06.10.08
Reihenweise Fehler im deutschen Finanzsystem
Rudolf Dressler: "Politik hat Finanzwirtschaft gedeckt, nicht kontrolliert"
(MEDRUM) In der gestrigen Abendsendung von Anne Will wurde deutlich, dass die Finanzmarktkrise, die auch Deutschland erfasst hat, zwar in Amerika ausgelöst wurde, die Anfälligkeit des deutschen Finanzsystems jedoch auch Ursachen aufweist, die in Deutschland liegen. Danach sind Erschütterungen, wie sie jetzt bei der Hypo Real Estate aufgetreten sind, auf Fehler mehrerer Ebenen zurückzuführen, die auch bei verantwortlichen Stellen in Deutschland identifiziert werden können.
Genannt wurden Fehler beim Management in den Banken, bei der internen Revision, den Vorständen, den Aufsichtsräten, den Wirtschaftsprüfern, der Bankenaufsicht, der Finanzmarktaufsicht, und schließlich auch in der Politik, die es versäumt habe, wirksame Überwachungs- und Regulierungsmaßnahmen in Deutschland zu treffen. Als Gegenbeispiel wurde Spanien genannt, das durch entsprechend effektive Maßnahmen Risiken und Anfälligkeiten in seinem Finanzsystem wesentlich besser vorgebeugt und dadurch verringert habe. In Deutschland gebe es zwar auch Regulierung, sie setze aber in bürokratischem Klein-Klein und nicht an den strategisch richtigen Stellen an, wie der ehemalige Finanzminister Österreichs, Karl-Heinz Grasser feststellte. Vor allem hätten die Ketten der Aufsicht nicht funktioniert. Die Aufsicht in Amerika, aber auch in Europa, habe bemerkenswert geschlafen. Dass ein Hypo Real passieren kann, sei auch ein Aufsichtsversagen. Er verwies ebenfalls auf Hedgefonds. Wenn man beispielsweise 11.000 Hedgefonds in der Welt habe, die 2.300 Mrd. Bilanzsumme haben, und dann bei Zweckgesellschaften Milliarden und Milliarden dann außerhalb der Bilanzen seien, müsse ein Schlußstrich gezogen werden. Vor allem Rudolf Dreßler, ehemaliger Sozialpolitiker, Mitglied des Parteivorstands der SPD und langjähriger sozialpolitischer Sprecher der SPD, ließ keinen Zweifel aufkommen, das auch in der Politik viele Fehler gemacht worden seien, die er für unerträglich hält. Dressler:
"Und das werfe ich der Politik vor, sie hat mit diesen Menschen, die so eine weltumspannende Katastrophe herbeigeführt haben, in Deutschland, nicht die Sprache geredet, die geboten gewesen wäre. ...
Hier gibt es noch eine Bemäntelung in verschiedenen Kreisen, und dieses ist, finde ich, nicht mehr aktzeptabel. ...
Die Politik hat die Finanzwirtschaft in den letzten Jahren gedeckt. Sie hat
sie nicht kontrolliert und sie hat sie schon gar nicht am Portepee gefasst. ..."
Wer hingegen die Erklärungen des finanzpolitischen Sprechers der CDU, Otto Bernhardt, in einem Namensbeitrag für POLIXEA Portal liest, kann feststellen, dass es noch an schonungsloser und präziser Analyse zu fehlen scheint (sie ist um der Sache willen unabdingbar). Er beschreibt zwar die Ursachen und Abläufe der krisenhaften Erschütterung des internationalen Finanzsystems, analysiert aber nicht, worin konkrete Ursachen für die Anfälligkeit des deutschen Finanzsystems und vermutliche Versäumnisse in Deutschland liegen. Es ist deshalb nicht ohne weiteres auf Anhieb nachvollziehbar, welche Fehler und Schwachstellen er für die Anfälligkeit im deutschen Finanzsystem identifiziert hat und in welchem Zusammenhang damit die Maßnahmen stehen, die er an vorderster Stelle für nötig hält nennt. Er fordert:
• ein effektiveres Risikomanagement der Banken,
• schärfere
Offenlegungsanforderungen an die Banken,
• verbesserte Bilanzierungsregeln
für Zweckgesellschaften,
• höhere Kapitalanforderungen für strukturierte
Produkte,
• verbesserte Ratings und die Beseitigung von Interessenkonflikten
bei Rating-Agenturen.
Am Ende seiner Ausführungen kommt er zu dem generellen Schluß, das der Ruf nach einem Mehr an Regulierung nicht unbedacht erfolgen sollte. Vielmehr bedürften alle neuen Regelungen einer Abwägung, und es zeige sich, dass
eine blinde Überregulierung der falsche Ansatz sei. Es kann dieser Erklärung sofort beigepflichtet werden, denn nichts sollte unbedacht erfolgen und nichts sollte blind erfolgen. Dies wäre genauso falsch, wie unbedacht nichts zu tun und wie eine blinde Unterregulierung ein ebenso falscher Ansatz wäre.
Sicher ist es jetzt noch verfrüht, eine konkrete Antwort auf die Frage zu erwarten, wodurch genau und wie künftigen Krisen besser vorgebeugt werden kann. Der Feststellung von Carsten Knop in seinem Artikel "Die Banker haben versagt", dass nicht nur die Banken, sondern auch die staatlichen Aufsichtsbehörden und die Zentralbanken versagt hätten,
weil sie dem Treiben viel zu lange zugeschaut hätten, darf wohl noch hinzugefügt werden, auch die Politik hat dem Treiben viel zu lange zugeschaut. Es bleibt daher die Frage: Wo und wie müssen Politik und der Gesetzgeber konkret tätig werden, um künftig besser Schaden vom deutschen Volk abzuwenden?
-> Carsten Knop: Die Banker haben versagt
-> Otto Bernhardt: Finanzmarktkrise ernst nehmen - Stärken Deutschlands beleuchten
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Chronik der Finanzkrise.pdf | 88.35 KB |
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