Ein Pfarrer geht nach 40 Jahren Dienst für die Kirche - Ein Abschied nach historischen Taten
Mit drei Begriffen könne er wenig anfangen, mit "Rente", "Ruhestand" und "Held", sagte der jetzt 65-jährige Pfarrer Christian Führer aus Leipzi heute in den Fernsehmedien, die ihn befragten, weil er in den Ruhestand geht. Nicht nur den Bürgern in Leipzig wird dieser Pfarrer in Erinnerung bleiben. Er hat ein Stück mitgedreht am Rad der deutschen Geschichte, vielleicht sogar ein ganz entscheidendes Stück.
Es war seine Kirche, als im Herbst 1989 die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR in Gang gesetzt wurde, die zum Anlaufpunkt in Leipzig für viele Menschen wurde, die sich nach ihren Friedensgebeten in der Nikolaikirche bei den unvergesslichen Montagsdemonstrationen trafen und ihren Protest gegen die damaligen Verhältnisse in der DDR verkündeten. "Wir sind das Volk", schallte es auf Leipzigs Plätzen und Straßen.
Pfarrer Führer gab ihnen Rückhalt, machte ihnen Mut, nahm ihnen die Angst, gab ihnen die innere Ruhe, friedliche Besonnenheit, und betete mit ihnen. Noch heute finden dort Friedensgebete in Erinnerung an die bewegten Tage in Leipzig statt. Ungläubiges Staunen verbreitete sich damals in den in der alten Bundesrepublik ob der Unerschrockenheit, mit der sich die Bürger in Leipzig trafen und ihre Sehnsüchte nach politisch freien Leben ihrer Staatsmacht und einer erstaunten Weltöffentlichkeit präsentierten. Das war der Höhepunkt für mich als Mensch und Pfarrer, so Christian Führer heute. Auch wenn er kein Held sein will, er war es. Die Knüppel, mit denen dieser Protest hätte niedergeknüppelt werden können, lagen bereit. Jederzeit musste damit gerechnet werden, dass der Protest mit ihnen unerbittlich hätte niedergeschlagen können. Einzelne Versuche der Staatsgewalt blieben nicht aus. Jederzeit musste auch mit massivem Einsatz von Gewalt gegen den friedfertigen Protest und einer Eskalation der Staatsmacht gerechnet werden. Und dennoch tragen sich am 9. Oktober 1989 70.000 Demonstranten nach dem Friedensgebet in Führer's Nikolaikirche zur Montagsdemonstration.
Christian Führer war und bleibt ein Held, der mit Mut, Besonnenheit und Klugheit den Menschen und der Bewegung ein couragiertes, betendes und friedfertiges Antlitz gab, dem die Staatsmacht der ehemaligen DDR letzlich unterlegen war, Montag für Montag, Woche für Woche, Schritt für Schritt, bis zum Fall der Mauer. Ein gewaltloser Held, der auf die Macht des Gebetes und Gottes vertraute. «Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.», sagte er 10 Jahre zuvor in einer Predigt. Der Glaube hat geholfen. Am 31. März ist sein letzter Tag als Nikolaipfarrer. «Da es ein Montag ist,
werde ich dann noch ein letztes Friedensgebet gestalten», sagte Führer.
Dank Ihnen, Herr Pfarrer, und Dank unserem Herrn, der Sie so segensreich geleitet hat.
Kurt J. Heinz