31.12.12
Religionsphilosoph Harald Seubert bringt Bekenntnis und Wahrheit zum Leuchten
Eine Antrittsvorlesung über „Der Gott der Philosophen und die Wahrheit des Glaubens
– Möglichkeiten und Grenzen christlicher Philosophie”
an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel am 29. November 2012
Anmerkungen von Werner Neuer
(MEDRUM) Harald Seuberts Antrittsvorlesung an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel (STH Basel) war in vierlei Hinsicht außergewöhnlich: Der Zuhörer erlebte einen Dozenten, der es wie nur wenige versteht, grundlegenden Fragen zur Wahrheit systematisch auf den Grund zu gehen. Er lieferte eine Fülle von hilfreichen und bemerkenswerten Einsichten. Auch wenn nicht der Versuch gemacht werden soll, diese hier wiederzugeben, will ich es aber wagen, einen summarischen Eindruck zu formulieren und sagen, worin in meiner Sicht das Besondere dieser Vorlesung und der in ihr zum Ausdruck gelangten Philosophie zu sehen ist.
Erinnerung an bedeutende Philosophen
In seiner Vorlesung hat Harald Seubert einen erfreulich weiten Bogen geschlagen von den Vorsokratikern bis zu Vertretern einer nach-postmodernen Philosophie. Beeindruckend war nicht nur das breite Wissen des Dozenten, das einen positiven Kontrast bildete zu unserem weitgehend im Spezialistentum zersplitterten Wissenschaftsbetrieb, sondern das Bemühen, dieses Wissen systematisch zu ordnen und so für die systematische Philosophie fruchtbar zu machen.
Daraus ergibt sich ein weiterer Vorzug des frisch Berufenen: Seubert verliert sich nicht in der Historie oder in für das Ganze bedeutungslosen Details, sondern steht im Dienst einer philosophia perennis, die im Sinne des alten Axioms semel verum semper verum auf übersituative Wahrheit zielt, ohne die geschichtlichen Kontexte auszublenden – eine Philosophie, die sich einerseits scheut, polare Positionen vorschnell zu sich ausschließenden Widersprüchen hochzustilisieren anstatt ihre Komplementarität wahrzunehmen und freizulegen, andererseits aber auch zu dezidierten verneinenden Urteilen bereit ist, wo sie von der Sache her unausweichlich sind.
In dieser Hinsicht erinnerte mich die Vorlesung zum Beispiel an den gleichfalls universal gebildeten evangelischen Wiener Philosophen Erich Heintel, der mir als Studenten erstmals ein wenig den Weg zur aristotelischen Ontologie und Naturphilosophie und zu Leibniz geöffnet hat (ohne die legitimen Anliegen der neuzeitlichen Subjektphilosophie deswegen zu verneinen), aber auch an Robert Spaemann, der mir in den letzten 20 Jahren ontologisch und vor allem ethisch immer näher getreten ist.
Bekenner und Zeuge der Wahrheit
Seubert verbleibt nicht beim unentwegten Fragen der Philosophie, das (durchaus zu Recht!) nie zu einem Abschluss kommt, sondern findet auch zu Antworten auf die letztlich allein relevante Wahrheitsfrage im klassischen Sinne einer subjektiven und zugleich objektiven, das heißt realitätskonformen adaequatio rei et intellectus. Diese Antworten folgen freilich, weil sie allein der Wahrheitserkenntnis geschuldet sind, in aller Regel nicht den modischen und reduktionistischen Zeitströmungen, und sind gerade deshalb auch normativ bedeutsam für unsere Zeit. Nur ein solches Philosophieren erfüllt die Voraussetzungen, auch der Gesellschaft (und der Kirche!) dienen zu können, und ist gerade aufgrund seiner inneren Unabhängigkeit in der Lage, „gesellschaftsrelevant" zu sein.
Dies bedarf freilich auch einer in der Person der Philosophen liegenden Voraussetzung, die Harald Seubert ebenfalls in bemerkenswerter Weise mitbringt und als ein dritter Aspekt seines Philosophierens gewürdigt werden muss: Wenn der Philosoph (oder Theologe) die von ihm erkannte Wahrheit in der Öffentlichkeit von Gesellschaft (oder Kirche) fruchtbar machen will, wird er notgedrungen zum Bekenner und Zeugen der Wahrheit. Dies aber ist nicht möglich ohne den Mut und die Tapferkeit, notfalls auch gegen Modeströmungen und herrschende Trends Stellung zu beziehen.
Auch dieser (schon zuvor in den Publikationen unter Beweis gestellte) Aspekt des Philosophen Harald Seubert war in der Antrittsvorlesung wahrnehmbar und hat mich besonders erfreut, da ich aus eigener Lebenserfahrung weiß, wie wenig selbstverständlich eine solche Bezeugung der Wahrheit heute – und wohl zu allen Zeiten – ist. Hier setzt Seubert die gute Tradition von Günther Rohrmoser und Robert Spaemann fort, was angesichts des Heimgangs von Rohrmoser und des hohen Alters von Spaemann von ganz besonderer Bedeutung ist, da die Weisheit des Alters stets auf die bewusste Übernahme durch Zeugen der nachwachsenden Generationen angewiesen ist.
Fruchtbare Ergänzung von Philosophie und Theologie bringt Bekenntnis zu Jesus Christus zum Leuchten
Die Einmündung der Vorlesung in das Programm einer neuen, diesmal christlichen Aufklärung als Alternative zu den fehlgeschlagenen, säkular verengten rationalistischen Aufklärungsbemühungen kann nur begrüsst werden, solange sich eine so verstandene „christliche Philosophie" – wie dies Seubert ausdrücklich eingefordert hat – als dienende Philosophie versteht, die reduktionistische Formen von Rationalität aufdeckt und die Menschen für eine nicht konstruierte, sondern in der Wirklichkeit begründete Synthese von Vernunft und Glauben zu öffnen vermag, die auf der unzerstörbaren Einheit der Wahrheit basiert.
Erfreulich an der Antrittsvorlesung war nicht zuletzt die profunde theologische Bildung des Philosophen Seubert, die sich freilich nicht – unter Mißachtung der methodischen Unterschiede von Philosophie und Theologie – störend einmischte in die philosophische Reflexion, sondern diese fruchtbar ergänzte und damit jene Freiheit eines dialogischen Austausches zwischen den beiden Disziplinen zu nutzen wusste, die Habermas zu Recht als um der Sache willen wünschenswert und geboten eingefordert hat. Auch die Theologie Seuberts ist – analog zu seiner Philosophie – nicht intellektualistisch verengt, sondern repräsentiert eine ökumenisch geweitete biblisch–reformatorische Offenbarungstheologie, die von ihrem Wesen her rational verstehbar und bekennend zugleich ist. Auf diese Weise wird durch die intellektuelle Weite von Seuberts Philosophieren das Bekenntnis zu Jesus Christus und zum dreieinen Gott nicht beeinträchtigt oder verdunkelt, sondern zum Leuchten gebracht! Bei einem solchen Miteinander von Philosophie und Theologie, die ihre Unterschiedenheit nicht aufhebt (vgl. Seuberts Warnung vor einer Vermischung von Theologie und Philosophie!), aber auf ihre fruchtbare Ergänzung abzielt, können beide Disziplinen nur gewinnen!
Man darf der STH Basel gratulieren, dass es ihr gelungen ist, Harald Seubert als Professor zu gewinnen! Nicht nur ihre Studenten, sondern auch ihr Lehrkörper (und darüber hinaus Studenten und Dozenten des Theologischen Seminars St. Chrischona!) können (und werden hoffentlich) davon reichlich profitieren.
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Prof. Dr. Harald Seubert war zwischen 2006 und 2012 Hochschullehrer an der Adam Mickiewicz-Universität Posen und ist seit September 2012 Professor und Fachbereichsleiter für Philosophie und Religionswissenschaft an der Staatsunabhängigen Theologischen Hochschule Basel. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehören: Religion. Eine Einführung. München 2009; Jenseits von Sozialismus und Liberalismus. Gräfelfing 2010; Glaube und Vernunft: Christliche Religionsphilosphie. München 2011. Seubert ist einer der beiden Hauptautoren des Buches Vergewaltigung der menschlichen Identität - Über die Irrtümer der Gender-Ideologie. Erhellend ist seine Analyse und Kritik der verschiedenen Denkansätze der Gender-Konzeptionen. Er bilanziert: Die Mittel der Wissenschaft erweisen die Unhaltbarkeit der Gender-Ideologie. Es wird erkennbar, „dass weite Teile modischer Diskurse und machtvoller Eingriffe in die Natur des Menschen letztlich einem Popanz folgen und der Kaiser nackt ist. Die Haltlosigkeit korreliert freilich mit der Gefährlichkeit der Gender-Ideologie."
Pfarrer Dr. Werner Neuer ist Dozent für Systematische Theologie am Theologischen Seminar St. Chrischona. Er ist Vorsitzender der Theologischen Kommission der Internationalen Konferenz Bekennender Gemeinschaften (IKBG) und einziger evangelischer Dauergast im Schülerkreis von Papst Benedikt. In der Weihnachtsausgabe der Zeitschrift DIAKRISIS berichtete Neuer über das letzte Schülertreffen mit Papst Benedikt (MEDRUM berichtete: Hochinteressanter Lesestoff in Diakrisis).
Große Aufmerksamkeit hat das jüngste Buch von Werner Neuer, "Heil in allen Weltreligionen? Das Verständnis von Offenbarung und Heil in der Pluralistischen Religionstheologie John Hicks", gefunden; erschienen im Brunnen-Verlag Gießen / Freimund Verlag Neuendettelsau 2009, 315 Seiten. "Dieses Buch (ist) eines der seltenen Beispiele dogmatischer Analyse und Beurteilung ..., also nicht nur beschreibende Stoffsammlung, das höchste akademische Anerkennung verdient." (Prof. Dr. Reinhard Slenczka in: Theologische Literaturzeitung, 9/137 (2012), 907-910). "Heil in allen Religionen? Darstellung, Analyse und Beantwortung dieser Frage machen dieses Buch zu einer notwendigen, beachtlichen und im Blick auf die Kirche und ihre Sendung verdienstvollen Leistung", Prof. Dr. Horst Bürkle in: Diakrisis 31 (2010/3) 174f.
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Leserbriefe
Hörende Theologie
Zeitgenössische Denker wie der von Werner Neuer kongenial gewürdigte Harald Seubert dürften, ja sollten durch ihre "Glaubensreflexion im Hören auf Gottes Wort und auf die Fragen der Menschen", wie es einmal Andreas R. Batlogg im Blick auf einen der bedeutendsten Theologen und Religionsphilosophen des vergangenen Jahrhunderts, Karl Rahner, formulierte, nicht nur jungen Studierenden dieser Disziplinen zu ebenso kenntnisreichen wie kraftvollen Wegweisern in die Heilige Schrift, mithin zu erhellenden Vermittlern biblischer Textmeditation als zukunftsträchtigster Theologie gerade auch im Denkkontext der Gegenwart werden und als solche bleibend wirken.