Sie sind hier

Suchterkrankungen, Gewalt und Familie


07.05.08

Suchterkrankungen und Gewalt - Erscheinungen der sozialen Lage und des Zerfalls der Familie und Ehe

Der Vorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann, hat sich in einem Interview im Deutschlandfunk zu den Ursachen für die Zunahme von Suchterkrankungen und Gewalterscheinungen geäußert.

Ein wesentlicher Faktor, der zu einer ungünstigen Entwicklung führe, sei die soziale Lage der Familien und der Verfall der Familienstrukturen bzw. von Ehe und Familie. Wenn man an den Ursachen der Probleme ansetzen wolle, müssten also die wirtschaftliche und soziale Lage der Familien und die rechtliche Stellung der Ehe verbessert werden, betonte Ehrmann. Er forderte ebenso ein gesamtgesellschaftliches Hinsehen wie eine konsequente Wahrnehmung des Wächteramtes. Dies sieht auch Jürgen Siemer von Familientrends so. Er folgert: "Hier ist also eine grundsätzliche Wende der Politik gefordert!" Beide verweisen auf skandinavische Modelle, die mehr darauf abzielen, in und mit den Familien zu arbeiten, im Gegensatz zu den Ansätzen in Deutschland, bei denen es eher Bestrebungen gebe, Kinder aus der Familie zu nehmen. Auch die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Familien ist für beide eine Notwendigkeit. Eine weitere Ursache für den Zerfall von Familien wird u.a. von Professor Günther Rohrmoser in der Politik des Gender Mainstreaming gesehen, die nach seiner Auffassung den Zerfall der Familienstrukturen noch beschleunigt. Er trug seine Erkenntnisse bei der Jahrestagung "Die Wende" (-> MEDRUM-Bericht vom 06.04.08). Eine Schlüsselaussage von ihm, die an Deutlichkeit nichts vermissen lässt: "Der geistig-kulturelle Niedergang wird am moralischen Zustand und am finanziellen Zusammenbruch des Staates sichtbar, der durch Gender Mainstreaming beschleunigt wird".

Über einschlägige Erfahrungen und Erkenntnisse aus der täglichen Arbeit mit Familien verfügt die Organisation Team.F (-> MEDRUM-Bericht über "Heil für zerbrochene Famlien") . Mit 500 Seminaren und Vorträgen in einem Jahr hat sie ihren Finger täglich am Puls. "Wir nehmen die Auflösungserscheinungen der 'traditionellen' Familie hautnah wahr", so Christof Matthias, Leiter Team.F Hessen. Die Ursachen für den Zerfall der Familie sieht er vor allem in einem "dramatischen" Verlust der familiären Werte. "Treue, Hingabe und Opferbereitschaft werden durch die regelrechte Vermarktung von Selbstverwirklichung und Individualismus ausgelöscht", stellt er unmißverständlich fest. Deswegen gehe es den 600 ehrenamtlichen Mitarbeitern von Team.F darum, für diese Werte und den Wert der Ehe und der Familie an sich einzutreten. Diese "gesunden Lebensformen" wollen sie stärken. Kinder stehen besonders im Blickpunkt. Er weist auf den Zusammenhang hin zwischen der Zuwendung, die Kinder in der Familie erfahren und ihrer Gefährdung. Wenn ein Kind in der eigenen Familie durch Vater und Mutter nicht genügend Aufmerksamkeit erfährt, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass es diese "Bedürfnisse an ungesunderen Stellen befriedigt", stellt er mahnend fest.

Trotz solcher Erkenntnisse gibt es über grundlegende Vorstellungen zur Ehe und Familie in der deutschen Gesellschaft keinen Grundkonsens. Dies wird deutlich am Beispiel der Jugendorganisation von Bündnis90/die Grünen. Sie haben nicht beschlossen, die Ehe zu stärken, sondern sie zu ersetzen (-> MEDRUM-Bericht v. 26.03.08). Auch innerhalb der etablierten Parteien im Bundestag gibt es unterschiedliche Vorstellungen. Während die einen es für richtig halten, einen Schwerpunkt auf die außerfamiliäre Betreuung von Kindern zu legen, um die Erwerbstätigkeit der Elternteile zu ermöglichen, legen andere ihr Augenmerk mehr auf die Förderung oder Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im generellen und geschlechtsunabhängigen Sinne, und wieder andere verfolgen eine mehr konservativ orientierte Familienpolitik, bei der Schutz der Ehe und elterliche Betreuung und Erziehung im Vordergrund stehen. Das Meinungsspektrum ist also breit angelegt und es wird auch außerhalb der Parteien kontrovers diskutiert. Hierfür gibt es zahlreiche prominente und weniger prominente Beispiele wie die Diskussion um Eva Hermann oder der Umgang mit einer Elterninitiative in Wachtberg, über die MEDRUM gestern berichtet hat, zeigen. Mangelnder gesellschaftlicher Konsens und Verlust an Kohäsion sind häufig beobachtbare Phänomene.

Wie wichtig Konsens, Kohäsion und eine Familienpolitik der Nachhaltigkeit für eine Gesellschaft sein können, zeigt auch ein Blick auf Groß-Britannien. Dort hat einer der renommiertesten und höchsten Richter Englands für Familienrecht kürzlich die Briten hellhörig gemacht. Aufgrund seiner über fast vier Jahrzehnte gewonnenen Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Familien sieht er gar die Gefahr, dass die britische Gesellschaft einer "sozialen Anarchie" entgensteuert und die Nation daran erheblichen Schaden nehmen oder gar zerbrechen könnte (-> MEDRUM-Bericht).