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Neu bei Logos Editions: „ZURUFE und EINSPRÜCHE”


03.09.14

Neu bei Logos Editions: „ZURUFE und EINSPRÜCHE”

Kritik an landeskirchlichen postmodernen Anpassungen im Rückblick

Buchrezension von Rolf-Alexander Thieke

(MEDRUM) In faszinierender Klarheit zeigen die Autoren des bei Logos Editions erschienenen Buches "Zurufe und Einsprüche", dass Wahrheit nicht verjährt, auch wenn sie im Raum der Evangelischen Landeskirchen mit ihren postmodernen Anpassungen nicht immer leicht zu entdecken ist. Gerade deshalb geben die Texte der Autoren insbesondere evangelischen Christen versierte Denkanstöße und führen sie auf eine Entdeckungsreise, die zum vertieften Nachdenken - auch über kirchenleitende Irrlehren - einlädt. Die Leser kommen in jeder Hinsicht auf ihre Kosten.

Klarheit für Urteilsbildung

Mitgerissen im Strom der Zeit, verliert selbst der Beste den Überblick. Ohne Überblick aber gibt es keine klare Orientierung. So jedenfalls scheint es heute vielen Menschen zu gehen, die sich treiben lassen vom beschleunigten Trend zahlloser Ereignisse und Informationen. Soziologen beobachten das scheinbar paradoxe Phänomen, dass inmitten gigantisch aufgeblähter Informationsgesellschaften die Des-Information, die Fehlinformation und sogar Unterinformation wachsen. Sie betonen deshalb: letztlich kommt es nicht auf Quantitäten von Informationen an, sondern auf Qualität (u.a. auch der Quellen), auf Zielklarheit im Leben und auf Klärung der Auswahl-Kriterien für die Urteilsbildung.

Wer sich im Raum der Evangelischen Kirche heute noch verlässlich informieren und orientieren will, ist angewiesen auf reife Zeitzeugen, die mit theologisch-kirchlicher Klugheit, analytischem Klarblick und literarischer Könnerschaft auf langjährige, reiche Erfahrung zurückblicken können. Nicht für alle Autoren (oder Autorinnen), die den Zeitgeschmack oder Bedürfnisse nach leichter Kost bedienen, gilt der Satz „Wer schreibt, der bleibt". Nein, bleibend von Wert und kosten­günstig sind letztlich nur jene Publikationen, deren Inhalte langfristig lehrreich sind. Hierzu gehört die kleine, aImageber feine Neu­erscheinung aus dem Verlag Logos Editions (Bild links: Buchvorderseite, 178 Seiten). Schon mehrfach ist der Verlag aufgefallen durch kirchlich und gesellschaftlich relevante Veröffentlichungen; nun liefert er erneut ein markantes Beispiel für gesellschaftliche Diakonie im theologisch-publizistischen Bereich:

Mission, Jugendarbeit, Gemeindeleben, Politik und Bindung des Gewissens

Angeregt und eingeführt vom Herausgeber Andreas Späth, kommen vier namhafte evangelische Autoren mit einer Reihe von überwiegend kurzen Texten zu Wort, die von praller Lebenserfahrung in Kirche, Politik und Gesellschaft durchglüht sind. Die Beiträge von Altbischof Heinrich Herrmanns, Pfarrer Dr. Wolfhart Schlichting, Prof. Dr. Harald Seubert und Prof. Dr. Reinhard Slenczka befassen sich mit Themen und Ereignissen, mit denen heute jeder Verantwortungsträger in der Evangelischen Kirche zu tun hat: die Lebensbereiche Mission, Jugendarbeit, Gemeindeleben, Politik und Bindung des Gewissens an die Heilige Schrift (Letzteres ggf. auch gegen die eigene Kirchenleitung). Zentral ist die bleibend gültige Botschaft der Reformation gegen allerlei Deformation in der Kirche heute. Dass es sich um eine Zusammenstellung von Texten aus den letzten 30 Jahren handelt, macht die Lektüre erst noch doppelt aufregend: sie zeigen in faszinierender Klarheit: Wahrheit verjährt nicht! Dies muss besonders auch alle jungen Theologen, die noch Mumm und einen Schuss von Luthers „Rebellen-Lust" in sich haben, elektrisieren. Bei ihnen dürfte der Titel - „ZURUFE und EINSPRÜCHE" - Neugier und Aufhorchen wecken und bei der Lektüre vertieftes Nachdenken anstoßen.

Neues Leben im Sterbehaus EKD

Nur der aufmüpfige Untertitel des Bändchens hat für manche Kirchenleiter ein „Gschmäckle" - wie man im Schwäbischen sagt: da wird gesagt, es gehe doch tatsächlich um „Kritik an landeskirchlichen postmodernen Anpassungen im Rückblick"! Was dort sachlich und stimmig beschrieben ist, klingt für Manchen im ersten Augenblick rückwärtsgewandt, ggf. modernisierungsfeindlich. Genau darum aber geht es den Autoren gerade nicht! Sie zeigen sich mit ihrem Urteilsvermögen in den beschriebenen Situationen vielmehr als hellwache Zeitzeugen, die gerade um der Zukunft willen auf Irrwege und falsche Weichenstellungen aufmerksam machen; sie beherrschen das diagnostische Instrumentarium der Zeitanalyse besser als andere Christenmenschen, die nur in den Tag hinein lebten, es sich dabei gerne gutgehen ließen und mitschwammen wie die toten Fische. Die fünf lutherischen Theologen dreier Generationen indes, die sich hier zusammenfinden, haben sich die innere, frohe Dynamik des kämpferischen Martinus bewahrt, dessen Wort schon durch fünf Jahrhunderte klingt. Für sie ist klar: nach der „Post-Moderne" kann nur der fortgesetzte Niedergang kommen oder aber: ein helles Auf-wachen aus vielfach bequemer Verschlafenheit und die frohe, entschiedene Umkehr zum Evangelium von Jesus Christus, damit im Sterbehaus EKD vielleicht doch noch ganz neues Leben aufbricht.

Versierte Denkanstöße aus lutherischer Theologie

Zu den Besonderheiten dieser praktisch-theologisch gewichtigen, zeitgeschichtlichen Dokumentation gehört bereits die Art der Darstellung der Inhalte: diese orientiert sich zentral an den fünf Themen-Bereichen, erst in zweiter Linie an den Autoren-Namen, wobei deren Spezialkompetenzen durchaus voll zum Zuge kommen. Damit gerät dieser griffige Band zugleich zu einer Art von „thematischem Nachschlagewerk", mit dem man sich gleichsam immer wieder gerne „berät". Hierbei ist auch der ansonsten ungewöhnliche thematische „Pathfinder" eine Hilfe, der beim Durchblättern sofort den schnellen Zugang zu d e m Thema ermöglicht, auf das man es abgesehen hat. Es zeigt sich, wie hilfreich der Herausgeber seine religionspädagogische Kompetenz eingebracht hat.

Die Frage nach der Zielgruppe für den Band ist eindeutig zu beantworten: die breite Kontrovers-Lage in der EKD wie auch die inhaltliche Themen-Palette der Publikation zeigen: Alle Evangelischen, die sich noch der reformatorischen Botschaft für die Zukunft ihrer Kirche verpflichtet sehen, finden hier versierte Denkanstöße aus lutherischer Theologie, heute auch gegen kirchenleitende Irrlehren.

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In das offene Meer eines wahrhaft evangelischen Glaubens

Beim Leser wird die Freude an seiner Kompetenzbildung durch Lebensnähe und Anschaulichkeit der Beiträge geweckt sowie durch ihren begrenzten Umfang und besonders durch die orientierenden Einführungen, die der Herausgeber Andreas Späth jeweils vorangestellt hat. Es handelt sich um einen ungewöhnlichen Service am Leser, ohne dass diesem das eigene Nachdenken über die Aussagen der Autoren selbst vorweggenommen wäre.

Der Mitautor Harald Seubert, der als Philosoph und lutherischer Theologe sorgfältig abwägt, was er sagt, würdigt im Resümee dieser Publikation auch mit Nachdruck den ausführlichsten Beitrag von Reinhard Slenczka („Reformation gegen Deformation der Kirche"; 26 S.): Er ziehe hier „die souveräne Summe eines in Forschung und Lehre Bibel und Bekenntnis gewidmeten Lebens im Geist der Lutherischen Theologie." Slenczkas Beitrag rüste nicht bloß auf das Jahr 2017 zu, sondern setze einen „wunderbaren Kontrapunkt" gegen offiziöse EKD-Verlautbarungen. Dieser könne „zu einer Magna Charta evangelischer Theologie im 21. Jahrhundert werden." Seine Aussagen „wirken geradezu kathartisch, sodass man beim Studium seines Aufsatzes sich von der flachen Binnenschifffahrt des Zeitgemäßen in das offene Meer eines wahrhaft evangelischen Glaubens verwiesen sieht." Für Martin Luther ging es mit seiner Botschaft keineswegs um eine eigene religiöse Gemeinschaft, sondern zentral um den Hinweis auf den gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus. In diesem Sinne verstand Luther sich auch als Teil der UNA SANCTA CATHOLICA.

Kirchlich-publizistischer Glücksfall

In solchen Worten klingt eine entschlossene gesamtkirchliche Zukunftsverantwortung an. Ihr sehen sich Harald Seubert selbst und alle seine Mitautoren verpflichtet. Dass wir auch die Beiträge von Wolfhart Schlichting und Heinrich Herrmanns zu den Themenbereichen Mission, Jugendarbeit, Gemeinde, Politik und Gewissen in diesem qualitätsvollen Zusammenhang vorfinden, gleicht einem kirchlich-publizistischen Glücksfall. Da legt sich für den Rezensenten die Versuchung nahe, auch von ihnen eine Reihe von packenden, herausfordernden Zitaten zusammenzustellen. Dies hätte fraglos Vorteile im Sinne des „Werbe-Effekts"! Der Nachteil wäre, dass hier eklektische Methode walten müsste. Besser ist es also wohl, den Lesern selber die volle Entdeckungsreise zu überlassen. Eines ist sicher: sie werden in jeder Hinsicht auf ihre Kosten kommen. Mehr noch: nachvollziehen können, was Harald Seubert mit seinem Bild von Binnen- und Hochsee-Schifffahrt anklingen lässt.

Nur in einer Hinsicht muss gewarnt werden: in der heutigen kirchenamtlichen Gesprächslage gibt es auf Führungsebenen der EKD nur noch relativ wenige Gesprächspartner, die zu einem vorurteilslosen vorrangigen Hinhören auf widerständige Positionen und zu einem offen selbstkritischen Mitdenken bereit oder fähig sind. Dies hat verschiedenste Ursachen. Manche Negativ-Erfahrungen der Autoren finden heute sogar ihre verstärkte Fortsetzung. Umso wichtiger sind Voten wie die ihrigen. In der Freude am gekreuzigten und auferweckten Herrn gibt es für sie keinen Grund zu resignieren.


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