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Siegessicherheit kommt vor den Fall


25.06.10

Siegessicherheit kommt vor den Fall

Jürgen Rüttgers will Parteivorsitz abgeben und erklärt seinen Rückzug aus der Politik

(MEDRUM) Er sei sich des Sieges zu sicher gewesen, soll Rüttgers laut DerWesten am Donnerstagabend bei einer CDU-Sitzung der Kreisvorsitzenden von NRW eingeräumt haben, bei der er seinen Rückzug aus der Politik angekündigt haben soll.

Nachdem Rüttgers bereits am Donnerstag der vergangenen Woche erklärt hatte, er werde nicht als Gegenpol zu Hannelore Kraft bei der Ministerpräsidentenwahl im Landtag von NRW antreten (MEDRUM: Jürgen Rüttgers tritt nicht gegen Kraft an) und nicht für das Amt des Fraktionsvorsitzenden zur Verfügung stehen, soll er nun auch seinen Rückzug vom Amt des CDU-Vorsitzes in NRW angekündigt haben. Rüttgers habe sich vielmehr für eine Erneuerung der nordrhein-westfälischen CDU ausgesprochen.

Die Erklärung von Rüttgers ist das Eingeständnis, daß seine Vorstellung gescheitert ist, trotz einer eklatanten Wahlniederlage mit der SPD eine Große Koalition unter seiner Führung bilden zu wollen. Dies war vorhersehbar (MEDRUM: Rüttgers, Kraft oder Neuwahlen?). Die Einsicht von Jürgen Rüttgers kommt für die CDU zu spät. Die Chance der Christdemokraten, in NRW weiterhin Regierungsverantwortung zu übernehmen, wurde frühzeitig vergeben. Rüttgers fehlte es nach der Landtagswahl in NRW bei der Einschätzung der Kräfteverhältnisse und der Entschlossenheit von Hannelore Kraft am nötigen Realismus.

Erklärtes Ziel von Hannelore Kraft war es, Ministerpräsidentin von NRW zu werden und einen Politikwechsel zu gestalten. Hätte Rüttgers bei den Sondierungsgesprächen der SPD mit der CDU seine Bereitschaft zu erkennen gegeben, Hannelore Kraft das Ministerpräsidentenamt zu überlassen, hätte die CDU wohl eine gute Chance gehabt, als Koalitionspartner der SPD die Politik in NRW auch weiterhin in Regierungsverantwortung mitzugestalten. Die CDU hätte damit auch ihrem Anspruch gerecht werden können, für stabile Verhältnisse in NRW sorgen zu wollen. Doch auf diese Situation schien weder Rüttgers noch die CDU von NRW vorbereitet gewesen zu sein. Rüttgers selbst hat  mit seinem jetzigen Eingeständnis, er sei sich des Sieges zu sicher gewesen, die Erklärung dafür nachgeliefert: Rüttgers und die CDU sind letztlich an dieser Siegessicherheit von Rüttgers gescheitert.

Sollte Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt werden, wird die Bundes-CDU - nach dem Rückzug von Roland Koch in Hessen - mit dem Abschied von Jürgen Rüttgers einen weiteren Aderlaß bei Spitzenpolitikern aus ihrer ersten Reihe zu verkraften haben, auf die sie sich bisher stützen konnte. Mit dem vorzeitigen Rücktritt von Horst Köhler und Roland Koch ist dies innerhalb von wenigen Wochen der dritte Rückzug eines CDU-Politikers von Gewicht für die Bundes-CDU. Auch wenn der Abzug von Jürgen Rüttgers freilich mehr der Not als dem freien Willen geschuldet ist, wirft diese Entwicklung kein gutes Licht auf den Zusammenhalt und die Gestaltungskraft einer CDU, deren Führungsmannschaft gerade in einer Zeit großer politischer Herausforderungen zusammenrücken müsste statt von Bord zu gehen.