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Raub der Menschlichkeit


31.01.12

Raub der Menschlichkeit

Gedenkveranstaltung "70 Jahre nach der Wannseekonferenz" der ökumenischen «Initiative 27. Januar»

(MEDRUM) Unter dem Thema "Die Deutsch-Israelischen Beziehungen 70 Jahre nach der Wannseekonferenz" führte die ökumenische «Initiative 27. Januar» am Sonntag eine Gedenkveranstaltung in der Residenz in München durch. Prominenter Gastredner war der Generalkonsul des Staates Israel in München, Tibor Shalev-Schlosser.

70 Jahre zwischen Wannseekonferenz und deutsch-israelischer Freundschaft

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Nach einer historischen Einführung durch den Religionspädagogen Andreas Späth hielt der israelische Generalkonsul Tibor Shalev-Schlosser einen freien Vortrag, in dem er vom furchtbaren Ausgangspunkt der Wannseekonferenz und der dort geplanten Logistik der "Endlösung" den Bogen zur heutigen Freundschaft zwischen Deutschland und Israel schlug.

Wie wird man zum Unmensch?

Shalev-Schlosser sagte: "Wie wird man zum Unmensch? In dem Moment, wo man jemandem die Menschlichkeit raubt, verliert man sie auch selbst." Um dann an die langsame Annäherung zwischen Deutschland und Israel anzuknüpfen: "Seit Adenauer und Ben Gurion haben wir eine große Entwicklung gemacht. Sie basiert auf dieser schrecklichen gemeinsamen Geschichte. Diese Beziehungen sind zu einer tiefen Freundschaft geworden. Deutschland ist unser wichtigster Partner in der EU. Die Beziehungen sind heute sehr vielfältig. Deutschland ist unser drittwichtigster Handelspartner, es gibt Schüleraustausch, kulturellen Austausch, allein zwei Goetheinstitute in Israel."

Mit Sorge betrachte er die kürzlich vorgestellte Studie, nach der "20% der Deutschen, immer noch - oder vielleicht heute mehr wie damals - antisemitische Tendenzen haben." Er glaubt nicht, dass dies den erfolgreichen Weg der Freundschaft gefährdet, und dennoch: „Das sind Signale und es zeigt, dass wir noch viel Arbeit haben". Unsere gemeinsame Aufgabe kann daher nur lauten: „Erziehen, erziehen, erziehen!" Shalav-Schlosser betonte, dass 2012 aber nicht nur ein Gedenkjahr der Wannseekonferenz sei. Vielmehr sei vor 100 Jahren auch Raoul Wallenberg geboren, der tausenden ungarischer Juden das Leben rettete.

Bittere Armut vieler Holocaustüberlebender beschämend

Der Vorsitzende der «Initiative 27. Januar», Harald Eckert, unterstrich die Einigkeit mit den Vorstellungen des Generalkonsuls. So gehöre es zu den Anliegen der Initiative, insbesondere Begegnungen zwischen jungen Deutschen und Holocaustüberlebenden zu vermitteln und diese damit zu Zeugen der Zeugen zu machen, betonte Eckert. Ebenso wichtig sei es der Initiative aber auch für notleidende Holocaustüberlebende da zu sein. Es sei „beschämend", sagte Eckert, dass viele Überlebende heute in bitterer Armut leben. Jetzt bestehe noch ein kleines Zeitfenster, ihnen, die so schreckliches er- und überlebt hätten, etwas Gutes zu tun. Eckert: "Doch schon in wenigen Jahren wird diese Generation gestorben sein. Dann ist es zu spät."

Gedenken lebendig halten

In Ihren Grußworten betonten der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ebenso wie der Erzbischof von München-Freising Reinhard Kardinal Marx und der Evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm
wie wichtig es sei, das Gedenken lebendig zu halten.

Die Initiative 27. Januar ist ein überkonfessioneller Zusammenschluss von Bürgern und Organisationen, die sich für das christlich-jüdische und deutsch-israelische Verhältnis engagieren. Sie organisierten aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eine Gedenkveranstaltung am 27.01.2005 in München, die der Auftakt für weitere jährliche Veranstaltungen zum 27. Januar war.