24.11.08
Gericht hebt Entzug der Sorgerechte für Gorber-Eltern auf
Schulbesuchszwang begrenzt Elternrecht und Leben in Glaubensfreiheit
(MEDRUM) Das Familiengericht Überlingen hat mit seinem schriftlichen Beschluss nach der Verhandlung vom 12. November 2008 seine Anordnung aus dem April aufgehoben, mit der es den Eltern Gorber teilweise die Sorgerechte entzogen hatte.
Was bereits mündlich vorweg als Ergebnis der Verhandlung festgehalten und berichtet wurde, liegt nun seit Freitag als schriftlicher Beschluss vor: Die Gorber-Kinder sind und bleiben bei ihren Eltern in Überlingen. Der Richter machte den Eltern allerdings einige Auflagen:
Im Ergebnis bedeutet dies: Die Familie darf als Familie zusammenleben, ihre Kinder müssen jedoch weiterhin im staatlichen Schulwesen integriert bleiben. Die Eltern müssen den Schulbesuch nachweisen und sich zugleich über das Jugendamt und eine Beratungsstelle der staatlichen Überwachung der Entwicklung unterziehen.
Dies alles sind staatliche Eingriffe in die elterlichen Erziehungsrechte und das Leben einer Familie, der nichts vorgeworfen werden kann, außer dass sie als Familie ein eigenständiges Leben geführt hat, das am christlichen Glauben ausgerichtet war, dass sie ihre Kinder im christlichen Glauben erzieht, und dass sie ihren Kindern über fast 10 Jahre in eigener Verantwortung und Duldung staatlicher Behörden die schulische Bildung vermittelt hat.
Für diese Erziehung und Bildung der Gorber-Kinder war die langjährige Hausschulunterrichtung in der eigenen Familie zwar für die Außenwelt ungewöhnlich, für die Familie selbst aber sehr hilfreich gewesen. Ihr Alltag verlief weitgehend frei von äußerem Zwang, bescherte ein harmonisches Miteinander und große Gemeinsamkeit. Die Kinder benötigten im Vergleich mit der staatlichen Schule oft nur die Hälfte der Zeit, um den gleichen Lernstoff zu erarbeiten. Die kleine, familiär vertraute Lerngruppe zuhause, die frei ist von den Dingen, die den normalen Schulalltag an staatlichen Schulen in der Regel erschweren, die Unruhe hineinbringen und ihn teilweise auch behindern, hatte dies möglich gemacht.
Das hat seit Schuljahresanfang sein Ende gefunden. Der Alltag ist jetzt zu einem guten Teil zerrissen. Unterschiedliche Stundenpläne, Busfahrpläne und die schulische Betriebsamkeit mehrerer Schulen mit manchen Rauigkeiten des sattsam bekannten Schulgeschehens schlagen sich im Tagesablauf und in entsprechender Unruhe in der Familie nieder. Zeit ist ein knappes Gut geworden. Für viele Dinge, die für die bisherige Persönlichkeitsentwicklung der Gorber-Kinder wichtig waren, wie etwa die Mithilfe in der Landwirtschaft, bei handwerklichen Arbeiten oder bei der Betreuung jüngerer Geschwister bleibt jetzt nur noch wenig Zeit. Bei Gorbers gibt es jene Insel der Glückseligen nicht mehr, die vor gut zwei Jahren von einer Jugendamtsmitarbeiterin noch dort entdeckt wurde. Gegenüber MEDRUM beschrieb Mutter Gorber einige einschneidende Änderungen: "Die Schule diktiert jetzt maßgeblich das Geschehen bei uns. Die Kinder bringen eine Menge Streß aus der Schule mit nach Hause, der hier abgebaut werden muß. Sie sind jetzt viel hippeliger. Eine unserer Töchter hat den Betrieb in der Schule kürzlich mit einen Fast-Food-Service verglichen, der zwar bequem, aber auch oberflächlicher sei. Es werde viel auf die Schnelle geboten, das aber häufig ebenso schnell wieder in Vergessenheit gerate. Im Heimschulunterricht sei dies anders gewesen. Man habe sich intensiver und eigenständiger mit dem Lernstoff befassen müssen. Es sei deswegen auch mehr hängengeblieben, meinte unsere Tochter. Heimschule hat unseren Kindern eigentlich besser gefallen. Einige denken öfter daran zurück. Mit dem Ende der Heimschule ist auch ein gemeinsamer Tagesbeginn mit morgendlicher Andacht wegen oft unterschiedlicher Tagesabläufe jetzt schwierig geworden. Auch haben wir früher drei oder vier Mal täglich gemeinsam am Tisch gesessen, während dies heute an manchen Tagen gar nicht mehr möglich ist. Deshalb ist mit dem Besuch der öffentlichen Schulen leider auch ein Stück Gemeinsamkeit bei uns verlorengegangen." Das sind im Hause Gorber konkrete und spürbare Konsequenzen der fehlenden Freiheit eines deutschen Bildungssystems, das Eltern und Kindern nicht die Wahl überlassen will, wie und auf welchem Wege schulische Bildung erworben wird.
Dieser Gerichtsbeschluß war keine Überraschung, auch nicht für die Gorber-Eltern. Sie hatten diese Entscheidung längst antizipiert, als sie Mitte des Jahres für die Teilnahme ihrer Kinder am Unterricht in staatlichen Schulen sorgten, weil sie wußten: Ohne staatliche Schule kein Sorgerecht für ihre Kinder. Der schriftliche Beschluß des Familiengerichtes hat somit das ohnehin schon Bekannte in diesem Punkt lediglich bestätigt. Im Ergebnis kommt die Entscheidung des Gerichtes im Fall Gorber dem vielfach praktizierten Eingriff in das Elternrecht gleich, das durch die allgemeine Schulpflicht und den in Deutschland geltenden Schulbesuchszwang besteht. Er wird durch die Gerichte zunehmend rigoroser gehandhabt. Es gilt seit letztem Jahr die Doktrin des Bundesgerichtshofes (BGH): "Wer seine Kinder dem staatlichen Schulsystem entzieht, gefährdet das Kindeswohl." Eine Anwältin für Familienrecht meinte im Gespräch mit MEDRUM hierzu: "Mit dieser Fiktion hat der BGH die Möglichkeit eröffnet, den Schulzwang mittels Sorgerechtsentzug durchzusetzen." Die Freiheit ist nur über den Wolken grenzenlos, nicht aber in der Erziehung und Bildung der Kinder in Deutschland, auch nicht für die Gorbers. Das Elternrecht auf Erziehung der Kinder und der Anspruch, den eigenen Kindern die schulische Bildung auf der Grundlage des christlichen Glaubens selbst vermitteln zu wollen, finden im Zwang zum Besuch öffentlicher Schulen ihre durch den Staat, vor allem die durch die Rechtsprechung gesetzte Grenze.
Wie Holger Reile (2005 Landtagskandidat der Linkspartei im Wahlkreis Konstanz) in seinem Artikel im Schwarzwälder Boten im Sommer durch seine rhetorische Fragestellung - freilich mit etwas anderen Worten - wohl andeuten wollte: Die Gesellschaft darf nicht dulden, wenn eine Familie ihr eigenes Leben im christlichen Glauben führen will; Kinder sollten Handies haben, und Kinder dürfen nicht außerhalb des staatlichen Schulsystems aufwachsen, so die Botschaft seines Artikels zwischen den Zeilen. Der christliche Glaube erschien in Holger Reiles Artikel über Familie Gorber lediglich als ein geistiges Zwangssystem, aus dem die Kinder befreit werden mussten. "Darf da eine aufgeklärte Gesellschaft zusehen?", lautete seine Schlüsselfrage.
Eine ganz andere Bedeutung maß jetzt am Samstag in München Bundesinnenminister Schäuble bei der Preisverleihung des Eugen-Biser-Preises an drei islamische Gelehrte in seiner Laudatio dem Glauben und der Religion zu. Er hob die sinnstiftende Bedeutung und den unverzichtbaren Beitrag von Glauben und Religion zur Wertebildung in unserer Ordnung besonders heraus. Hier hat sich ein Minister auch zum Markenzeichen "C" bekannt, obwohl die CDU, wie es Kardinal Meisner in seinem Artikel in der FAZ kürzlich ausdrückte, mitunter ihr eigenes Markenzeichen zur Unglaubwürdigkeit verdammt. Das muss nicht so sein, wenn das "C" so ernst genommen wird, wie es der Rede von Minister Schäuble entspricht.
Wer allerdings das Markenzeichen "C" ernst nimmt und konsequent danach handeln will, hat es nicht immer leicht. Das haben auch die Gorbers zu spüren bekommen. Sie haben deswegen in den vergangenen acht Monaten einiges an Leid ertragen müssen, ihre Kinder haben sogar Freunde verloren, die mit "Heiminsassen" nichts mehr zu tun haben wollten. Aber das Schlimmste, den Verlust ihrer Kinder, haben sie um den Preis abgewendet, sich dem staatlichen Schulbesuchszwang zu beugen. Das Jugendamt könnte indes gegen den Beschluss des Familiengerichtes binnen eines Monats noch Rechtsmittel einlegen, falls es sein nicht gerade segensreiches Wirken bei dieser Familie noch in einer intensiveren Form fortsetzen wollte, als es der jetzige Beschluss vorsieht. Das Amt könnte seine Energie sicherlich aber sinnvoller verwenden, wenn es stattdessen einmal die aufschlußreiche Festansprache des Bundesinnenministers analysiert, immerhin eines hochrangigen Bundespolitikers der aus dem Bundesland Baden-Württemberg stammt, und an seinen Aussagen die Vorstellungen der Familie Gorber über die Erziehung und Bildung ihrer Kinder bewertet. Schäuble in seiner Ansprache: "Nach dem Scheitern von Weimar und den Gräueln der Nazi-Diktatur brauchte es das christliche Wertefundament, um eine Ordnung zu errichten, die der Würde des Menschen verpflichtet ist. Auch heute kommt dem Religiösen eine wesentliche Rolle zu, wie wir diese Ordnung mit Leben füllen. Der demokratische Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht schaffen kann. Eine Ordnung der Freiheit setzt voraus, dass ihre Bürger Freiheit verantwortlich ausgestalten. Dafür bedarf es grundlegender ethischer Werte und Orientierungen."
Die Gorber-Familie hat dies längst erkannt, verinnerlicht und gelebt. Dies wird gerade an den neun Kindern deutlich, denen die Gorber-Eltern das Leben geschenkt haben. Die Freiheit, als Leben in Glaubensfreiheit verantwortlich auszugestalten, hat für die Gorbers mit dem richterlichen Beschluss zwar ihre staatlichen Grenzen gefunden, dennoch aber könnten sie einigen Stellen durchaus Nachhilfe erteilen, wie die Ordnung der Freiheit mit Leben gefüllt werden kann, zum Beispiel einem Holger Reile und der Chefredaktion des Schwarzwälder Boten, oder manchem Angehörigen von Jugendämtern, ja sogar dem einen oder anderen Gutachter, wie das erfreulich positive Echo von Lehrern über die Gorber-Kinder aus ihren Schulen gezeigt hat. Hier überzeugen die Früchte einer liebevollen, verantwortungsbewußten und christlichen Erziehung mehr als Theorien psychologischer und psychoanalytischer Denkschulen oder säkulare Ideologien.
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