Sie sind hier

Müntefering: Verjüngung durch Ypsilantis Abtritt


09.11.08

Müntefering: Verjüngung durch Ypsilantis Abtritt

Jetzt kann sich Roland Koch nur noch selbst besiegen

Fragen von Karl Heine

(MEDRUM) Rente mit 67 für Arbeiter aber Aus für Politiker mit 51. Das ist eine der Botschaften der Erklärung des Bundesvorsitzenden der SPD, Franz Münterfering, mit der er den Abtritt von Andrea Ypsilanti kommentierte.

"Die Frau, deren Energie jeden Tag erneuerbar ist", so steht es auf der Homepage von Andrea Ypsilanti. Dies scheint Franz Müntefering nicht gelesen zu haben. Er kommentierte den Rückzug von Andrea Ypsilanti als Spitzenkandidatin für die Neuwahlen in Hessen mit den Worten, dies mache den Weg frei für eine Verjüngung. Auch ein Neustart sei möglich, so die zweite nichtssagende Begründung von Müntefering. Warum Neustart mit einer Frau an der Spitze, deren Lebensalter noch längst nicht das Ende einer politischen Karriere bedeuten dürfte und deren Energie jeden Tag erneuerbar ist? Wer den Menschen abverlangt, dass sie mit 67 noch auf Dächer steigen, darf doch eine Frau mit 51 in der Politik doch nicht zum alten Eisen rechnen. Oder doch? Wer um eine vernünftige Antwort verlegen ist, der greift in Kiste solch wundersamer, klischeehafter Erklärungen. Glaubwürdig ist es nicht, aber einfach wunderbar, Herr Müntefering, was Ihnen so alles dazu einfällt, möchte Ihnen da mancher zurufen.

Auch Frau Ypsilanti ist offenbar nicht viel mehr eingefallen, ihren Rückzug als Spitzenkandidatin den Wählern zu erklären. Sie habe dem Parteirat vorgeschlagen, mit Thorsten Schäfer-Gümbel in die Neuwahlen zu gehen. Und warum haben Sie das vorgeschlagen, Frau Ypsilanti? Keine Lust mehr, keinen Bock mehr, sind Ihre Energien nun doch verbraucht, haben Sie zu viel Energie in das gescheiterte Unternehmen Machtübernahme gesetzt? Oder ist es schlicht und einfach so, dass dies die beste Form der Gesichtswahrung ist, um Unruhe in der Partei zuvorzukommen, die jetzt nur noch auf die Neuwahlen blickt, vielleicht voller Sorge, bei dieser Wahl mit Ihnen nicht mehr viel Staat machen zu können, weil sie schlicht zerschlissen, aufgerieben und verbrannt sind? Oder auch weil sie einem weiteren persönlichen Mißerfolg bei den Neuwahlen zuvorkommen möchten? War es Ihnen da lieber, Ihre eigenes Ende vorzeitig lieber jetzt selbst zu besiegeln, zu einem Zeitpunkt, der Ihnen noch Gesicht lässt? Dies alles wäre nachvollziehbar und auch menschlich verständlich. Wer dürfte Ihnen das verübeln? Wohl keiner.

Die offiziellen Erklärungen sind hingegen nicht überzeugend. Wer, wenn nicht Sie, die Sie doch nur am hinterhältigen Dolchstoß von vier Parteigenossen, nicht aber an der Basis und beim Wähler gescheitert sind, hätte denn nach ihrer eigenen Logik eine bessere politische Legitimation und moralischen Anspruch als Spitzenkandidatin der SPD in diese Wahlen zu gehen? Und trotzdem Abtritt? Wer kann sich darauf einen Reim machen? Das sie dem nicht völlig überraschten Beobachter keine überzeugende Erklärung bieten, überrascht indessen nicht. Aber eine überzeugende Erklärung sind Sie dem Bürger ja schon bei Ihrer Wendehalsvorstellung gegenüber der LINKEN schuldig geblieben. Insofern bleiben Sie Ihrer Linie durchaus treu.

Mit ihrem Rücktritt hat sie nach Abbruch ihres Höhenflugversuches auch zu einer Landung aufgesetzt, die einer Bruchlandung sehr nahe kommt. Ob es ein Trost für Sie sein könnte, dass der von Ihnen vorgeschlagene Thorsten Schäfer-Gümbel kaum die Chance haben wird, diese Wahlen zu gewinnen und Ihnen diese Bürde abnimmt? Ein Schelm, wer Ihnen das unterstellen wollte. Mit Schäfer-Gümbel gilt erst recht: Jetzt kann sich Roland Koch nur noch selbst besiegen.


MEDRUM-Artikel -> Ypsilantis Versuch der Machtübernahme bei Bürgern und Parteianhängern auf tönernen Füßen