27.02.20
Dammbruch durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
Der "Tod auf Bestellung" bricht mit der auf "Bejahung und Förderung des Lebens" ausgerichteten Kultur
(MEDRUM) Bisher war es ein Tabu, geschäftsmäßig Beihilfe zur Selbsttötung zu leisten. Dieses Tabu hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner gestrigen Entscheidung gebrochen. Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sprechen von einer der dunkelsten Stunden der deutschen Rechtsprechung.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat mit Urteil vom 26. Februar 2020 (einstimmig) entschieden, dass das in § 217 des Strafgesetzbuchs (StGB) normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist. Zur Begründung sagen die Richter: "Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen."
"Freischein für Suizidhilfe"
Mit diesem höchstrichterlichen Urteil ist die Entscheidung des Gesetzgebers, die geschäftsmäßige Beihilfe zum Suizid mit Strafe zu bedrohen hinfällig. "Bundesverfassungsgericht kippt Verbot von Sterbehilfe", meldete beispielsweise der Sender rbb. Der hpd setzte dies unter die Überschrift: "Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot geschäftsmäßiger Hilfe beim Suizid". Der Tod auf Bestellung hat damit Eingang in die deutsche Wirklichkeit gefunden. Die Vereine für Sterbehilfe stehen schon bereit, für einen "angemessenen" Geldbetrag respektive eine Mitgliedschaft den Lebensmüden den Schierlingsbecher zu servieren.
Schwarzer Aschermittwoch gegen den Lebensschutz
Diese Entwicklung kann aus Sicht der Christdemokraten für das Leben (CDL) als eine "krasse Umkehrung der Intention des Gesetzgebers" bewertet werden. Sie sehen darin einen eklatanten Verstoß gegen den seit 1949 bestehenden Konsens, dass es kein unwertes Leben gibt. Die CDL wörtlich: "Ausgerechnet Deutschland stellt nun mit diesem richterlichen Paukenschlag einen Freischein für Suizidhilfe aus und setzt sich damit an die Spitze einer internationalen, linksliberal geprägten Bewegung, die schon lange das Recht zur Selbsttötung durch „Suizidhelfer“ über den Lebensschutz gestellt hat. Dieser Aschermittwoch 2020 dürfte als einer der schwärzesten Tage der deutschen Rechtsgeschichte seit 1949 gelten."
Erklärung der Christdemokraten für das Leben
MEDUM dokumentiert in vollständiger Länge, was die Bundesvorsitzende der CDL, Mechthild Löhr, und die Pressesprecherin, Susanne Wenzel, hierzu in einer Pressemitteilung erklärt haben:
„Mit seinem heute verkündeten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur ein „Recht auf Selbsttötung“, sondern auch ein Recht auf „Suizidhilfe“ verankert. Der Gesetzgeber kann die Suizidbeihilfe nach Ansicht der Richter zwar regulieren, ist aber verpflichtet, „hinreichenden Raum zur Entfaltung und Umsetzung“ für die Entscheidung zur Selbsttötung zu gewährleisten. Damit wird eindeutig ein Anspruch auf Suizidbeihilfe vom Gericht hergestellt. Dies kann als radikale Abkehr vom bisherigen Rechtsverständnis des Suizids gewertet werden.
Seit Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 war in Deutschland Konsens, dass es kein lebensunwertes Leben gibt. „Die Humanität gebietet die Achtung vor dem Bild des Menschen auch in seiner beschädigten Erscheinung.“ Folgerichtig ist in Deutschland Tötung auf Verlangen strafbewehrt verboten (StGB § 216). Mit der Aufhebung des § 217 StGB bzgl. der Zulassung der Sterbehilfevereine und professioneller Sterbehelfer hat das Gericht aber heute einer aktiven und beliebig begründbaren Suizidbeihilfe ganz weit die Tore geöffnet und in den entsprechenden Vereinen dürften heute ein Festtag gefeiert werden, denn sie sind vollends als notwendiger Anbieter zur Umsetzung von selbstbestimmten Suizidwünschen rechtlich und sicherlich dann bald auch gesellschaftlich akzeptiert.
Galt bisher die Rechtsauffassung, dass der Mensch weder über die eigene Menschenwürde noch über Menschenleben verfügen kann und auch der Suizidwunsch als Gefährdung der Würde und des Lebens angesehen wird, hat nun das Bundesverfassungsgericht dieses Menschenbild gewissermaßen auf dem Kopf gestellt
Die Entscheidung zum Suizid bedürfe, so die Richter, keiner weiteren Begründung, Prüfung oder Rechtfertigung, sondern sei Ausgangspunkt als Akt autonome Selbstbestimmung und daher von Staat und Gesellschaft jederzeit zu respektieren.
Damit geht das Bundesverfassungsgericht weiter als bisher bekannte internationale Rechtsprechung. Denn in fast allen Ländern in denen Sterbehilfe zugelassen ist, bleibt diese an einem mehr oder weniger engen Kriterien- oder Krankheitskatalog gebunden und kann nur unter bestimmten Prüfungsvoraussetzungen straffrei erfolgen.
Mit der ausdrücklichen Betonung, dass das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ nicht auf „fremddefinierte Situationen wie schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt“ ist, bereiten die Verfassungsrichter – beabsichtigt oder nicht – den Weg, künftig den assistierten Suizid nicht etwa nur als Handlungsoption im Falle schwerer Krankheiten oder nichtklinischer Gemütszustände zu verstehen. Voraussetzung hierfür ist nach Ansicht der Richter immer die „selbstbestimmte und autonome Entscheidung“, also die freie Willensbildung. Doch es stellt sich die Frage, ob es überhaupt Selbsttötung aufgrund eines „frei gebildeten“ Willens gibt. Suizidwünsche entstehen aber defacto häufig im Zusammenhang mit Depressionen oder depressiven Zuständen, die vielfältige gesundheitliche oder soziale Ursachen haben können. In persönlichen Beziehungskrisen oder schwierigen sozialen Lebenssituationen können ebenso wie bei körperlichen Erkrankungen situativ oder längerfristig depressive Zustände auftreten, die den Tötungswunsch als einzigen Ausweg sehen, wie etwa die Angst vor Schmerzen oder davor, Dritten zur Last zu fallen sowie auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Über 100.000 Suizidversuche in Deutschland pro Jahr zeigen, wie häufig Menschen in diesen vulnerablen Situationen alles andere als wirklich selbstbestimmt sind. Grundsätzlich ist aus Sicht vieler Ärzte und Experten unter entsprechenden Belastungszuständen überhaupt noch nicht einzuschätzen, ob jemand selbstbestimmt und frei seine Suizidentscheidung getroffen hat.
Ab sofort müssen sich alle die in der Suizidprävention tätig sind fragen, wieso sie ein Grundrecht auf autonome Selbsttötung nicht einfach jederzeit akzeptieren, sondern versuchen, Suizid zu verhindern. Die europäische Depressionsforschung hat aber gezeigt, dass der ganz überwiegende Teil der Suizidenten vorher psychisch erkrankt, depressiv oder in Behandlung gewesen ist. Krankenkassen müssen sich zukünftig fragen lassen, ob Suizidgefährdung oder Wünsche überhaupt noch zu Recht Krankheitsindikatoren bei vielen Krankgeschriebenen sind. Viele sozial isolierte, dauerhaft erkrankte oder lebensmüde, alte Menschen werden sich fragen lassen müssen, warum sie das Angebot professioneller Suizidhilfevereine nicht nutzen. Letztlich belegen Untersuchungen in der empirischen Sozialforschung auch, dass Gesellschaften, in denen eine breite Akzeptanz der Selbsttötung vorherrscht, auch weitaus höhere Selbstmordrate zu verzeichnen haben. All dies erkennt das Gericht zwar an, setzt aber die unbedingte Autonomie des Einzelnen über das Leben.
Die heutige Entscheidung kann als krasse Umkehrung der Intention des Gesetzgebers beim § 217 StGB betrachtet werden, mit dem der Gesetzgeber 2015 ja verhindern wollte, dass sich professionelle Suizidhilfeorganisationen bundesweit wie in der Schweiz und den Beneluxstaaten als alltägliches Angebot etablieren. Ausdrücklich spricht das Bundesverfassungsgericht in seinem überraschenden Urteil sogar von der autonomiefeindlichen Wirkung des bisherigen § 217 und mahnt an, dass die Möglichkeiten zum assistierten Suizid tatsächlich verfügbar sein müssen. Es bedauert explizit, dass die Ärzte dazu noch nicht mehrheitlich bereit sind, und betont, dass diese einen tatsächlichen Bedarf nach geschäftsmäßigen Angeboten damit solange noch nicht unterstützten. Die Kritik an den Ärzten ist damit nicht zu überhören. Dabei hatte noch im Okt. 2019 der Weltärztebund (World Medical Association, WMA) erneut seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid bekräftigt und sein starkes Bekenntnis zu den Grundsätzen ärztlicher Ethik betont und fordert höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben. Auch solle kein Arzt zur Teilnahme an Euthanasie und assistiertem Suizid gezwungen oder dazu verpflichtet werden, diesbezüglich Überweisungsentscheidungen zu treffen. Dies sieht man offensichtlich leider heute in Karlsruhe deutlich anders.
Das Gericht zeigt dem Gesetzgeber am Ende die Möglichkeiten auf, die zur Regulierung der Suizidbeihilfe dienen können, und fordert letztlich eine Anpassung der Berufsordnungen der Ärzte und auch Apotheker, damit „die Verwirklichung der Selbstbestimmung des Einzelnen nicht nur geografischen Zufälligkeiten“ unterliegt. Faktisch soll damit im Berufsrecht die Verpflichtung der Ärzte zur Suizidbeihilfe verankert werden.
Ab heute dürfte sich ein lebhafter Wettbewerb bei den schon seit langen in den Startlöchern stehenden Sterbehilfeverein entwickeln, die nun mit höchstrichterlicher Anerkennung den selbstbestimmten Bürgern und Bürgerinnen für wenige hunderte Euro oder Mitgliedschaften einen stillen, schnellen Tod zu jeder gewünschten Zeit anbieten können. Ausgerechnet Deutschland stellt nun mit diesem richterlichen Paukenschlag einen Freischein für Suizidhilfe aus und setzt sich damit an die Spitze einer internationalen, linksliberal geprägten Bewegung, die schon lange das Recht zur Selbsttötung durch „Suizidhelfer“ über den Lebensschutz gestellt hat. Dieser Aschermittwoch 2020 dürfte als einer der schwärzesten Tage der deutschen Rechtsgeschichte seit 1949 gelten.
Dass die Würde des Menschen vom höchsten deutschen Gericht ausgerechnet darin verwirklicht gesehen wird, dass ein Leben mit Hilfe Dritter professionell beendet werden darf, ist mehr als schockierend. Es ist beklemmend für uns alle, denn es eröffnet für viele Menschen, deren Leben belastet und schwierig ist, eine nunmehr höchstrichterlich anerkannte und geförderte neue Exit-Strategie in den jederzeitigen Tod.
Fazit: Das, was heute als Recht von Einzelnen erstritten wurde, wird sich im weiteren Verlauf – das Belegen die Entwicklungen in den Niederlanden und Belgien – als unverhandelbare „soziale Pflicht“ für die Gesamtheit der Schwachen, Kranken und Alten etablieren.
Das heutige Urteil ist wohl eine der dunkelsten Stunden deutscher Rechtsprechung.“
Die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes hat einen starken Niederschlag in den Medien gefunden. Die Stuttgarter Nachrichten: "Das Karlsruher Urteil ist ein Paukenschlag". Aus Sicht des Lebensschutzes ist es mehr als ein Paukenschlag, es ist ein Dammbruch von großer ethischer Tragweite. Dies wird verdeutlicht durch die Reaktion der Kirchen, die erklärt haben, das Urteil stelle „einen Einschnitt in unsere auf Bejahung und Förderung des Lebens ausgerichtete Kultur dar".
Bei der jetzigen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht das ethische Prinzip, das menschliche Leben von der Empfängnis bis zum natürlichen Ende zu schützen, der Autonomie des Individuums unterworfen.
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Die Christdemokraten für das Leben (CDL) sind eine selbständige Initiative in der CDU/CSU mit 5.000 Mitgliedern, darunter zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordnete sowie Kommunalpolitiker. Sie sind die einzige auch politisch und parlamentarisch verankerte Initiative für das Lebensrecht in Deutschland.
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