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Kandidatenflut in der CSU


01.10.08 

Kandidatenflut in der CSU - Zweifeln und Staunen

Ein Seitenhieb von Karl-Heine

(MEDRUM) Die Führung in der CSU scheint weniger auf Ordnung, Stabilität und Integrität zu beruhen, dafür aber umso mehr von Zentrifugalkräften und Kandidatenambitionen umhergetrieben zu werden. Ob die CSU gut beraten war, mit ihrer Wahlniederlage so umzugehen, wie sie das augenblicklich tut, wird sich noch herausstellen müssen.

Kopflosigkeit ist der Eindruck, den die CSU vermittelt. An Rücktritte wird vorerst nicht gedacht, hieß es noch am Montagvormittag. Zuerst müssen die Ursachen analysiert werden. Lange hielt die Ursachenanalyse nicht an. Sehr schnell wurde überdeutlich, dass Ursachenanalyse durch Personaldiskussion ersetzt wurde. Rücktritt Nummer 1 war fällig. An einen Rücktritt von Günther Beckstein war auch dann noch nicht gedacht. Kontinuität und Stabilität für die Koalitionsverhandlungen sollten nun im Vordergrund stehen. Lange hielt auch dies nicht an. Die Gedanken zur Bildung einer künftigen Regierung wurden ebenso schnell durch Personaldiskussionen ersetzt. Rücktritt Nummer 2 war fällig. Während für den Rücktrittskandidaten Erwin Huber nur Horst Seehofer als Nachfolger bereits in den Startlöchern stand, stehen für den Rücktrittskandidaten Günther Beckstein gleich eine Vielzahl von Kandidaten in den Startlöchern, die sich zu einem höheren Amt berufen fühlen.

Wie Erwin Huber heute erklärte, kämen dafür Bayerns  Innenminister Joachim Herrmann, Kunstminister Thomas Goppel und Fraktionschef Georg Schmid in Frage, und, wenn sich die Landtagsfraktion bis nächsten Mittwoch (8. Oktober) nicht auf
einen Kandidaten verständigen könnten, stehe auch Horst Seehofer zur Kandidatur bereit, sagte
Huber weiter. Dass keiner dieser vier potentiellen Nachfolger dem Wähler bei der Wahl als künftiger Ministerpräsident präsentiert worden war, scheint die Kandidatenschar wenig zu rühren. Ob es die Wähler rühren wird, bleibt abzuwarten. Schließlich ging die CSU mit einem Spitzenkandidaten Günther Beckstein ins Rennen, der - auch wenn schmerzliche Verluste zu verkraften waren - immerhin 43,4 Prozent der Wählerstimmen für seine Partei gewinnen konnte. Das wäre ein Traumergebnis für einen Franz Maget gewesen, der sich selbst schon bei 18,6 Prozent Stimmen für seine Partei zur Übernahme des Amtes als Ministerpräsident am Wahlabend berufen fühlte.

Auch wenn das Wahlrecht keine direkte Wahl des Ministerpräsidenten durch die Bürger vorsieht,  kann eine vergleichbare Wählerzustimmung weder von einem künftigen Ministerpräsidenten Herrmann, von Schmid, noch von Goppel, und am wenigsten von Seehofer behauptet werden, dessen Amt in Berlin liegt und gerade dies als eines der Argumente herhalten musste, ihn für den  CSU-Vorsitz zu benennen. Aus seiner Position in Berlin heraus, hieß es, sei er der geborene Vorsitzende, um die Belange der CSU an entscheidender Stelle in die Regierungsarbeit und Koalition einzubringen. Folgt man diesem Argument, kann Seehofer also nicht für das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung stehen, es sei denn, er gibt das ihm nun zugedachte, aber noch nicht übertragene Amt des Parteivorsitzenden gleich wieder ab. Wie glaubwürdig wäre dies alles vor den Augen des Bürgers und Wählers? Der Wähler, obwohl gerade erst zur Urne gebeten, ist bei dieser politischen Willensbildung am wenigsten beteiligt. Ob er es hinnehmen wird, dass ihm unmittelbar nach der Wahl ohne sein Mittun ein neuer Spitzenkandidat präsentiert wird, muss sich erst noch zeigen und mag schon bei der Europawahl sichtbar werden. Selbst wenn das Kandidatenkarussell in Bayern am Ende eine größere Zustimmung beim Wähler finden sollte, dürfte es auf die Union als Ganzes beim Wähler keinen Vertrauenszuwachs bringen.

Das zweite "tabula rasa" in einem Jahreszeitram an der Spitze einer Partei lässt nicht auf geordnete innere Verhältnisse schließen. Zweifel sind offenbar mehr als angebracht. Franz Josef Strauß würde sich vielleicht an sein berüchtigtes Wort vom "Saustall" erinnert fühlen. Er gebrauchte es seinerzeit allerdings nicht für die Führungsriege seiner CSU, die ihre Geschlossenheit nun schon lange vermissen lässt und womöglich so schnell noch nicht wieder finden wird. Sie hält für die staunende Öffentlichkeit schon seit einiger Zeit stets Überraschungen bereit, und dies nicht nur am Aschermittwoch. Asche über ihre Häupter, möchte da wohl mancher sagen.