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Globale Erwärmung als Massenneurose

Wissenschaft

11.10.08
Globale Erwärmung als Massenneurose
von Bret Stephens
(Übersetzung Hans Penner)


Die vergangene Woche kennzeichnete den 20. Jahrestag des Massenneurose-Phänomens der Globalen Erwärmung. Vieles von der Naturwissenschaft ist seitdem unglaubwürdig geworden. Jetzt ist es an der Zeit, daß Politikwissenschaftler, Theologen und Psychiater sich einbringen.

Wieso unglaubwürdig? Tausende von Wissenschaftlern bestehen auf dem Gegenteil, keiner lautstärker als Jim Hansen von der NASA mit dem ersten Paukenschlag seiner Kongressaussage am 23. Juni 1988 (und der ganzen Bescheidenheit einer Vertrauenszusage von „99%").

Aber Mutter Natur hat ihre eigene Meinung. Die NASA bestätigt jetzt widerwillig, daß das heißeste Jahr seit Beginn der kontinentalen Aufzeichnungen nicht 1998 war wie zuvor geglaubt, sondern 1934, und daß sechs der zehn heißesten Jahre seit 1880 vor 1954 waren. Daten von 3.000 wissenschaftlichen Robotern in den Ozeanen der Welt zeigen, daß es in den letzten fünf Jahren eine leichte Abkühlung gegeben hat, ungeachtet dessen, daß nach einem Bericht von Richard Harris von National Public Radio, Massachusetts "80% bis 90% der globalen Erwärmung die Erhitzung des Ozeanwassers einschließt".

Die arktische Polkappe mag dünner werden, aber das Ausmaß des antarktischen Meer-Eises hat sich seit Jahren ausgedehnt. Wenigstens im Februar gehörte der letzte Winter der nördlichen Hemisphäre zu den kühlsten seit Jahrzehnten. Im Mai berichteten deutsche Klimamodellierer in der Zeitschrift „Nature", daß die globale Erwärmung reif ist für einen zehnjährigen Urlaub. Aber keine Angst, fügten die Modellierer hinzu: Der erbarmungslose Marsch zur A-pokalypse wird im Jahr 2020 wieder aufgenommen.

Letzteres ist natürlich eine Vorhersage, nicht eine empirische Beobachtung. Aber es wirft eine nützliche Frage auf: Wenn sogar leichte globale Kühlung einen Beweis für globale Erwärmung liefert, was ist denn dann kein Beweis für globale Erwärmung? Was wir hier haben, ist eine nicht falsifizierbare Hypothese, logischerweise nicht unterscheidbar von der Annahme der Existenz Gottes. Dies bedeutet nicht, daß Gott nicht existiert, oder daß die globale Erwärmung nicht eintritt. Es bedeutet, daß es nicht Wissenschaft ist.

Also wollen wir aufhören, uns über die Interpretation von Eiskernproben vom Südpol und über Temperaturdaten der Troposphäre aufzuregen. Der wirkliche Ort, wo Diskussionen über globale Erwärmung hingehören, ist das Reich des Glaubens und besonders der Motive für den Glauben. Ich sehe drei wechselseitig kompatible Erklärungen:
Das erste ist eine Art Vehikel für ideologische Gepflogenheiten. Sozialismus mag fehlgeschlagen sein als Wirtschaftstheorie, aber globale Erwärmungsalarmierung mit ihren schreck-lichen Warnungen vor den Folgen für Industrie und Konsumverhalten gleicht ebenfalls einem Angriff auf den Kapitalismus. Nehmen Sie beispielsweise jedes andere diskreditierte linksgerichtete Patentrezept von einst - Bevölkerungskontrolle, höhere Steuern, ein gewaltiges neues regulatorisches Regime, globale ökonomische Umverteilung, eine ausgeweitete Rolle der Vereinten Nationen - und globale Erwärmung liefert die Rechtfertigung. Man fragt sich, was die Linke mit einem wissenschaftlichen "Konsens" machen würde mit der Warnung, daß eine sich abzeichnende Umweltkrise nur abgewendet werden könnte, wenn jede College-gebildete Frau sechs Kinder gebären würde: Daumen einer "patriarchalischen" Wissenschaft; Verfinsterung der Menschheit.

Eine zweite Erklärung ist theologischer Art. Bestimmt ist es kein Zufall, daß die von globalen Erwärmungsunheilspropheten vorhergesagte Hauptkatastrophe sintflutartiger Natur ist. Bestimmt ist es kein Zufall, daß moderne Umweltschützer in ihrer Kritik an den Verwüstungen durch die moderne Gesellschaft schrecklich biblisch sind: "Und es gereute den HERRN, daß er Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es betrübte ihn in seinem Herzen." Das ist die Genesis, aber es klingt wie Jim Hansen.

Und es ist bestimmt im Einklang mit diesem im Grunde genommen religiösen Aspekt, daß die für die globale Erwärmung angebotenen „Lösungen" radikale Veränderungen im persönlichen Verhalten einbeziehen, alle mit einer asketischen, tugendzentrierten Neigung: fahren Sie weniger, kaufen Sie weniger, gehen Sie leichtfüßig auf der Erde usw. Ein günstiger Kohlendi-oxid-Fingerabdruck entspricht im 21. Jahrhundert sexueller Abstinenz.

Zuletzt gibt es eine psychologische Erklärung. Achten Sie sorgfältig auf die globalen Erwärmungsunheilspropheten, und Sie entdecken das Hauptthema, daß die entwickelte Welt unbedingt eine große Dosis Buße braucht. Bemerkenswert ist das Ausmaß, in dem sich Buße einem hauptsächlich säkularen Publikum verkaufen läßt. Worüber muß man Reue empfinden?

Es läuft hauptsächlich auf Ihre Bereitschaft hinaus zu glauben, daß unsere Erfolge unverdient sind, und daß Wohlstand moralisch verdächtig ist. Aus dieser Sicht ist globale Erwärmung die große wohlverdiente Strafe der Natur, die wie nichts anderes unser schuldiges Bewußtsein für unseren weltlichen Erfolg bestätigt.

In "Varianten religiöser Erfahrung" unterscheidet William James zwischen gesunder, lebensbejahender Religiosität und einer mönchisch bestimmten, "morbid gestimmten" Religion des seelisch Kranken. Globale Erwärmung ist eine seelisch kranke Religion.


The Wall Street Journal 1. Juli 2008: -> Global Warming as Mass Neurosis