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Umstrittene Demonstrationen zum 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens


22.01.10

Umstrittene Demonstrationen zum 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens

Staatsanwaltschaft geht gegen Blockade-Aktion vor und Sächsischer Landtag verschärft Versammlungsrecht in Sachsen

(MEDRUM) Die Dresdner Staatsanwaltschaft hat Plakate des Bündnisses "Dresden nazifrei" beschlagnahmen lassen. Mit diesen Plakaten wird zur Blockade einer Demonstrationsveranstaltung aufgerufen, die die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschlands" am 13. Februar 2010 in Dresden veranstalten will. Während DIE LINKE und das Bündnis "nazifrei" ihre Ablehnung des staatlichen Eingreifens und die Fortsetzung ihrer Aktivitäten für die Gegendemonstration erklärten, wurde das Versammlungsrecht in Sachsen mit den Stimmen der CDU und FDP verschärft, um extremistischen Bestrebungen künftig engere Grenzen setzen zu können.

Bündnis "Dresden nazifrei" für Massenblockaden

Anlässlich des 65. Jahrestages der Bombardierung Dresdens hat die "Junge Landsmannschaft Ostdeutschlands (JLO)" zu einer als "Trauermarsch" bezeichneten Demonstration am 13. Februar 2010 in Dresden aufgerufen. Die JLO wurde in Verfassungsschutzberichten mehrerer Landesämter in den vergangenen Jahren wiederholt als in Teilen "rechtsextremistisch" dargestellt (das Kriegsende des II. Weltkriegs am 8. Mai 1945,  den Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, bezeichnet die JLO als "Tag der Gefangenschaft"). Im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern für 2006 heißt es: "Ca. 250 Personen aus der rechtsextremistischen Szene in Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich am 11. Februar 2006 an einer Demonstration der „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" (JLO) in Dresden. Dieser Trauermarsch wird jährlich von der JLO anlässlich der Bombardierung Dresdens am 13. Februar 1945 durchgeführt. Er entwickelte sich für die rechtsextremistische Szene zu einer Großveranstaltung mit überregionaler Anziehungskraft."

Vor diesem Hintergrund sehen die Partei DIE LINKE und das Bündnis "Dresden nazifrei" in der Veranstaltung am 13. Februar einen Aufmarsch von Neonazis. Deswegen wollen sie die geplante Demonstration blockieren. Das Bündnis "nazifrei" erklärte zu dieser Aktion: "Wie in Jena, Köln und Berlin bereits erfolgreich durchgesetzt, werden wir uns auch in Dresden durch Aktionen des zivilen Ungehorsam mit Massenblockaden den Nazis entgegen stellen und sie blockieren."

Staatsanwaltschaft beschlagnahmt Blockade-Plakate als Straftat

Wegen des Blockadecharakters der Gegendemonstration hat die Polizei am Dienstag ein Büro der Linke-Landesgeschäftsstelle in Dresden und ein Geschäft in Berlin-Kreuzberg durchsucht, um "Blockade-Plakate" des Bündnisses "nazifrei" zu beschlagnahmen. Das Bündnis "Dresden nazifrei" erklärte zu dieser polizeilichen Durchsuchung: "Heute fand in Berlin und Sachsen eine Durchsuchungswelle gegen linke und antifaschistische Einrichtungen statt, die die Proteste gegen den Naziaufmarsch am 13.02.2010 in Dresden unterstützen. Unter anderem wurde der Antifa-Laden 'Red Stuff' in Berlin-Kreuzberg und das Infobüro in der Landesgeschäftsstelle der LINKEN in Dresden durchsucht. In Berlin wurden sämtliche Mobilisierungsmaterialien beschlagnahmt, die zu den Protesten gegen den größten europäischen Naziaufmarsch aufrufen. Begründet wird dies im Durchsuchungsbeschluss damit, dass das Aufrufen zu zivilem Ungehorsam und Blockaden ein öffentlicher Aufruf zu Straftaten sei."

Der Dresdner Oberstaatsanwalt Christian Avenarius sagte dazu dem TAGESSPIEGEL, mit einer öffentlichen Aufforderung, eine Versammlung zu sprengen, sei ein Straftatbestand erfüllt (§ 21 Bundesverammlungsgesetz: "Wer in der Absicht, nicht verbotene Versammlungen oder Aufzüge zu verhindern oder zu sprengen oder sonst ihre Durchführung zu vereiteln, Gewalttätigkeiten vornimmt oder androht oder grobe Störungen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."). Avenarius bestätigte, daß "in dem linken Szeneladen in Kreuzberg" Plakate zur Abholung bereitgelegen hatten." Das beanstandete Plakat trägt den Schriftzug "13.2.2010 Dresden Kein NAZI-Aufmarsch - Gemeinsam blockieren."

Widerstand gegen Eingreifen der Staatsgewalt aus Kreisen der LINKEN

In der linksgerichteten Zeitung "Junge Welt" (Ausgabe vom 20.1.2010) wurde das Plakat neben einem Artikel mit der Überschrift "Jetzt erst recht"" abgedruckt. Die Aktion werde zur bösen Blamage für Polizei und Staatsanwaltschaft, schreibt das Blatt und weist auf den Widerstand hin, der sich gegen das Einschreiten der Staatsanwaltschaft und Polizei erhebt. So hat der Bundesgeschäftsführer des Studentenverbandes SDS von der LINKEN, Forian Wilde, dem Bündnis "Dresden-nazifrei" zufolge erklärt: “Wir werden uns aber weder von der Polizei, noch von der Staatsanwaltschaft davon abhalten lassen, weiter die verbotenen Plakate zu verkleben, zu Blockaden aufzurufen und alles daran zu setzen, den Naziaufmarsch am 13. Februar mit allen Mitteln des zivilen Ungehorsams zu verhindern.”

Die Durchsuchung des Infobüros ihrer Landesgeschäftsstelle Dresden und der Räume des Bündnisses "Dresden nazifrei" wurde von der Partei DIE LINKE scharf verurteilt. Dadurch würden Bürgerinnen und Bürger diskreditiert, die sich entschlossen gegen den braunen Ungeist wenden. Der stets eingeforderte Aufstand der Anständigen würde kriminalisiert, erklärte Dietmar Bartsch von der LINKEN. Unterdessen gehen die Plakatierungsaktionen weiter. Plakatiergruppen in Dresden sollen durch mehrere Bundestagsabgeordnete der LINKEN beim Plakatieren begleitet worden sein, wie das "Anti-Nazi-Bündnis" mitteilte. Am Mittwochabend soll es demnach sogar zur Festnahme der Bundestagsabgeordneten Dorotheé Menzner (LINKE, Wahlkreis Helmstedt/ Wolfsburg) durch die Polizei gekommen sei, als sie mit mehreren Jugendlichen den Blockadeaufruf für die Gegendemonstration in Dresden plakatiert hatte. Die Abgeordnete erklärte MEDRUM allerdings hierzu, daß man ihre Person betreffend nicht von einer Festnahme im üblichen Sinne sprechen könne. Sie sei - schon wegen der Begleitung der Jugendlichen - auf das Polizeirevier zur Feststellung der Personalien mitgegangen. Den Zugriff der Polizei beurteilte sie besonders mit Blick auf die Jugendlichen und ihr antifaschistisches Engagement als unverhältnismäßig, zwei der Jugendlichen seien Handschellen angelegt worden. Dies wäre zur Feststellung der Personalien, gegen die sie nichts einzuwenden habe, nicht erforderlich gewesen, so Menzner. Zugleich sprach sich die Abgeordnete wegen der Erfahrungen vergangener Jahre für die Fortsetzung des Protestes im Rahmen rechtlich zulässiger Maßnahmen aus, da sich bei früheren Veranstaltungen gezeigt habe, daß hinter den Demonstrationen rechter Kreise nicht nur rechtsextremes, sondern faschistisches Gedankengut stehe.

Aktion Sühnezeichen Friedensdienste für Bündnis Kirche gegen Rechtsextremismus

Der 65. Jahrestag der Bombardierung Dresdens wurde von anderen Stellen zum Anlaß genommen, ein Bündnis gegen Rechtsextremismus in der Kirche zu bilden. Wie MEDRUM berichtete, wollen Christian Staffa, Geschäftsführer der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, sowie die Vereine "Kulturbüro Sachsen e.V." und "Miteinander e.V." aus Sachsen-Anhalt am Vorabend des 13. Februar eine "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche gegen Rechtsextremismus (BAKGR) in Dresden gründen. Diese Initiative wird einerseits von mehreren Vertretern der EKD unterstützt, andererseits aber auch von der Kirche nahestehenden Stellen kritisiert, weil sie sich nur gegen Rechtsextremismus und nicht generell gegen extremistische Bestrebungen wendet, wie beispielsweise Andreas Späth, Vorsitzender der "Kirchlichen Sammlung um Bibel und Bekenntnis in Bayern", erklärte.

Fraktionen der CDU und FDP beschließen Einschränkung der Versammlungsfreiheit

Unterdessen beschloß der Sächsische Landtag am Mittwoch mit den Stimmen von CDU und FDP eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Künftig sollen Demonstrationen an bestimmten Tagen und Orten von historisch herausragender Bedeutung verboten werden können. Konkret genannt werden im Gesetz das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, die Frauenkirche in Dresden sowie Teile der dortigen Altstadt am Jahrestag der Zerstörung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs. Mit diesem Gesetz wollen CDU und FDP das Versammlungsrecht ändern, um Extremisten in Sachsen künftig deutliche Grenzen zu setzen, heißt es im Vorblatt des Gesetzentwurfes, der bereits Ende vergangenen Jahres in den Landtag eingebracht worden war. Ein Auszug der beschlossenen Regelungen ist im Anhang beigefügt.


JLO -> Aufruf zur Demonstration

DIE LINKE -> Es bleibt dabei: Kein Fußbreit den Faschisten

"Dresden nazifrei" -> Bundestagsabgeordnete beim Plakatieren festgenommen