahmenbedingungen Durststrecken, Enttäuschungen und Konflikte erfahren dürfen, wird schon ab den ersten Lebenstagen deutlich. Denn hier ist das Trainingsfeld, wo Fallen und Aufstehen, Versuch und Irrtum, der Umgang mit Erfolg und Misserfolg, Freude und Leid, helfen und Hilfe annehmen gelernt - oder auch nicht - wird.
Wer definiert, ob ein herber Rückschlag, die Nicht-Erreichung eines als wichtig erachten Zieles, der abrupte Abbruch eines angenehmen Zustandes, ein mit voller Wucht auf mich treffendes Ereignis als Scheitern oder Chance zu betrachten ist? Die Antwort wird sehr stark dadurch geprägt sein, in welchem Umfang ich in mir die Kraft entwickelt habe, im Hinblick auf mein bisher Geleistetes, auf meinen Wert als Mensch mit Stärken und Schwächen, durch die Einbeziehung ermutigender Menschen und durch eine kräftige Portion Gottvertrauen auch zu meinen Schwächen zu stehen und in Demut das Wagnis eines Neuanfangs einzuleiten.
Copyright: Dr. Albert Wunsch (Neuss)
Zur Person des Verfassers |
Albert Wunsch ist Diplom Sozialpädagoge, Kunst- und Werklehrer, Diplom Pädagoge, Psychologe und promovierter Erziehungswissenschaftler. Er arbeitet in eigener Praxis als Paar-, Erziehungs- und Konfliktberater sowie als Supervisor und Coach (DGSv). Über viele Jahre leitete er das Katholische Jugendamt in Neuss. Seit 2004 ist er an der Katholischen Hochschule NRW in Köln tätig. Außerdem hat er Lehraufträge an der Philosophischen Fakultät der Uni-Düsseldorf. und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar. Er ist Vater von zwei erwachsenen Söhnen (3 Enkeltöchter). |
Publikationen Wunsch ist Autor der Erfolgsbücher: "Die Verwöhnungsfalle" (mittlerweile auch in Korea und China erschienen) und "Abschied von der Spaßpädagogik" sowie zahlreicher Fach-Publikationen. Er spricht sich für für einen Kurswechsel in der Erziehung aus und fordert dazu eine Abkehr von hohem Anspruchsdenken und extremem Egoismus, eine andere Mitwirkung der Schulen, die eine Kultur der Anstrengung fördern müssen, und eine Familienpolitik, die die elterliche Erziehung (auch finanziell) fördert und nicht dafür sorgt, dass Kinder schon in den ersten Lebensjahren in eine ganztägige Fremdversorgung abgeschoben werden, |
Albert Wunsch wird bei der Fachtagung der Elternakademie der Stiftung FamilienSinn am 8. Mai in Gotha ein Impulsreferat zum Thema "WER STÄNDIG MIT DER ZEIT GEHT, DEM FEHLT PERMANENT DIE ZEIT" halten (Familie heute. Familienbildung zwischen Qualitätsansprüchen und Instant-Konzepten).
Albert Wunsch in MEDRUM
-> Beziehungs-TÜV für Paare von Albert Wunsch
-> Familien heute, - traditionell, bunt oder modern?
-> Qualität der Erziehung, Verlässlichkeit des Zusammenlebens und Folgekosten für Sozialstaat
Weitere Information: www.albert-wunsch.de
Copyright www.medrum.de
Bleiben Sie mit unserem Newsletter auf dem Laufenden!
Leserbriefe
Scheitern
Danke, lieber Herr Wunsch, für diesen interessanten Text!
Ja, über Scheitern redet man heute besser nicht. Psychologen sagen, wenn man davon spricht, programmiere man sich selber negativ und mache des Scheitern erst perfekt. Und andererseits stehen wir doch oft tatsächlich vor einem Scherbenhaufen, wissen überhaupt nicht mehr weiter. Da hinein sagt Jesus: "Kommt her zu mir alle, die mir mühselig und beladen seid - ich will Euch erquicken." (Mt. 11,28). Die Verse drumherum zu lesen, ist auch interessant. Jesus ist am Kreuz gescheitert. Er musste am Kreuz sterben. Menschen haben ihn dahin gebracht. Ist er gescheitert?
Gott hat das Unmögliche möglich gemacht und er ist vom Tod auferstanden. Noch heute werden Menschen durch den Glauben an Seinen stellvertretenden Tod von ihrer Schuld, die so schwer lastet, ganz einfach befreit - wie es in Mt. 20,28 oder Joh.1,29 steht. Sie dürfen als Kinder Gottes fröhlich und befreit leben (Joh.1,12, Römer 8,15).
Wir können uns befreien lassen von dem, was uns belastet und immer wieder drückt, und fröhlich im Sinne unseres Erschaffers und als Nachfolger Jünger und Schüler Jesu durch unser Leben gehen (z.B. Joh. 8,12, Joh. 3,16). Es lohnt sich, in diesem Lichte die Evangelien, die Geschichten über Jesu Leben, nochmal neu zu lesen, gerade jetzt in der Passionszeit.
Da ist Jesus - nach menschlichem Ermessen - völlig gescheitert (Mt.27,39 folgende). Durch die Geschehnisse, die dann ab Vers 51 beschrieben werden, kommen Menschen zu dem Ergebnis: "Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen." Der Glaube an diesen Jesus bewegt und erfüllt noch heute Millionen oder Milliarden von Menschen auf der ganzen Erde!
Diese Wirkungsgeschichte ist für mich der überzeugendste Beleg dafür, dass an diesem Gott und an diesem Jesus etwas Wahres dran sein muss. Jesus hat, als er in Jerusalem eingezogen war (z.B. in Matthäus 21 berichtet) für Aufsehen im Tempel gesorgt, indem er die Händler daraus vertrieb. Gott leidet darunter, wie es bei uns in der Welt zum Teil zugeht. Aber Er duldet und achtet auch des Menschen freien Willen. Und doch, irgendwann wird man die Konsequenzen seines Handelns zu tragen haben... .
In Matth. 7,16 steht "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen". Das ist ein wichtiges Entscheidungskriterium. Die Krise kann nötig sein, dass später daraus Früchte wachsen können - so wie der Winter nötig ist, um den Frühling möglich zu machen. Nochmal zum Thema Homosexualität: Da ist das oben genannte Entscheidungskriterium eindeutig - homosexuelles Verhalten hat, im Gegensatz zur Liebe zwischen Mann und Frau, keine Früchte. Homosexuelles Verhalten verkürzt im Gegenteil die Lebensdauer auf durchschnittlich 47 Jahre, wie ich mal hörte. (Ob das stimmt, muss überprüft werden.)
Wenn man an die friedlichen und fröhlichen Christen auf dem Christival 2007 in Bremen denkt (ich war teilweise dabei), die sich friedlich gegen das Heer wild brüllender Demonstranten (Pro-Homosexuell) stellten, sich an den Händen haltend, ist das für mich ein klares Zeichen. Jesus hat selbst gesagt, dass die Nachfolge nicht leicht ist, es führt ein schmaler Weg zum Leben (Matth. 7,13+14). Die Entscheidung, den für einen selbst richtigen Weg zu finden, hat er uns überlassen. Gott zwingt nicht, er ruft nur in seine Nachfolge.
Almut Rosebrock (www.glmk.de)