03.11.08
Gräueltaten an zwei Jesuiten in Moskau
Mahnwache und Aufruf an die russische und deutsche Regierung
(MEDRUM) Zwei schreckliche Morde wurden vor wenigen Tagen in Moskau an Ordensleuten des Jesuitenordens begangen. In den Medien werden die Gewalttaten jedoch verharmlost und über die Opfer wird in verleumderischer Weise spekuliert.
In der vergangenen Woche, am Dienstag, den 28.10.2008, wurden zwei Jesuiten tot in ihrer Moskauer Wohnung aufgefunden. Die Ermordeten sind der Obere der Jesuiten für die Region Russland, der wolga-deutsche Kasache Otto Messmer (47), und der ecuadorianische Theologe Victor Betancourt-Ruiz (42). Beide sind vielen Jesuiten in Deutschland aus persönlichen Begegnungen und gemeinsamen Studien bekannt.
Die Hintergründe der Tat sind noch im Dunkeln. Wie der Jesuitenpater Klaus Mertes (Rektor des Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg Berlin) berichtet, ist es äußerst schwierig, verlässliche Informationen über die Gräueltat zu erhalten. Bis zum jetzigen Zeitpunkt heißt es von der Kriminalpolizei, dass die Spuren gesichert und ausgewertet werden müssten. Nach Informationen des Sprechers der katholischen erzbischöflichen Kurie in Moskau ist Victor am Samstag, den 25. Oktober, in der Wohnung der Jesuiten erschlagen worden. Otto Messmer kam zwei Tage später von einer internationalen Tagung in Madrid zurück und wurde beim Eintritt in die Wohnung ebenfalls auf brutale Weise erschlagen. Die Täter müssen also zwei Tage gewartet haben, um auch den zweiten Mitbruder zu töten. Offenbar sind die beiden Menschen gezielt "beseitigt" worden. Wie die Nachrichtenagentur „Interfax" mitteilte, haben die Ermittler am Ort des Geschehens festgestellt, dass der Tod der beiden Geistlichen infolge von Schädel-Hirn-Traumata eingetreten war.
"Die Umstände der Tat machen es uns schwer, auf Spekulationen zu verzichten. Umso mehr empört es uns, dass andere Kreise in Russland schamlos spekulieren und die Tat nutzen, um die ermordeten zu verleumden und so Feindbilder und Vorurteile zu verstärken", so Mertes. Angeblich werde nach einem latein-amerikanischen Täter gefahndet; eines des Opfer käme ja aus Lateinamerika. Dieser Logik kann sich Mertes nicht anschließen. In der Presse werden die Opfer sogar selbst zu Schuldigen erklärt. So habe die Njesawisimaja Gaseta am 29. Oktober geschrieben: "Nach Meinung der Ermittler könnte der Mord im Zusammenhang mit einem internen Streit geschehen sein. Jedenfalls wurden in der Wohnung an der Petrowka Spuren eines Trinkgelages und inoffiziellen Informationen zufolge gebrauchte Präservative gefunden." Man scheue sich nicht, den Mord in mafiöse Kontexte zu stellen, in die auch andere katholische Ordensleute involviert seien. Zynisch schließe derselbe Text einer in Russland immerhin sehr anerkannten Zeitung mit den Worten: "Der Hintergrund der Tragödie, die an der Petrowka stattgefunden hat, ist dermaßen banal, dass es jetzt keinen Sinn hat, irgendwelche Moralpredigten zu verbreiten. Geistliche sind Menschen, deren Leben sich mitunter in keiner Weise vom Leben der übrigen Menschen unterscheidet. In solchen Fällen kann man gemäß der Journalistik-Tradition nur sagen: no comment."
Mertes protestiert gegen eine solche Stimmungsmache angesichts der entsetzlichen Morde. Keinesfalls dürfe man hier weiter zur Tagesordnung übergehen. Mertes ruft in einer Erklärung zum Widerspruch und Protest auf: "Wir wehren uns gegen das brutale, schamlose Schweigen, das nun auch über die Gräueltat an unseren Mitbrüdern gelegt werden soll. Wir wehren uns gegen ihre Verleumdung und Verhöhnung durch eine Presse, die sich faktisch in den Dienst der Gewalttäter stellt. Mit großer Sorge sehen wir eine wachsende Pogrom-Stimmung in Russland gegen viele christliche Gruppierungen, denen ohnehin in den letzten Jahren und Monaten immer mehr Wind ins Gesicht bläst, auch von offizieller staatlicher Seite her: Behinderungen aller Art, bürokratische Schranken, Verdächtigungen, Entrechtung, Gewalt. Mit Trauer nehmen wir zur Kenntnis, dass Jesuiten, andere Katholiken und überhaupt andere Christen, auch ökumenisch gesonnene orthodoxe Christen in Russland auf xenophobe Gewalt stoßen, die zum Mord bereit ist und sich dabei auch noch der klammheimlichen Zustimmung in der Gesellschaft sicher sein kann."
Das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis zeigte sich bestürtzt über die Morde. Beide Patres zählten zu Projektpartnern von Renovabis in Russland, mit denen das Osteuropa-Hilfswerk vertrauensvoll zusammenarbeitete. Auch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz, zeigte sich erschüttert über den gewaltsamen Tod, den die beiden Priester in Moskau erlitten. Angehörige von Pater Otto Messmer leben in Bamberg und Nürnberg. Erzbischof Schick sprach ihnen sein Beileid aus.
In einem Aufruf von Pater Mertes an die russische und deutsche Regierung heißt es:
"Wir fordern die russische Regierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die Morde an Otto Messmer und Victor Betancourt-Ruiz lückenlos aufgeklärt werden; wir fordern die russische Regierung ebenfalls auf, sich anti-ökumenischem und fremdenfeindlichem Denken in Russland erkennbar entgegenzustellen, und auch nicht-russischen Christen gerade in diesen Situation eine deutliches Zeichen der Akzeptanz in Russland zu geben.
Wir fordern die deutsche Regierung auf, diese Morde ebenso wie die vorhergehenden Morde an politisch und ökumenisch engagierten Christen in Russland auf die Tagesordnung der deutsch-russischen Agenda zu setzen.
Wir bitten alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland, denen deutsch-russische Beziehungen mehr bedeuten als Geschäfte mit Erdgas und Pipeline, uns zu helfen, dass das Schweigen über diesen Mord nicht siegt."
Mit einer Mahnwache vor der Botschaft der Russischen Föderation wollen die Jesuiten auf die Morde aufmerksam machen und ihrem Aufruf an die Politik und Gesellschaft Nachdruck verleihen.
Die Mahnwache findet statt am Donnerstag, 6.11.08, 16.00 bis 17.00 Uhr, Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin.
Die Ermordeten:
Victor Betancourt-Ruiz,
+ 25.10.08 (Ecuadorianer, Jesuit, 42 Jahre)
Victor Betancourt-Ruíz lehrte als Professor am Institut für Theologie, Philosophie und Geschichte der Jesuiten in Moskau. Er wirkte erst seit einigen Jahren in Russland.
Otto Messmer,
+ 27.10.08 (Wolgadeutscher, Jesuit, 47 Jahre)
Otto Messmer wurde am 14. Juli 1961 geboren und wuchs in einer kinderreichen Familie im kasachischen Karaganda auf. 1982 trat er in die Gesellschaft Jesu (SJ) ein. Nach Abschluss seiner theologisch-philosophischen Studien in Riga weihte ihn Kardinal Julian Vaivodsa 1988 zum Priester.
Er begann in der heutigen kasachischen Hauptstadt Astana seinen seelsorglichen Dienst. Später leitete er als Rektor das Vorseminar in Novosibirsk und kümmerte sich dort um die Ausbildung der Priesteramtskandidaten. Während der letzten Jahre verantwortete der Jesuit als Ordensoberer die Geschicke der unabhängigen russischen Region der Gesellschaft Jesu in der russischen Hauptstadt.
MEDRUM drückt allen Angehörigen und Ordensbrüdern tiefes Mitgefühl aus und bittet um Gottes Segen für die Verstorbenen.
Bericht der Solidaritätsaktion für Osteuropa Renovabis -> Jesuiten fallen Verbrechen zum Opfer
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