Sie sind hier

Kann die Aufhebung des Zölibats helfen?


15.03.10

Kann die Aufhebung des Zölibats helfen?

Gabriele Kuby im Interview

(MEDRUM) Die Soziologin und Buchautorin Gabriele Kuby gehörte zu den Gästen, die Sandra Maischberger neben Heiner Geißler und weiteren Gästen in ihre Sendung vom 10. März geladen hatte, um über sexuelle Mißbrauchsfälle in der Katholischen Kirche zu diskutieren.  Heiner Geißler sprach sich wie vielfach zuvor für eine Aufhebung des Zölibats aus und sieht keinen Grund, weshalb Priester sexuell enthaltsam leben sollten. Zur Frage, ob dies helfen könnte, sexuellen Kindesmißbrauch zu verhindern, führte MEDRUM nach der Sendung ein Interview mit Gabriele Kuby, die für das Zölibat eintritt.

Interview

MEDRUM: Manche Kritiker der Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche - wie beispielsweise Heiner Geißler in der Sendung „Menschen bei Maischberger“ am Dienstagabend (10.03.10) - argumentieren, diese Vorfälle stünden in einem Zusammenhang mit dem Zölibat und der damit verbundenen sexuellen Enthaltsamkeit, die Priestern auferlegt sei. Halten Sie dieses Argument für überzeugend?

Kuby: Nein. Das ist eine oberflächliche Antwort, die zwar vordergründig plausibel erscheint, aber einer kritischen Prüfung nicht standhält.

MEDRUM: Warum nicht? Ein Priester, der heiraten darf, kann doch seine sexuelle Erfüllung in der Ehe finden und gerät dadurch gar nicht erst in die Versuchung, sich sexuelle Befriedigung auf anderem Weg zu verschaffen.

Kuby: Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb der Gedanke, das Zölibat sei Ursache für sexuellen Kindesmißbrauch und mit einer Aufhebung könne diesem vorgebeugt werden, ein geistiger Kurzschluß ist.

1. Ein heterosexuell orientierter, zum Zölibat verpflichteter Priester, würde sich eine weibliche Partnerin, aber kein minderjähriges Kind, und schon gar keinen Jungen suchen, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Es ist doch die Tatsache offenkundig, daß die Mißbrauchsfälle überwiegend nicht durch heterosexuell, sondern durch homosexuell orientierte Priester mit pädophilen Neigungen begangen werden. Eine Aufhebung des Zölibats würde daran nichts ändern.

2. Die Zölibats-These würde im Übrigen auch nicht erklären, weshalb sexuelle Übergriffe auf Kinder massenhaft durch nicht zölibatär lebende Personen stattfinden. So können die vergleichbaren Vorfälle an der Odenwald-Schule oder am Schulheim Wiesen im Schweizer Herisau nicht mit der Zölibats-These erklärt werden. Diese Schandtaten sind weder im Amtsbereich der Kirche noch durch Priester oder zum Zölibat verpflichtete Menschen begangen worden. Sie müssen zwangsläufig andere Ursachen haben.

Heiner Geißlers Antwort, die Kirche müsse das Zölibat aufheben, um dem sexuellen Mißbrauch von Kindern vorzubeugen, führt also in die Irre und gibt falsche Antworten, die weder hilfreich für die Opfer sind noch künftiges Unheil verhindern werden. Alle Institutionen einschließlich der Katholischen Kirche müssen also anderswo ansetzen, wenn sie die Ursachen suchen und Mißstände beseitigen wollen.

MEDRUM: Was müsste Ihrer Meinung nach getan werden?

Kuby: Zunächst ist klar, daß die bekannt gewordenen Vorfälle schonungslos aufgeklärt werden müssen und den Opfern geholfen werden muß. Die jetzige Diskussion müsste aber darüber hinaus endlich zum Anlaß genommen werden, das Thema des sexuellen Mißbrauchs von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft ganz grundsätzlich anzugehen. Sexueller Mißbrauch ist ein massenhaft auftretendes Vergehen, das tagtäglich von Erwachsenen an Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft begangen wird. Dies belegt die polizeiliche Kriminalstatistik. Darin werden im Durchschnitt täglich 40 (jährlich über 15.000) Fälle des sexuellen Mißbrauchs erfasst, eine sehr hohe Dunkelziffer muß angenommen werden. Diese Übergriffe geschehen überwiegend durch Eltern, Stiefeltern, Verwandte, Freunde, Bekannte oder Nachbarn im häuslichen Milieu des Opfers.

Daraus wird ersichtlich, dass die Vorfälle im Amtsbereich der Kirche nur einen sehr kleinen Ausschnitt des abscheulichen Geschehens in unserer Gesellschaft ausmachen.

Leider werden diese Tatsachen weder von den Medien noch von der Politik bisher in einer Weise aufgegriffen, die den Zigtausenden von mißbrauchten und geschändeten Kindern und Jugendlichen gerecht wird. Auch wenn ein Runder Tisch, die Einrichtung von Ombudsstellen und eine Verlängerung der Verjährungsfrist wünschenswert sind, ist das Problem dadurch nicht zu lösen.

Die Gesellschaft und die politisch Verantwortlichen müssen vielmehr in einer offenen und in die Tiefe gehenden Diskussion eine Antwort auf die Frage finden, wie mit Sexualität umgegangen werden muß, um der Verantwortung gegenüber Kindern und Familien gerecht werden zu können. Die Aufhebung des Zölibats kann dazu nichts beitragen.

MEDRUM: Im Namen der Leser danken wir Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Kurt J. Heinz

_____________________________

Copyright MEDRUM, 2010

Zur Person Gabriele Kuby

Image

Die aus Oberbayern stammende Schriftstellerin und Soziologin Gabriele Kuby sieht sich als eine Bekehrte der 68er Bewegung.  Sie studierte Soziologie in Berlin und Konstanz und machte bei Ralph Dahrendorf 1971 ihr Magister-Examen. Nach einer Tätigkeit an der Universität Bremen und dem Besuch der Akademie für innere Arbeit in England arbeitete sie als Übersetzerin und Dolmetscherin in der Welt der Psychologie und Esoterik. Nach ihrer Bekehrung wurde sie 1997 in die Katholische Kirche aufgenommen. Ihr erstes Buch "Mein Weg zu Maria - Von der Kraft lebendigen Glaubens" erschien im Bertelsmann Verlag und wurde ein Bestseller.  Als Buchautorin, Publizistin und Vortragsrednerin zeigt sie Sackgassen der modernen Gesellschaft auf und weist den Ausweg durch den gelebten Glauben an Jesus Christus. Gabriele Kuby ist Mutter einer Tochter und zweier Söhne.

Sie setzte sich wegen einer bedenklichen Frühsexualisierung von Kindern mit Erfolg gegen Broschüren ein, die durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verbreitet worden waren und nach Kubys Kritik wieder zurückgezogen wurden.

Kuby hat ein Seminar "OnlyYou" für junge Menschen konzipiert, mit dem sie Gelegenheit geben will, eine selbstbewußte und an der Liebe orientierte Entscheidung beim Umgang mit der Sexualität zu finden.

(Weitere Information: www.gabriele-kuby.de)


 

Leserbriefe

Sehr gute punktuelle Stellungnahme! In der weiterführenden Diskussion wäre m.E der Satanismus zu nennen. Pädophilie scheint der Einstieg in den Satanismus zu sein. Siehe Belgien und Marc Dutroix. Es gibt Schätzungen, daß in Deutschland jährlich über 1.000 Kinder getötet, d.h. geschlachtet werden. Auch das ist kein biblisches Neuland. Siehe die von Yahweh mit Strafe belegte Praxis der abtrünnigen israelitischen 12 Stämme - die sie von den kanaanitischen Völkern übernommen hatten - ihre Kinder dem Gott Moloch zu opfern ... Das Maß des Bösen in dieser Gesellschaft ist bald voll. ... -> Mose, Koenige und Jeremia

Volle Zustimmung zu der Grundthese, sexueller Missbrauch sei ein Gesellschaftsphänomen. Gleichwohl: Es ist eine bedenkenswerte These, die m.W. auch schon andere Leute vertreten haben, dass nicht das Zölibat den Missbrauch verursache, aber besonders fromme und eifrige Priesteranwärter öfter kein reifes Verhältnis zu ihrer eigenen Sexualität haben und ein möglicher Anlass für Missbräuche liegt. Die Kausalität also anders herum liege - das wäre dann kein wirkliches Argument für die Abschaffung, aber dennoch ein Zusammenhang. Und dass Medrum den Odenwaldfall lang und breit verlinkt, aber hier gerade die guten vergleichenden Analysen, verschwiegen werden, zeigt auch, wie hier eben auch nur eine Seite der Medaille vorkommt. Eine Debatte erhellend abzubilden, sähe anders aus. Schade.

gewinnt man aus einer Privatoffenbarung in der ;-) Heiligen Stadt. ----- Die Niederschrift findet sich bei dem URL ----- http://www.uni-siegen.de/~stilling/downloads/zoelibat_nutzen.pdf----- Für den Privatgebrauch darf man diesen Text nutzen.