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Volker Beck, die Meinungsfreiheit und die Toleranz von Unterschieden


07.05.09

Volker Beck, die Meinungsfreiheit und die Toleranz von Unterschieden

Ein Leserkommentar von Christian Conrad

(MEDRUM) Ich verfolge die Diskussion um den Marburger Kongress seit kurzem mit Interesse, großem Erstaunen und wachsender Sorge. Der konstruktive Stil, mit dem die Verantwortlichen des Kongresses ihre Argumente ins Feld führen, kontrastiert in beunruhigender Weise mit der propagandistischen, verunglimpfenden und unsachlichen Kommunikation der Kritiker.

Die unreflektierte Art und Weise, wie selbst für seriös gehaltene Medien wie die Süddeutsche Zeitung auf diesen Zug aufspringen, empfinde ich als erschreckend, da Medien in besonderem Maße die Verantwortung haben, für das Grundrecht der Meinungs- und Redefreiheit einzustehen - nicht zuletzt aus Eigeninteresse, denn die Pressefreiheit ist wichtiges Geschwisterrecht der Meinungsfreiheit.

Bei der gestrigen Lektüre der "Welt" fiel mir ein Artikel zur Petition gegen die Anti-Kinderpornographie-Kampagne (Sperrung von IP Adressen, STOPP Kinderpornographie) auf, den ich sofort in Verbindung setzte mit der Kampagne gegen den Marburger Kongress. Einer der Sprecher der Petition, die sich gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Blockierung von kinderpornografischen Inhalten im Internet einsetzt, ist Volker Beck, Fraktionssprecher von Bündnis90/Die Grünen. Vielleicht geht es nur mir so, aber mir fällt es schwer, die Positionen, die Herrr Beck zu vertreten scheint, in Übereinstimmung miteinander zu bringen:

Einerseits vertritt er die Auffassung, dass es nicht erlaubt sein darf, über Identitätsbildung und Sexualität zu diskutieren, weil damit Schwule und Lesben diskriminiert würden. Und das, obgleich die Kongressvertreter betonen, dass es ihnen in keiner Weise darum geht, homosexuellen Menschen das Recht auf das Ausleben ihrer Sexualität abzusprechen. Sie vertreten lediglich die Auffassung, die auf Erfahrung gründet, dass es Menschen gibt, die sich ihrer sexuellen Identität nicht sicher sind, unter homosexuellen Neigungen leiden und Unterstützung dabei suchen, diesen Identitätsfindungsprozess ergebnisoffen therapeutisch begleiten zu lassen. Eine solche Auffassung zu vertreten, muss in einer Demokratie möglich sein, ohne mit Redeverbot belegt zu werden. Solange Positionen mit Respekt und Anstand gegenüber Andersdenkenden vertreten werden und keine Gesetze verletzen, müssen unterschiedliche Auffassungen ertragen werden. Wird dies verhindert, verletzt dies die Meinungsfreiheit, die die wichtigste Grundfeste unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung ist. Herr Beck und seine zahlreichen Mitstreiter tun genau das: ohne sich Mühe zu geben, die Positionen der anderen Seite zu verstehen und in einen konstruktiven, demokratischen Diskurs einzusteigen, polemisiert er gegen diese und andere Veranstaltungen christlicher Prägung (Christival) und spricht den Vertretern solcher Positionen das Recht darauf ab, ihre Meinung im öffentlichen Raum zu äußern. Er handelt damit demokratiefeindlich und ideologisch und richtet signifikanten gesellschaftlichen Flurschaden an.

Andererseits, und das verblüfft mich als Betrachter, bezeichnet er die Blockierung kinderpornographischer Inhalte als Einschränkung der Meinungsfreiheit. Nehme ich das wörtlich, dann stellt er und die an die - bis gestern über 20.000 (!) - Unterzeichner der Petition gegen die Initiative der Bundesfamilienministerin, die Rechte von Pädophilen, kriminelle Inhalte im Internet zu veröffentlichen, über die Rechte von Psychologen und Psychotherapeuten sowie christlichen Gruppierungen, über unterschiedliche Positionen im Bereich der sexuellen Entwicklung von Männern und Frauen im öffentlichen Raum zu diskutieren.

Wenn ich dies richtig interpretiert habe - und da bin ich aufgrund fehlender tiefer gehender Recherche vorsichtig -,  dann empfinde ich diese Priorisierung durch Herrn Beck und seine doch sehr zahlreichen Unterstützer als unerhört, ja unerträglich und nicht nur demokratiefeindlich, sondern auch als menschenverachtend. Ich würde mich freuen, wenn Herr Beck sich einer konstruktiven und öffentlichen Diskussion (z.B. im Fernsehen) mit Vertretern des Marburger Kongresses stellen und Position beziehen würde zum Thema Rede- und Meinungsfreiheit im Kontext dieser beiden Konfliktfelder.

Die Diskussion zeigt, dass wir in unserer Gesellschaft achtsam sein müssen, unsere Freiheit nicht aufs Spiel zu setzen und unter dem Deckmantel von "Political Correctness" die Meinungsvielfalt zu unterdrücken. Als gläubiger Christ bekommt man den Eindruck, dass es gesellschaftliche Gruppen gibt, die nicht nur anderer Meinung in Bezug auf den Glauben sind - was ja völlig in Ordnung ist -, sondern die noch nicht einmal ein Mindestmaß an Toleranz für Menschen christlicher Überzeugung aufzubringen bereit sind - und zwar mit dem Hinweis, christliche Positionen und das Bestreben, anderen Menschen diese Positionen nahezubringen, sei intolerant, weil "fundamentalistisch"! Dieses Höchstmaß an Intoleranz im Namen der Toleranz ist durch die Kommunikation der Kongress- und Christivalgegner belegt, allen voran Volker Beck, die bis hin zu aktiver Gewaltanwendung geht (Christival 2008, Bremen). Der Aufruf zu Toleranz und Respekt gilt natürlich zugleich auch für evangelikale Christen, unter denen es viele gibt, die Herrn Beck und Gleichgesinnten mit schöner Regemäßigkeit aufgrund ihrer Intoleranz gegenüber Andersdenkenden Munition liefern. Wir als Christen sollten hier bei aller Aufgebrachtheit über die uns entgegengebrachte Feindseligkeit den "Balken im eigenen Auge" nicht übersehen.

Ich will mir meine Meinungen und Überzeugungen nicht verbieten lassen und erwarte von Andersdenkenden den gleichen Respekt, den ich ihnen entgegenzubringen suche. Unterschiede sind etwas Positives, wir können voneinander lernen und sollten eher auf Gemeinsamkeiten fokussieren, als uns gegenseitig die Existenzberechtigung abzusprechen, im Namen von Political Correctness und Dogmatismus.

Christian Conrad, Bremen


Leserbriefe

"Andererseits, und das verblüfft mich als Betrachter, bezeichnet (Volker Beck) die Blockierung kinderpornographischer Inhalte als Einschränkung der Meinungsfreiheit."

Ich stimme Ihnen voll zu, dass der Versuch, den Kongress in Marburg zu stoppen, unappetitlich ist. Zudem kenne ich nicht die Meinung Becks zum Vorhaben der Bundesregierung, Kinderpornographie per DNS-Sperren zu stoppen. Die Argumente gegen dieses Vorhaben haben aber nach meiner bisherigen Kenntnis absolut NICHTS damit zu tun, dass "Meinungsfreiheit" von Kinderpornographie konsumierenden Personen eingeschränkt wird. Vielleicht argumentiert Beck so, aber das müssten Sie dann schon ganz genau zitieren, und vor allem mit Quellenangabe. Die Argumente gegen die Internet-Zensur, die Familienministerin Ursula von der Leyen angeregt hat, sind gänzlich anderer Natur. Das Vorhaben bedroht die Meinungsfreiheit als solche, da in Zukunft niemand eine Kontrolle darüber hätte, was dem Staat an Inhalten im Netz passt und was nicht. Kinderpornographie ist ein ganz eigenes Problem, dem besser anders begegnet werden müsste. Technisch gesehen nützt der Zensur-Plan der Ministerin nichts, richtet jedoch gleichzeitig Schaden an, was die Freiheit der Information im Netz allgemein angeht. Falls Sie sich in dieser Sache nicht ausreichend mit den Argumenten der Zensur-Gegner auseinander gesetzt haben sollten, machen Sie sich genau der selben Sache schuldig, die Sie den Gegnern des Marburger Kongresses vorwerfen: schlecht informiert zu sein.

Danke für Ihre Arbeit! Chris

http://ccc-chriscuschris.de/

Danke, Herr Conrad,

für ihre klaren Worte!

Almut Rosebrock, Wachtberg bei Bonn