Volker Kauder zum "C" im Programm der CDU
Nachbetrachtung zum Artikel von Volker Kauder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ)
von Kurt J. Heinz
(MEDRUM) Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, befasst sich in einem Artikel in der FAZ vom 8. Juli mit der Bedeutung, die das "C" für die CDU hat.
Volker Kauder setzt sich
mit dem Verhältnis der Union zu Kirchen, Christentum und praktischer Politik
auseinander. Er stellt heraus, dass die Union weder eine Partei der Kirchen
noch der Christen sei. Sie sei auch für Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften
und Atheisten offen. Entscheidend für das "C" sei, dass das
Christentum der Union das "christliche Menschenbild als Fundament
christlich-demokratischer Politik" schenke.
Kauder betont, dass
politische Strömungen - auch wenn sie das C im Namen führten - ohne die
Orientierung am Machbaren im besten Fall gar nichts, im schlimmsten Fall nur
das Gegenteil des Erwünschten erreichten. Gerade in Zeiten der Großen Koalition
seien dem Machbaren häufig enge Grenzen gesetzt. So wenig sich aus der Bibel
ein Parteiprogramm ableiten lasse, so wenig könne aus dem Christentum eine
konkrete parteipolitische Handlungsanweisung entwickelt werden, fügte Kauder
hinzu. "Dennoch werden wir dabei das aus unserer Sicht Richtige nie aus
dem Auge verlieren", versicherte der Fraktionschef. Beides sei
"Ausdruck des christlichen Menschenbildes, das uns trägt und leitet - in
der Vergangenheit, heute und in Zukunft".
Jedem dürfte klar sein,
dass christliche Politik stets ihre Grenzen am Machbaren findet, an dem, was
die politischen Kräfteverhältnisse zulassen und durchsetzbar machen, wie es in der Frage der Spätabtreibungen erkennbar ist, in der ohne die Zustimmung der SPD keine Fortschritte für einen besseren Lebensschutz erreichbar sind. Dies liegt
ebenso auf der Hand wie das Bekenntnis zum christlichen Menschenbild als
Fundament der Unionspartei, das für Christen sicher eine ganz wesentliche und
notwendige, aber alleine noch keine hinreichende Voraussetzung sein dürfte, um
sich vorbehaltlos für die Union als christlicher Partei zu entscheiden. Es
kommt darüber hinaus vielmehr auch darauf an, welchen politischen Kurs diese
Partei fährt, und ob dieser Kurs noch fest mit dem christlichen Fundament verbunden
ist. In der generellen Position der Union in der Menschenrechts-, Außen- und
Sicherheitspolitik dürfte unstrittig sein, dass der Kurs der Union auf dem
Fundament eines christlichen Menschenbildes steht.
Zu anderen Wertungen kann
allerdings die Feststellung des Fraktionschefs der Unionsparteien führen, die
CDU sei auch eine Partei für "Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften oder
Atheisten". Versteht sich die Union also eine Sammlungsbewegung für alle,
kann mit Recht gefragt werden. Volker Kauder klammert in der Generalität, mit
der er seine Feststellung trifft, bewusst oder unbewusst jene Unvereinbarkeiten
aus, die Christen von Angehörigen manch anderer Glaubensgemeinschaften und von
Atheisten trennen, die aber von essentieller Bedeutung für eine christliche
Partei und ihre Orientierung sein müssen. Anhängern nichtchristlicher
Glaubensgemeinschaften und Atheisten müsste unmissverständlich klar sein, dass
sie nur dann sinnvoller Weise in einer christlichen Partei beheimatet sein
können, wenn sie nicht nur das Fundament eines christlichen Menschenbildes
akzeptieren, sondern ebenso die christlichen Werte und zentralen Normen des
christlichen Glaubens bejahen und vorbehaltlos unterstützen. Dies hätte
Volker Kauder herausstellen müssen. Dass er dies nicht tut, birgt zumindest auf
längere Sicht die Gefahr der Verwässerung, im schlimmsten Fall auch Auflösung
der christlichen Substanz einer Partei, die sich das "C" auf die
Fahnen schreibt. Dem "C" käme dann lediglich noch eine rein traditionelle
Bedeutung zu. Das Fehlen einer konsequenten Haltung zu einem verbindlichen
christlichen Wertekanon kann als mangelnder Mut zum christlichen Bekenntnis,
vielleicht auch als Opportunismus verstanden werden, mit dem man glaubt, der
Union auch künftig den Charakter einer Volkspartei erhalten zu müssen, in der
viele, und damit auch nichtchristliche Strömungen Platz haben sollen.
Dieses Selbstverständnis
zeigt etliche Auswirkungen in der Unionspolitik, die für Christen von zentraler
Bedeutung sind. So präsentiert das CDU-geführte Familienministerium die
Ideologie des Gender Mainstreaming als Dachkonzept und querschnittliche,
konzeptionelle Leitlinie für das Regierungshandeln. Sie verstößt damit nicht
nur gegen christliche Werte und Normen, sondern auch gegen zentrale Elemente
eines christlich fundierten Menschenbildes. Hier geht es nicht um die Ableitung
eines Parteiprogramms aus der Bibel, sondern um ein grundlegendes, christlich
fundiertes gemeinsames Verständnis und Bild des Menschen als einer
übergeordneten Leitlinie für die Politik der Union. Es geht darum, das
einzufordern, was Kauder selbst vorgibt: Das Fundament des christlichen
Menschenbildes.
Das christliche
Menschenbild sieht Mann und Frau in der ihnen durch die Schöpfung verliehenen
Geschlechtlichkeit, nicht aber in der durch das Gender Mainstreaming
verordneten und politisch erzwungenen, künstlichen Geschlechtergleichheit. Dies
spiegelt sich letztlich auch in dem unzutreffenden Argument wider, die Union
wolle in der Frage der Krippenbetreuung echte Wahlfreiheit schaffen. Dieses
Verkaufsargument wird auch durch seine unentwegte Wiederholung nicht richtiger.
Das Krippenausbauprogramm fördert einseitig die Fremdbetreuung von
Kleinkindern, um die Erwerbstätigkeit der Frau zu ermöglichen. Ihr wird eine
soziale Rolle aufgedrängt, die an dem Dogma der
sozialen Rollen- und Geschlechtergleichheit aus dem Gender Mainstreaming abgeleitet ist. Die
Wahrnehmung der Mutterrolle und Obhut über Kinder in der Familie tritt in den
Hintergrund. Die tatsächliche Familienpolitik der CDU folgt dem feministisch,
ökonomistisch und emanzipatorisch ausgerichteten Mainstream. Diese Politik
lässt kaum noch Raum für den Lebensentwurf von christlichen Familien, der durch
eine geschlechterspezifische Individualität von Mann und Frau geprägt ist. Sie
schafft in der Wirklichkeit Diskriminierung dort, wo besondere Förderung,
mindestens aber Gleichbehandlung von Familien angezeigt wäre, deren
Rollenverständnis christlich geprägt ist.
Dieser letztlich
weltanschaulich begründete Gegensatz schlägt sich auch in anderen
Politikbereichen nieder, so zum Beispiel in der Bildungspolitik, in der das
Gender Mainstreaming zum ideologischen Dachkonzept der kindlichen Erziehung und
Bildung geworden ist, wie es in den jüngsten Vorstellungen des Schweriner
Landtages deutlich geworden ist. Gender Mainstreaming ist dort als Doktrin in
das politische Handeln für die Erziehung und Bildung des Kindes zur Maßgabe geworden.
Mit einem christlichen Menschenbild hat dies nichts mehr zu tun. Die praktische
Politik der Union tut auch hier das Gegenteil dessen, was aus Sicht des
christlichen Menschenbildes notwendig wäre.
Dies gilt gleichermaßen
in der Frage gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften und ihrer
Gleichbehandlung mit der Ehe. Die laufenden Bestrebungen im Bundestag zielen
darauf ab, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften der Ehe völlig
gleichzustellen. Ungeachtet der Feststellung von Kauder, die Union würde eine
Gleichstellung der Ehe nicht mittragen, wurden unter der verantwortlichen
Mitwirkung von Andreas Schmidt (CDU) als dem Vorsitzenden des
Rechtsausschusses sogenannte Experten und Sachverständige zur Anhörung geladen,
die sich mehrheitlich weder einem christlichen Menschenbild noch christlichen
Werten und Normen verpflichtet fühlen, noch sich als solche Personen durch ihr
bisheriges Wirken ausweisen könnten. Niemand sollte sich also wundern, wenn
sich die Mehrheit dieser sogenannten Experten und Sachverständigen für die
völlige Gleichstellung mit der Ehe ausgesprochen hat und damit schon erste
Weichenstellungen in Richtung einer völligen Gleichstellung mit der Ehe
geschehen sind. Diese Fehlentwicklung, die zwar nicht von der Union initiiert,
von ihr aber zugelassen wurde, könnten Volker Kauder entgangen oder aus
Verlegenheit von ihm verschwiegen worden sein.
Volker Kauder wird
zumindest auf den Politikfeldern der Familien-, Bildungs-, und
Gesellschaftspolitik dem eigenen Anspruch nicht gerecht, die Politik der Union
stünde auf dem Fundament des christlichen Menschenbildes. Das ist nur noch mit
Einschränkungen der Fall. Kauder vertritt deshalb in seinem Artikel in der FAZ
in Teilen eine unglaubwürdige Position. Die genannten Entwicklungen sind
jedenfalls für eine Partei, die sich auf das "C" beruft, nicht
akzeptabel. Sie sind ein Zeugnis für Defizite, die den Mut zum christlichen
Bekenntnis, die nötige Standhaftigkeit und die nötige Konsequenz im politischen
Handeln vermissen lassen. Darüber kann auch die plakative Verkündung von Volker
Kauder nicht hinwegtäuschen, das "C" sei für die Union Programm. Hier
gilt vielmehr das, was die Bibel sagt: Nicht an ihren Worten, sondern ihren
Taten (Früchten) sollt ihr sie messen. Gemessen an den Taten, ist das
"C" nur in Teilen für den politischen Kurs der Union gültig.
Kardinal Meisner hat
daher mit Recht darauf hingewiesen, dass sich Christen zunehmend in der Union
entwurzelt sehen. Recht hat er mit seinen kritischen Gedanken, der Kardinal, auch wenn der CDU-Landespolitiker
Thomas Sternberg aus Nordrhein-Westfalen gemeint hat, Meisner sei 20 Jahre nach dem Mauerfall
immer noch nicht im Westen angekommen und fremdele mit der Demokratie. Im Gegensatz zu Meisner, der sicher keinen Lotsen
zur Orientierung in unserer Demokratie braucht, sollte sich Sternberg aber wenigstens auf die Suche nach einem Kompass begeben, der ihm den
Weg zu christlicher Politik in seiner Partei weist. Er scheint die Orientierung
offenbar ebenso verloren zu haben wie ihm das Augenmaß für eine realitätsbezogene Einschätzung einer Persönlichkeit wie der des Kardinal Meisner zu fehlen scheint. Im Gegensatz zu Kardinal Meisner scheint ihm insbesondere nicht klar zu
sein, welche Bedeutung christlichen Werten in den Unionsparteien und unserer
christlich verankerten Demokratie beigemessen werden muss. Nicht Meisner fremdelt mit der Demokratie, sondern Sternberg fremdelt mit dem Christentum, könnte man behaupten.
Aber dies dürfte ihm nach der Kauder'schen Relativitätstheorie, nach der in der Union für alle Platz sein muss, keine Probleme bereiten.
Doch auch Volker Kauder sollte die unbestechliche
Kompassnadel für das "C" selbstkritischer zu Rate ziehen und gegen
eben jenen Relativismus in der eigenen Partei deutlicher Position beziehen.
Schlagworte ersetzen noch keine konsequente Politik, auch nicht in einer großen
Koalition. Die beste PR-Arbeit der Union bestünde wohl darin, Mut zum
konsequenten christlichen Bekenntnis aufzubringen und den Kurs zu halten, der
von einer christlichen Partei eingeschlagen werden muss. Durch geistige Führung
zu überzeugen statt im Opportunismus auf- und später unterzugehen. Dann kann
man auch getrost auf das Mittel politischer Schleichwerbung in den
Rundfunkanstalten durch den Kauf von steuergeldfinanzierten Hörfunksendungen
verzichten. Das können Christen von einer christlichen Partei erwarten und das
würde auch allen Nichtchristen, die sich für und in der CDU engagieren wollen,
eine klare Orientierung geben. Es genügt nicht, auf das Geschenk des
christlichen Menschenbildes durch das Christentum hinzuweisen, das Geschenk
muss auch ohne Wenn und Aber angenommen und als Richtschnur für das
Selbstverständnis und den Kurs der Politik konsequent angelegt werden. Hier bleibt noch einiges zu tun, wenn das "C" für die Union wirklich Programm sein soll.
-> Gender Mainstreaming im Schweriner Landtag
-> Fundamentaler Sachverstand in Fragen zur Vario-Ehe mit Kind
-> Fremdelt Kardinal Meisner mit der Demokratie?
-> Frauen und Mütter zum Vollzeitjob an die Fließbänder, Supermarktkassen und in die Büros
-> Das neue Dogma der Familienpolitik: Betreuung und Förderung nur außerhalb der Familie
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