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Ist eine Verdächtigung des evangelikalen US-Pastors Warren wie in der ZEIT berechtigt?


17.12.09

Ist eine Verdächtigung des evangelikalen US-Pastors Warren wie in der ZEIT berechtigt?

Anmerkungen zum Artikel von Felix Wadewitz über die "Allianz christlicher Schwulengegner" in DIE ZEIT

(MEDRUM) In seinem Artikel "Allianz christlicher Schwulengegner" schreibt Felix Wadewitz in der Wochenzeitung DIE ZEIT (14.12.09): "Uganda droht Schwulen und Lesben mit der Todesstrafe. Die Spuren des Skandals führen bis nach Washington - und bringen dort religiöse Netzwerke und hochrangige US-Politiker in Erklärungsnot." Wadewitz nennt als vermeintlichen Vertreter solcher Netzwerke den wohl prominentesten evangelikalen Pastor der USA, Rick Warren. Wegen des Artikels wurde Beschwerde beim Deutschen Presserat erhoben. Wird etwa Rick Warren zu Recht oder Unrecht verdächtigt?

Rick Warren wird seit einigen Jahren zu den wichtigsten und einflussreichsten Pastoren der USA gerechnet. Bei der Amtseinführung von Barack Obama am 20.01.09 sprach er das Fürbittgebet.

Wadewitz stellt in seinem Artikel zu Rick Warren fest: „In Erklärungsnot bringen die Pläne der ugandischen Regierung auch Rick Warren, einen der bekanntesten Pastoren der USA. Warren hat das Gebet bei der Amtseinführung von Barack Obama gesprochen. Sein Bestseller A Purpose Driven Life gilt vielen Geistlichen in Uganda als Leitfaden. Warren hat mit dem ugandischen Pastor Martin Ssempa einen der wichtigsten Wortführer für das Anti-Homo-Gesetz wiederholt in seine Kirche nach Kalifornien eingeladen. Auch Warren brauchte mehrere Wochen, um nach wachsendem medialem Druck klar Position gegen die ugandischen Gesetzespläne zu ziehen."

Die Konstruktion dieser Darstellung vermittelt einen falschen Eindruck. Denn die Haltung von Warren steht im krassen Gegensatz zu der Suggestion, er würde die ugandischen Gesetzespläne unterstützen oder gar inspirieren. Zahlreiche Erklärungen, die der evangelikale Pastor im Zusammenhang mit Fragen der Homosexualität - auch zu AIDS - in den letzten Jahren auch öffentlich abgegeben hat, zeigen dies mit großer Deutlichkeit. Einige werden nachfolgend wiedergegeben.

Rick Warren in der Diskussion über Heirat und homosexuelle Partnerschaften in den USA:

"There are about 2% of Americans who are homosexual or gay and lesbian people. We should not let 2% of the population change the definition of marriage. This is not even just a Christian issue. It's a humanitarian and human issue. I'm not opposed to gays having their partnerships. I'm opposed to gays using the term marriage for their relationship."

"While I believe the gay view of sexuality is contrary to God's word, I do believe that God gives us free choice and he gives us a choice to obey his word or to disobey it."

"Some people feel today that if you disagree with them then that's hate speech. Either if you disagree with them you either hate them or you're afraid of them. I'm neither afraid of gays nor do I hate gays. In fact I love gays but I do disagree with some of their beliefs."

"Divorce is a bigger threat to families than gay marriage."

Rick Warren zu AIDS-Erkrankten:

I'll tell you what will: When people really understand how much Jesus loves people with AIDS!  How much does Jesus love people who have AIDS? Just look at the cross! With arms outstretched and nail-pierced hands, Jesus says, "This much! This is how much I love people who have AIDS! In Matthew 25, Jesus made it very clear that one of the things we're going to be judged for when we stand before him is how we treated other people! "I was hungry and you fed me. I was thirsty and you gave me drink. Naked and you clothed me. Sick and in prison and you visited me." We must treat people as if they were Jesus himself. That is what it's all about."

Zur umstrittenen Anti-Homogesetzgebung von Uganda hat sich Warren unter anderem im Oktober von der Haltung des in der ZEIT genannten Pastors Ssempa klar distanziert:

"Martin Ssempa does not represent me; my wife, Kay; Saddleback Church; nor the Global PEACE Plan strategy. ... In 2007 we completely severed contact with Mr. Ssempa when we learned that his views and actions were in serious conflict with our own. The fundamental dignity of every person, our right to be free, and the freedom to make moral choices are gifts endowed by God, our creator. However, it is not my personal calling as a pastor in America to comment or interfere in the political process of other nations."

Angesichts dieser Botschaften ist es nicht vertretbar zu suggerieren, Warren gehöre zu einem Kreis evangelikaler Inspiratoren oder auch einer Art geheimer Drahtzieher in den USA, die eine extreme Gesetzgung Ugandas gegen Homosexuelle unterstützen. Auch die Behauptung, Warren habe Wochen gebraucht, um eine klare Position zu beziehen, ist vor diesem Hintergrund als nicht belegte, nicht plausible und unhaltbare Spekulation einzustufen. Warren ist derartigen Spekulationen und Verdächtigungen in einer eigens produzierten Videobotschaft überzeugend entgegengetreten. Darin bekundet Warren zu den gesetzlichen Bestrebungen ausdrücklich seine ablehnende Haltung: "Das Anti-Homosexualitäts-Gesetz ist ungerecht, extrem und unchristlich."

Es fragt sich, wie es möglich ist, daß in einer Zeitung, die einem hohen journalistischen Anspruch gerecht werden will, ein Artikel wie der von Felix Wadewitz erscheinen kann. Was muß Rick Warren noch alles tun, um nicht in einem Artikel in der ZEIT als eine Art konspirativer Inspirator und Taktgeber für eine Anti-Homogesetzgebung in Uganda präsentiert zu werden? Liegt es nur an schlechter, oberflächlicher Recherche? Oder steht ein vorgefasstes Urteil des Verfassers oder gar der Chefredaktion hinter einem solchen Artikel?

Skandalöse Spuren scheint es - jedenfalls, was Rick Warren betrifft - weniger nach Washington als vielmehr in eine Hamburger Redaktion zu geben. Diese hat einen Artikel publiziert, dem der Professor für Journalistik, Wolfgang Stock, in seiner Beschwerde an den Deutschen Presserat ganz offensichtlich nicht unbegründet "Manipulation" und "Schmähung einer religiösen Überzeugung" vorgeworfen hat. Man darf gespannt sein, zu welchem Ergebnis der Deutsche Presserat kommt.

Kurt J. Heinz