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Freiheitlicher Protest oder rechtswidrige Behinderung einer Vorlesung?


15.12.09

Freiheitlicher Protest oder rechtswidrige Behinderung einer Vorlesung?

Lehrveranstaltung an der Uni Köln "umfunktioniert", um Edith Düsing "auszuknutschen"

(MEDRUM) Das "Autonome Lesben- und Schwulenreferat an der Uni Köln (LUSK)" stellt in einem Statement vom Montag fest, die Einstellung der Protestierenden bei der Schillervorlesung von Edith Düsing am 7. Dezember sei "diskussionsfreudig" und "freiheitlich" gewesen. Dies konterkariert das weniger freiheitliche Geschehen, denn Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden.

Ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit der Protestler hatte bereits Dirk Ludigs in seinem Artikel "Queere Jakobiner" in "Queer.de" (10.12.09) moniert. Aus der Berichterstattung des Kölner Stadtanzeigers zum Geschehen:

"Der Hörsaal ist brechend voll, Studenten sitzen auf Fensterbänken und dem Fußboden. Auf den ersten Blick also eine ganz normale Vorlesung an der Kölner Uni. Lediglich einige männliche Studenten mit schrillen Frauenperücken, Stöckelschuhen und Glitzerkleidern fallen aus dem Rahmen. Unbeirrt beginnt Prof. Edith Düsing ihren Schiller-Vortrag. Plötzlich stehen zwei junge Männer auf und fangen an, heftig zu knutschen. Die Studierenden applaudieren, erheben sich, Regenbogenfahnen werden geschwenkt. Immer mehr schwule und lesbische Paare küssen mit."

Edith Düsing hatte im Frühjahr nichts anderes getan, als von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Sie wollte sich für Grundfreiheiten einsetzen, die sie durch massiv vertretene Forderungen nach Rede- und Auftrittsverboten für einige Referenten - an der politischen Parteienspitze vertreten durch den Grünenpolitiker Volker Beck - bedroht sah. Das LUSK verlangte danach wiederholt von der Professorin, sie solle sich von der Erklärung "Für Freiheit und Selbstbestimmung" distanzieren und bezeichnete sie als "untragbar". Das Autonome Referat bezichtigte die Marburger Erklärung als "homophob", weil darin angeblich homosexuellenfeindliche Positionen vertreten werden würden.

Nachdem Düsing, die diese Auffassung wie viele andere Zeitgenossen nicht teilt, nicht bereit war, die Kapitulationsforderung des LUSK zu erfüllen, wurde zum Protest bei ihrer Vorlesung über Schiller aufgerufen. Warum die Veranstaltung zeitweise lahmgelegt wurde, offenbart auch das Statement des LUSK vom Montag mit der herabsetzenden Bemerkung, es sei um ein Zeichen für die Öffentlichkeit gegangen, dass eine Professorin mit einer derartigen Einstellung nicht selbstverständlich als öffentliche Person hingenommen werden könne. Da die Zuständigen in der Universität dennoch nichts gegen die Vorlesung von Edith Düsing unternommen hatten, wurde die Veranstaltung nach der Spielart des LUSK mit "Kiss-in" und begleitendem Getöse torpediert. Es wird klar: Das LUSK will das Sagen haben, wer als Person hingenommen werden darf und wer seine Rechte verwirkt hat. Die Stellungnahme von Edith Düsing, abgedruckt in der "Tagespost" vom 10.12.09,  gibt eine vielsagende Antwort darauf.

In dem auf eine solche Weise ausgeübten Zwang liegt ein bedenkliches Verständnis von Freiheit und Rechtsstaat. Mit der Protestaktion wurden Grenzen überschritten. Denn niemand muß es hinnehmen, an der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit gehindert zu werden, wenn er rechtmäßig von einem selbstverständlichen demokratischen Recht auf freie Meinungsäußerung und seinem Recht auf Berufsausübung Gebrauch macht. Auch diejenigen, die sich zu dieser Veranstaltung eingefunden hatten, um die Vorlesung zu hören, müssen nicht akzeptieren, dass ihnen dies durch Dritte verwehrt wird, nur weil sie aufgrund ihrer Unduldsamkeit die Person Edith Düsing öffentlichkeitswirksam an den Pranger stellen und sanktionieren wollen. Die Störer haben auch die Rechte dieses Personenkreises verletzt.

Selbstverständlich ist es dem LUSK und anderen unbenommen, ihre konträre Auffassung zu bekunden, auch zu protestieren, nicht aber anderen ihren Willen aufzuzwingen. Die Lesben- und Schwulenvertretung hatte von ihrem Recht bereits zuvor ausgiebig Gebrauch gemacht und viele Möglichkeiten genutzt, ihren Protest öffentlich und auf andere Weise unter die Leute zu bringen. Die Opponenten im LUSK müssen es allerdings ertragen können, wenn sich eine Person wie Edith Düsing - und Tausende andere - dennoch ihrem Druck nicht beugen und sich ihrer Auffassung eben nicht anschließen wollen, wie es gleichermaßen andere aushalten müssen, dass das LUSK in seiner Affrontstellung verharrt. Dies gebieten Toleranz und gegenseitiger Respekt. Anderenfalls hätte das LUSK längst die Möglichkeit gehabt, gegen die angeblich "homophoben" Äußerungen juristisch vorzugehen. Unannehmbar ist es jedenfalls, für sich das Recht abzuleiten, einen Andersdenkenden abzuurteilen und ihn an der rechtmäßigen Wahrnehmung seiner Aufgabe zu hindern. Dahinter verbirgt sich ein inakzeptables Maß an Intoleranz und Bereitschaft zur Unterdrückung.

Edith Düsing erfährt jetzt am eigenen Leibe jene Art von totalitären Bestrebungen, gegen die sie sich mit der Unterstützung der Marburger Erklärung ausgesprochen hat. Die Freiheit endet dort, wo sie die Freiheit des anderen beschneidet. Auch das LUSK muß sich an eine freiheitliche Rechtsordnung und ihre "Spielregeln" gewöhnen und daran halten. Deshalb ist dem Philosophen Robert Spaemann nachdrücklich zuzustimmen, der diesen Vorgang an der Universität Köln in seinem Interview mit der "Welt" nicht nur als absurd, sondern als "gefährlich" bezeichnet hat. Dies sollte keine Schule machen.


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