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Offener Brief an Josef Ackermann


22.10.08

Offener Brief vom Börsenexperten des ZDF an Josef Ackermann

Ein Mann voller Güte und Barmherzigkeit

(MEDRUM) Der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann hatte angekündigt, keine Staatsgelder in Anspruch nehmen zu wollen und dieses Jahr auf Bonus-Zahlungen verzichten zu wollen. Das ZDF hat in seinem Internetportal einen offenen Brief seines Börsenexperten Frank Zink veröffentlicht, in dem dieser sich kritisch mit der Haltung von Josef Ackermann auseinandersetzt und ihm Heuchelei und Arroganz vorhält.

Der Brief von Frank Zink im vollständigen Wortlaut:

 

17. Oktober 2008

 

Lieber Herr Ackermann,

ich war zutiefst gerührt und bewegt: Welch eine Geste der Güte, der Großzügigkeit, ja der Barmherzigkeit. Wer hätte das gedacht, dass Sie und Ihre drei Vorstandskollegen auf so viel Geld verzichten wollen. Dass Sie gerne mit Ihren Mitarbeiter teilen, wissen wir, seit Sie vor drei Jahren trotz Milliardengewinns Arbeitsplätze abbauten. (Schon vergessen? Wir nicht.) Dass Sie sich sehr für sozial Benachteiligte einsetzen, wissen wir, seit Sie vor zwei Jahren 1,3 Millionen Euro locker gemacht haben. Über 363 gemeinnützigen Organisationen, von der Aidshilfe über Vereine für Schiffbrüchige, Obdachlose und Terroropfer kam von dem Geld zu Gute.

Von Richtern und Werten

Natürlich haben Sie sich geärgert, dass dieses Geld nicht als Spende steuerlich geltend gemacht werden konnte. Unvergessen Ihr Wutausbruch: "Deutschland ist das einzige Land, wo diejenigen, die erfolgreich sind und Werte schaffen, deswegen vor Gericht stehen." (Na ja, mit dem Werteschaffen war's jetzt nichts. Ich sage nur: Börsen-Crash).

Auf Ihre prophetische Gabe komme ich später noch mal zurück. Aber was will man gegen solche uneinsichtigen Richter machen, wie die der Wirtschaftsstrafkammer des Düsseldorfer Landgerichts? Die waren einfach der Meinung, dass Sie für Ihre Großzügigkeit als Mannesmann-Aufsichtsrat, der Ex-Mannesmann-Vorstände zweistellige Millionen-Prämien verdanken, einfach zu spendabel gewesen seien. Gewiss, es war nicht Ihr Geld. Das lag in der Firmenkasse von Mannesmann noch rum.

Großes Herz und große Gesten

Dass Sie ein noch viel größeres Herz für ganz Deutschland haben, wissen wir seit gestern. Echt generös, dass Sie auf die Staatsmilliarden verzichten wollen, die die Bundesregierung jetzt bereitstellt. Denn Ihr Verzicht kommt damit anderen Banken zu Gute, denen es sehr viel dreckiger geht als Ihrem Haus.

Und dann Ihre mäzenatenhafte Geste gegenüber Ihrer Sitz-Stadt Frankfurt. Dass das Frankfurter Städel kürzlich einen überaus wertvollen Teil aus der Kunstsammlung der Deutschen Bank bekam, Sie haben keinen Hehl daraus gemacht, das haben wir Ihnen zu verdanken. Gewiss nicht Ihre persönliche Kunstsammlung. Dank des Verzichts der Aktionäre auf einen Teil der Gewinne, konnte die Sammlung aufgebaut werden. Aber, wer, wenn nicht Sie, hätten die Kunst-Spende veranlassen können.

Volksbank statt Lehman

Aber diesmal wollen Sie ja wirklich freiwillig eigenes Geld geben. Um wie viel Geld handelt es sich denn eigentlich, auf das Sie verzichten wollen? Ach so, nicht die 12 Millionen Euro, die Sie im letzten Jahr als Bonus bekamen. Weil die schon angelegt seien. Auf einem Festgeld-Konto der Volksbank Frankfurt - wegen der Einlagengarantie. Oder ist das nur ein böses Gerücht? Wenn nicht: Schlau, schlau. Hätte mich auch gewundert, wenn Sie es in Zertifikate der Lehman-Brothers gesteckt hätten. Sie verstehen eben was vom Geld. Ja, und das Festgehalt, die 1,2 Millionen Euro im Jahr? Stimmt, von irgendwas muss man schließlich leben.

Und, richtig, wer weiß, wie das Jahr 2008 noch läuft. Grämen Sie sich nicht zu sehr. Jeder Mensch kann irren. Jetzt haben wir diese blöde Finanzkrise. Ärgerlich ist das natürlich für einen so hochbezahlten und erfahrenen Banker, keine Frage. Und was haben Sie nicht alles versucht, diese Krise mit der Macht Ihrer Worte aus der Welt zu schaffen. Nicht mal mit Hilfe der Bild-Zeitung, und die hat ja nun wirklich das Meinungs-Monopol. Auch mit ganzem körperlichem Einsatz, mit dem Sie im Fernsehen mit schweizerischen Charme die Krise einfach fortlächeln wollten. "Wir sind am Anfang vom Ende der Krise." Wir alle, die Politiker, die Wirtschafts-Experten, die Banking-Community, die Börsen, die Medien, hingen wir an Ihren Lippen. Aber vielleicht war es auch ein Versprecher, und Sie hatten sagen wollen: Wir sind am Anfang vom Ende.

Eine Bank wie ein Fels

Diese blöde Finanzkrise hält sich aber auch an keine noch so gut gemeinte Empfehlung zu verschwinden. Sie kam. Sie ist da. Und sie ist so gewaltig, dass es viele Ihrer Freunde in den Chef-Etagen großer Investmentbanken in den USA, in Europa, in Asien aus ihren finanziell gut gepolsterten Sesseln schleuderte. Bisschen einsam inzwischen, da oben, in der 34. Etage, gell.

Nein, um die Deutsche Bank und um Sie machen wir uns momentan keine Sorgen. Eine Bank wie ein Fels. Gut, im Moment sehen wir nur noch den Fels in tosender Brandung, Sie haben sich vorsichtshalber zurückgezogen, man könnte ja nass werden, man könnte ja fortgespült werden, von diesem Tsunami der Finanzwelt.
Verzicht auf nicht Vorhandenes

Lieber Herr Ackermann, ich bin jetzt ein wenig abgeschweift vom Thema. Ging ja um Ihre herzerweichende Geste mit dem Boni-Verzicht. Ich meine, die Finanzkrise hat ja auch ganz schön in die Deutsche Bank reingehauen. Von den Milliarden-Abschreibungen will ich gar nicht reden. Aber vom Aktienkurs! Der ist ja in diesem Jahr so was von runtergerauscht. Im Wert gedrittelt, stimmt's. Ja, verstehe, das ist das Problem mit Ihrem Verzicht. Ihre Boni hängen ja hauptsächlich vom Kurs und vom Gewinn ab. Beide im Keller, Boni im Keller. Das heißt doch, Sie und Ihre Kollegen verzichten auf etwas, das Sie sowieso nicht bekommen. Und das verteilen Sie an die Mitarbeiter. Klasse Idee! Ihre PR-Leute sind wirklich Ihr Geld wert und steuerlich absetzbar.

Sie wollen trotzdem was Gutes tun? Sehr gut, wirklich sehr gut. Mein Vorschlag: Nehmen Sie doch einfach die Gehälter und Boni aus den fetten Jahren der Deutschen Bank. Sollen dreistellige Millionen-Beträge sein, davon die Hälfte. Das wäre gut, grad für die Mitarbeiter. Denn von denen könnte es einigen demnächst wirklich dreckig gehen, weil sie ihren Job verlieren. Investment-Banker, habe ich gelesen, werden heutzutage nicht mehr gebraucht.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Franz Zink