Sie sind hier

Wer hat sich verzockt?


01.07.10

Wer hat sich verzockt?

Gaucks Dankesworte an die "Netzgemeinde" und die Ablehnung seiner Kandidatur durch die Linke

(MEDRUM) Am Tag nach der Bundestagswahl richtete Joachim Gauck Worte des Dankes und der Ermutigung an alle, die sich für die Wahl des Bundespräsidenten engagierten. Er bezeichnete es als großartig, das sich viele für Deutschland und die Demokratie eingesetzt haben. Seine Kandidatur fand ausnahmslos Respekt und hohe Wertschätzung - ausgenommen bei der Partei DIE LINKE. Für die Linkspartei bleibt Gauck auch nach der Wahl unwählbar.

Der Vorsitzende der SPD, Sigmar Gabriel, hatte vor der Wahl zur Verweigerung einer Unterstützung von Joachim Gauck durch die Linke geäußert, die Partei habe nun "die gigantische Chance, ein für alle Mal Schluss zu machen mit ihrer SED-Vergangenheit".

Die Linke blieb trotz enormer Wertschätzung und des Zuspruchs, den Gauck allseitig erfuhr, bei ihrer Ablehnung des ehemaligen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Die Vorsitzende der Linken, Gesine Lötsch, betonte nach der gestrigen Wahl erneut, Gauck sei für die Linke nicht wählbar gewesen. Er sei deutlich geworden, daß die Linke und Joachim Gauck vor allem in der Frage, was den Afghanistaneinsatz betreffe, und in der Frage der sozialen Freiheit und der sozialen Gerechtigkeit ganz unterschiedliche Positionen vertreten, begründete sie die Ablehnung. Lötsch und ihre Partei blieben damit bei der ablehnenden Haltung zu Gaucks Kandidatur, die sie bereits am 4. Juni 2010 vertreten hatten. Vertreter der Linken hielten Sigmar Gabriel nach der Wahl vor, er habe sich mit der Kandidatur von Joachim Gauck "verzockt".

Andere Töne schlug Christian Wulff an. Der gestern neu gewählte Bundespräsident Wulff hatte in der Bundesversammlung nach seiner Wahl Joachim Gauck mit den Worten gedankt: "Danken möchte ich vor allem dafür, dass wir einen in jeder Hinsicht, in jeder Phase sehr fairen Wettbewerb um das Amt des Bundespräsidenten erlebt haben. Und deshalb danke ich vor allem Joachim Gauck, der diesen fairen Wettstreit, wie wir ihn erlebt haben - und ich habe Sie noch mehr schätzen gelernt - und freue mich darüber, dass Ihr Wort weit über Deutschland hinaus auch weiterhin großes Gewicht haben wird. Herzlichen Dank dafür, Herr Gauck."

Die SPD hat mit einem heutigen Newsletter Dankesworte von Joachim Gauck als YouTube-Video veröffentlicht. Seine Rede im Wortlaut:

Image

 

Der Berliner Kurier schreibt heute zur Ablehnung von Gauck durch die Linke: "Die Linke im Abseits. Der 30. Juni war ein schwarzer Tag für die Partei. Eine von Gysi verordnete Enthaltung, Gejammer über ein angeblich 'überhebliches' Verhalten anderer Parteien und ein unfassbarer Vergleich der Kandidaten Wulff und Gauck mit Hitler und Stalin.  Der Chef der Linken in Niedersachsen, Diether Dehm, hatte auf die Frage, ob die Linke Gauck wählen könnte, geantwortet: 'Was würden Sie tun, wenn Sie die Wahl hätten zwischen Hitler und Stalin?' Er sprach später von einem 'Missverständnis', für das er sich entschuldige."

Zur Kandidatur von Joachim Gauck und der Ablehnung durch die Linke schrieb die Rheinische Post bereits am 4. Juni 2010: "Sein Kampf gegen die Diktatur und gegen das Vergessen hätte sich die Linke zunutze machen können. Denn Gauck wird immer der Bürgerrechtler und Aufklärer bleiben, auch als Präsidentschaftskandidat. Wenn die Linke ihn als Kandidaten akzeptiert hätte, dann hätte sie indirekt auch seine Arbeit, sein Lebenswerk akzeptiert und sich einen gewissen Respekt bei der politischen Konkurrenz verschaffen können. Aufarbeitung und Klarstellung hinsichtlich ihrer Vergangenheit - das wird von der Partei gefordert. Gauck mitzutragen als Kandidaten wäre ein Schritt in diese Richtung, ein Schritt in Richtung politische Zukunft gewesen. Doch diese Chance hat die Partei vertan."


MEDRUM -> Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt


Leserbriefe

Also ich finde die klare, konsequente und kompromisslose Haltung der LINKEN anerkennenswert und voll in Ordnung! Achtet doch die Entscheidungen Anderer - ohne auf ihnen herumzuhacken! Ich würde das "Meinungsdiktatur" nennen. Den Dank von Herrn Gauck, und es ist noch viel mehr(!), finde ich sehr schön - danke für die Veröffentlichung! Ich habe mit Wulff große Schwierigkeiten, da er zur Diätenerhöhung der Landtagsabgeordneten in Hannover am Tag nach der Veröffentlichung des Sparpakets (monatlich 405 Euro mehr, ab Jan. 2011) gesagt hat, das sei in Ordnung, die Abgeordneten bräuchten das für ihr Selbstbewusstsein! Einem Hartz 4-Empfänger gesteht man gerade 351 Euro monatlich zum Leben zu. Armen Eltern sollen die 300 Euro Elterngeld für ein Jahr vorenthalten werden, Arbeitslosen die - sowieso geringen - Einzahlungen für die Rente. Wie steht es da mit der Selbstachtung? Aber er wolle ja vermitteln. Ich nehme ihm die "wohlklingenden Aussagen" seiner Reden vor diesem Hintergrund leider nicht ab! A. Rosebrock

Aha! Alles was mir dazu einfällt ist, dass man diesen Kommentar nun wirklich nicht ernst nehmen kann. Warum?: Die Linken haben bereits im ehemaligen SED-Staat durch eine konsequente und kompromisslose Haltung geglänzt. In Hohenschönhausen und an der innerdeutschen Grenze hatte sich die diese Kompromißlosigkeit in bestialischer Weise manifestiert. Was ist an Linker Kompromißlosigkeit anerkennenswert?  Damals durfte niemand Kritik üben. Das nannte man dann staatsfeindliche Hetze gegen die sozialistische Demokratie. Der Leserbriefverfasser setzt Kritik an Zeitgenossen der Linken, die mit Teilen immer noch ihrer SED nachtrauern auch noch der Meinungsdiktatur gleich. Unglaublich. Die Hirnströme müssen bei der Verfassung solcher geistigen Tiefflüge wohl von einem Stromausfall befallen gewesen sein. Der Vergleich zwischen dem Einkommen eines Abgeordneten und einem Hartz IV Empfänger ist nicht viel besser. Was sind das für Leser, die sich bei MEDRUM herumtummeln? Übel, kann ich da nur sagen. Gustav Falke