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Steiger-Award gerät durch Auszeichnung von Erdogan ins Zwielicht


13.03.12

Steiger-Award gerät durch Auszeichnung von Erdogan ins Zwielicht

Zentralrat der Armenier legt Preisträgern in Offenem Brief nahe, Preis nicht anzunehmen

(MEDRUM) Was ist eine Auszeichnung wert, wenn Personen als Preisträger ausgezeichnet werden, deren Wirken im Gegensatz zum Anspruch des Preises steht? Diese Frage stellt sich angesichts der Kritik, die sich gegen die Vergabe des Steiger-Award 2012 an den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erhoben hat.

Armenier verurteilen Unterdrückung und Verweigerung elementarer Rechte

Unverständnis gegen eine Auszeichnung von Erdogan hat besonders der Zentralrat der Armenier geäußert. Er wendet sich in einem Offenen Brief an die übrigen Preisträger, zu denen die schwedische Königin Silvia und Altbundespräsident Horst Köhler gehören, und nennt Gründe, weshalb die ausgewählten Preisträger von einer Annahme des Preises Abstand nehmen sollten. Der Zentralrat dazu: "Der Steiger Award steht für Toleranz und Menschlichkeit und für das Zusammenwachsen Europas. Erdogan, so der ZAD, stehe dagegen für genau das Gegenteil." Unter den Gründen nennt der Zentralrat auch die "Verweigerung elementarer Rechte von Christen in der Türkei". Sowohl vom Zentralrat der Armenier wie von kurdischen Vertretern wurde Protest angekündigt. MEDRUM dokumentiert den Offenen Brief.

An die Preisträger des Steiger Award

OFFENER BRIEF

Sehr geehrte Preisträgerinnen!

Sehr geehrte Preisträger!

Wir gratulieren Ihnen zu der diesjährigen Auszeichnung mit dem Steiger Award. Gleichzeitig allerdings müssen wir Sie bitten, darüber nachzudenken, ob Sie diesen Preis wirklich annehmen können.

Zudem müssen wir die bisherigen Preisträgerinnen und Preisträger bitten, darüber nachzudenken, ob Sie diesen Preis nicht doch lieber zurückgeben wollen.

In der Kategorie Europa soll der türkische Ministerpräsident geehrt werden. Der Preis steht für Toleranz und Menschlichkeit und für das Zusammenwachsen Europas. Recep Tayyip Erdogan steht in allen Punkten für genau das Gegenteil:

- Er verweigert die Anerkennung des EU-Mitgliedsstaats Zypern.

- Er hindert Migranten türkischer Herkunft an einer nachhaltigen Integration in Deutschland.

- Er duldet keine Pressefreiheit in seinem Land.

- Er lässt seine Justiz türkische Intellektuelle verfolgen: Orhan Pamuk, Hrant Dink, Dogan Akhanli, Ragip Zarakoglu, Büsra Ersanli usw.

Viele von ihnen sitzen derzeit ohne Prozess in Haft.

- Er lässt Folter und Misshandlungen von Gefangenen zu.

- Er praktiziert Repressalien gegen nichtmuslimische und nichttürkische Ethnien.

- Er leugnet den Völkermord an den Armeniern und hindert die Hinterbliebenen der Opfer, ihrer Trauer an den Tatorten Ausdruck zu geben.

- Er verweigert den Christen in der Türkei elementare Rechte.

Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen...

Wir sind sicher, dass Sie nicht in einer Reihe mit einem solchen Preisträger stehen mögen. Und wir können uns nicht vorstellen, dass Sie Freude an Ihrem Steiger Award empfinden, wenn gleichzeitig ein solcher Preis an eine Persönlichkeit verliehen wird, die so sehr im Gegensatz zu den Grundsätzen des Stifters steht.

Wir werden am Tag der Preisverleihung mit massiven Protesten gegen diese Art der Vergabepolitik der Hellen Medien Projekte GmbH präsent sein.

Mit freundlichem Gruß

Azat Ordukhanyan

Vorsitzender des Zentralrats der Armenier in Deutschland

Frankfurt am Main

12.03.2012

P.E.N.-Zentrum fordert Ende der Verfolgung von Schrifstellern

Eine ebenso kritische Haltung nimmt die deutsche Sektion des internationalen Schriftstellerverbandes P.E.N. ein. Das P.E.N.-Zentrum wandte sich Ende 2011 an Erdogan und verurteilte die Unterdrückung von Schriftstellern in der Türkei: "Das P.E.N.-Zentrum Deutschland fordert ein Ende der Verhaftungen und die Freilassung der Schriftsteller und Journalisten, die fest gehalten werden, weil sie nichts anderes taten, als von ihrem legitimen Recht auf Freiheit der Meinung und diese zu äußern Gebrauch zu machen. Wir fordern Sie auf, die Urteile aus der Vergangenheit überprüfen zu lassen und den Verfolgten die Freiheit zu geben. Unsere guten nachbarschaftlichen Beziehungen können sich nur weiterentwickeln, wenn sie nicht unter dem Schatten der Unterdrückung stehen." (Offener Brief des P.E.N.-Zentrums Deutschland an den türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, 30.12.11)

Verherrlichung des Dschihad

Ein kritisches Licht auf die Auszeichnung Erdogans wirft indirekt auch das Echo auf den neuen Monumentalfilm «Fetih 1453» über die Eroberung Konstantinopels durch das Osmanische Reich. Erdogan gefalle der Film, berichtete die türkische Zeitung Hürriyet. Der Wiener KURIER zeigt sich darüber nicht verwundert. Der Film instrumentalisiere die Religion und genau das nütze Erdogan und seiner konservativ-islamisch geprägten Partei AKP, schreibt die Zeitung. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FASZ) stellt dazu unter der Überschrift "Das große Gemetzel" in der Ausgabe vom 4. März 2012 fest, der Film zeige, wie sich Erdogans AKP die Welt wünsche.  Es sei ein Film, der an Verherrlichung des Dschihad kaum zu überbieten sei, so die FASZ.

Demonstration gegen ausverkaufte Gala

Medienberichten ist zu entnehmen, dass die frei verkäuflichen Karten für die Gala-Veranstaltung am 17. März in der Bochumer Jahrhunderthalle ausverkauft sind (Preis: 175 Euro). Es wird mit einer Protestaktion gegen die Veranstaltung mit bis zu 2000 Demonstranten gerechnet.


11.03.12 MEDRUM Steiger-Award für Erdogan und seine Verdienste um die Demokratie