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Wieviele Wahlsieger gibt es in Bayern?


29.09.08

Wieviele Wahlsieger gibt es in Bayern?

Noch ein Kommentar

(MEDRUM) Wie bei nahezu jeder Wahl ist es für die führenden Köpfe der Parteien ein wohlvertrautes Ritual, Wahlergebnisse in bester Verfassung zu tragen und die Bühnen der medialen Öffentlichkeit in bestmöglicher Manier zu betreten. Betretenes Schweigen ist da nicht erlaubt. Journalisten, Parteifreunde, Bürger und Konkurrenten aus den eigenen und fremden Reihen warten geradezu gierig auf Botschaften. Und schließlich gilt schon am Wahlabend: Nach der Wahl ist vor der Wahl.

Der gestrige Wahlabend hat durch eigenwillige Deutungen dem erstaunten
Bürger auch manche Pervertierung eines Wahlergebnisses präsentiert. Wer den Erklärungen des Landesvorsitzenden der SPD in Bayern lauschte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als habe seine Partei einen überwältigenden Sieg erzielt. Das erste und das zweite Wahlziel habe die SPD erreicht, erklärte er gestern Abend in den Wahlsendungen und präsentierte dem Zuschauer mit freudigem Gesicht die Verluste der CSU. Gekonnt vermied er es, über das eigene Desaster zu sprechen. Ist nicht eine tragikomische Figur, wer sich, statt tiefste eigene Wunden zu lecken, wenigstens noch daran ergötzen kann, dass der Gegner gewaltig an Stimmen verloren hat? Obgleich er für sich selbst und die eigene Partei das schlechteste Ergebnis aller Zeiten eingefahren hat, vermittelte Franz Maget den Eindruck, er sei rundherum glücklich. Schließlich sei es gelungen, sich auf dem (historischen) Tiefpunkt zu stabilisieren, auch wenn er gerne einige Stimmen mehr gehabt hätte. Genau diesen Widersinn verband der Vorsitzende einer bayerischen Landespartei gestern Abend mit dem Wahlergebnis seiner SPD, als er vor die Öffentlichkeit trat. Trotz des mehr als bescheidenen Ergebnisses zierte er sich auch nicht, aus dem Rekordtief, in das die von ihm geführte Partei hineingeraten ist, auch noch einen Regierungsanspruch ableiten zu wollen. War dies Galgenhumor oder nur verlegene Dreistigkeit, mit der Enttäuschung und Ratlosigkeit überspielt wurde oder überspielt werden sollte? Jedenfalls scheint eine solche Reaktion selbst die Kühnheit eines Gerhard Schröder um ein Vielfaches zu übersteigen, der sich am letzten Wahlabend der Bundestagswahlen in 2005 zum Wahlsieger erklären wollte.

Zu denken gibt auch, dass der frisch gekürte Kanzlerkandidat dieser Partei, Frank-Walter Steinmeier, eine ähnliche Festtagsstimmung zelebrierte, als er in seiner Reaktion den Blick auf die Stimmenverluste der Konkurrenzpartei fokussierte.  Nur nicht auf die eigene Schmach blicken, die ihm und seiner Partei in Bayern widerfahren ist, die aus dem erdrutschartigen Stimmenverlust des politischen Gegners nicht einmal wenigstens ein Zehntel Prozent Stimmenzuwachs für sich verbuchen konnte, sondern im Gegenteil sogar ein sattes Prozent weiteren Verlust hinnehmen musste. Ein solcher Stimmenverlust dürfte angesichts des äußerst niedrigen Niveaus, auf das diese Partei bereits bei der letzten Wahl vom Wähler in Bayern verwiesen wurde, bei näherem Besehen ernüchternd und schmerzlich sein. Die SPD liegt mit den gestrigen 18,6 Prozent stattliche 11,9 Prozent unterhalb des langjährigen Durchschnitts ihrer Ergebnisse bei bayerischen Landtagswahlen, der immerhin bei 30,5 Prozent lag. Da gibt es nichts zu beschönigen. Sollte das nicht dieser Partei zu denken geben? Oder wollte die SPD-Führung in Berlin - um wenigstens irgendeinen Erfolg vorweisen zu können - allen Ernstes vielleicht die These vertreten, das
Ergebnis in Bayern wäre mit Beck an der Spitze noch schlechter
ausgefallen, vielleicht nur 16 oder 17 Prozent? Wohl kaum. Vielleicht hätte man mit Beck ja 20 oder mehr Prozent erreichen können, könnte man gegenfragen. Wer will das schon wissen?

Festgehalten werden kann so oder so: Mit dem gestrigen Ergebnis in Bayern sind die Sorgen der SPD-Führung keineswegs geringer geworden. Wirkliche Erfolge sind Verluste der anderen stets erst dann, wenn sie auf dem eigenen Wahlkonto zu Buche schlagen. Dies war nicht der Fall. Kein Rückenwind aus Bayern, trotz der Doppelspitze Beckstein und Huber, die aus der Palastrevolte in Bayern gegen Stoiber hervorgegangen ist, trotz der eigenen Doppelspitze Müntefering und Steinmeier, die der SPD doch eine gute Zukunft verheißen soll. Die Ernüchterung wird vermutlich schnell auf dem Fuße folgen, auch wenn sie öffentlich verdrängt werden wird. Auch ein Resümee aus der gestrigen Wahl für die SPD auf Bundesebene ist: Es reicht nur für Rot-Rot-Grün. Das jedoch wäre genau das Bündnis, dem sich die SPD bisher auf Bundesebene erklärtermaßen verweigern will.

Bei der CSU ist die Ernüchterung bereits gestern Abend unverkennbar und unmittelbar eingetreten. Ein Stimmenverlust von 17 Prozent lässt sich nur ernüchtert betrachten, da gab es nichts zu verdrängen. Das war auch den Verantwortlichen klar und darum versuchten sie auch nicht, dieses Ergebnis schön zu reden. Die komfortablen Zeiten einer absoluten Mehrheit, mit der diese Partei über Jahrzehnte stets rechnen konnte, gehören (zumindest vorerst) der Vergangenheit an. Bescheidenheit und Mäßigung, vielleicht auch ein Stück Reue und Demut, sind nun angesagt, im Land und im Bund. Auch bei denjenigen, die nun Konsequenzen fordern, wäre Mäßigung in der parteiinternen Auseinandersetzung vermutlich ein guter Ratgeber. Der Austausch eines Vorsitzenden macht noch keinen Frühling, wie das Beispiel der Bundes-SPD zeigt (Königsmord zahlt sich weder hier noch dort aus). Wenn schon personelle Konsequenzen, kämen sie ohnehin nur für die Führung der CSU, nicht aber für die Kür eines neuen Ministerpräsidenten in Frage und könnten der Partei wohl nur nützen, wenn sie in Einmütigkeit und Gemeinsamkeit gezogen werden würden. Selbstzerfleischung würde der CSU erneut eher Schaden zufügen. Auch einem Parteichef Huber, der erst seit einem Jahr im Amt ist, muß man bei allen Enttäuschungen eine gewisse Zeitspanne zubilligen, in der Parteiführung und Konsolidierung Erfolge vorweisen zu können. Erneute Ambitionen eines Horst Seehofer, der sich bei seiner Kandidatur im letzten Jahr nicht gegen Erwin Huber durchsetzen konnte, könnten deshalb verfrüht und riskant sein.

Für Angela Merkel ist das bayerische Ergebnis aller Unkenrufe zum Trotz so schlecht nicht. Es ist ein Ergebnis, das kaum Berlin zugeschrieben werden kann, sondern ein bayerisches Ergebnis, für das die Parteifreunde in Bayern mit ihrem Umsturz im vergangenen Jahr und ihrer Landespolitik selbst die Verantwortung übernehmen müssen. Es wird die CSU zu einer Bescheidenheit mäßigen, die Angela Merkel das Regieren in Berlin nicht schwerer macht, ohne mit Blick auf die Bundestagswahlen wirklich empfindlich weh tun zu müssen. Denn Steinmeier und Müntefering haben in Bayern ihre erste Schlappe eingefahren. Aus Stimmenverlusten der CSU konnten sie keinerlei Kapital für die SPD schlagen. Merkels Mitbewerber Steinmeier hat also in Bayern keinen Aufwind für die eigene Partei entfachen können. Ferner kann Angela Merkel bei der Bundestagswahl auf einen Stimmenzuwachs für die Union von 43,4 + X hoffen, wenn die Freien Wähler nicht antreten und es der bayerischen Schwesterpartei nun gelingen sollte, aus der Niederlage neue Kraft zu schöpfen und gestärkt aus dem Rückschlag hervorzugehen. Bei allem könnte auch die vermutliche Koalition der CSU mit der FDP in Bayern einer möglichen Zusammenarbeit auf Bundesebene schon im Vorfeld der kommenden Bundestagswahl beim Wahlkampf förderlich sein. Eine Zusammenarbeit mit der FDP in Bayern trägt frühzeitig zur weiteren Klärung der Fronten bei und wird die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, bei Union und FDP weiter stärken. Das Schlagwort vom bürgerlichen Lager kennzeichnet bereits jetzt in Bayern eine solche Entwicklungsrichtung.

Für die FDP bedeutet das gestrige Wahlergebnis Aufwind für eine angestrebte Regierungsbeteiligung im Bund. Sie zieht nicht nur in Bayern in den Landtag ein, sondern hat als möglicher Koalitionspartner für die kommende Bundestagswahl nicht für die Union an Stellenwert gewonnen.

Für DIE LINKE wurden die Erwartungen zwar leicht gedämpft, mit einem Stimmenanteil von mehr als 4 Prozent wird man aber bei der Bundestagswahl von einem ansehnlichen Zweitstimmenanteil ausgehen können, der ihr auf Bundesebene helfen wird, ihr Wahlziel zu erreichen und sich der SPD als Koalitionspartner für eine Regierungsbildung anzubieten.

Auch bei dieser Wahl kann das erfreuliche Fazit gezogen werden: Extreme Rechte standen auch in Bayern erneut nicht in der Gunst des Wählers.

Weniger erfreulich ist, dass bei einer Wahlbeteiligung von 58,1 Prozent die Gruppe der Nichtwähler die 40-Prozent-Marke erneut deutlich überschritten hat. Sie verharrte nur leicht oberhalb ihres historischen Tiefs bei bayerischen Landtagswahlen und wurde mit 41,9 Prozent fast zur stärksten "Fraktion".


MEDRUM-Bericht: -> Bayern hat gewählt