18.12.08
Irrtümer, Verwirrung und Widersprüche bei der Bundeszentrale für politische Bildung
Islamisten-Vergleich der Evangelikalen durch Präsidenten nur ein Verwaltungsfehler?
(MEDRUM) In einem gestern erschienenen Artikel in der Zeitung "Die Welt" rückt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB), von seinem Islamisten-Vergleich für die Evangelikalen ab. Ursache war ein Verwaltungsfehler, so Krüger. Er verließ sich bei seinem Schreiben zu einem Artikel auf die Prüfung des Artikels durch seine Mitarbeiter, obwohl der Artikel nach bisherigen Erklärungen der BpB seinem Amt gar nicht bekannt gewesen sein konnte.
Islamisten-Vergleich
Die "Welt" griff unter der Überschrift "Bundeszentralen-Chef vergleicht Evangelikale mit Islamisten" die Kontroverse zwischen dem Präsidenten der BpB und dem Generalsekretär der Evangelischen Allianz über evangelikale Christen auf. Die Kontroverse wurde durch ein Begleitschreiben des Präsidenten der BpB zur Zeitschrift "Q-rage" ausgelöst, weil darin evangelikale Christen in die Nähe von Verfassungsfeinden gerückt wurden, und dies durch die Feststellung von Thomas Krüger unterstrichen wurde, Evangelikale würden - wie Islamisten - wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen. Im Artikel "Die evangelikalen Missionare", auf den sich Krüger bezog, wurde unter anderem behauptet, dass evangelikale Christen verfassungsfeindliche Ideologien verbreiten würden, und dass beim Jugendkongress Christival 2008 im Mai dieses Jahres 20.000 Jugendliche Bremen unsicher gemacht hätten. Auf den Artikel wird auf der Titelseite der Zeitschrift unter dem Aufmacher "Evangelikal ganz normal?" eingestimmt.
Pauschale Gleichsetzung von Evangelikalen und Fundamentalisten nicht gerechtfertigt
Im Gespräch mit der "Welt" rückte Thomas Krüger von diesem Artikel und seinem eigenen Vorwurf an die Evangelikalen zwar ab, lenkte zugleich die Aufmerksamkeit aber auf die Gefahren, die nach seiner Auffassung von christlichen Fundamentalisten ausgehen. Der Welt zufolge erklärte Krüger, auch unter den Evangelikalen gebe es zweifellos Fundamentalisten, sie seien jedoch neben Baptisten, Freikirchen und anderen evangelikalen Strömungen eine so kleine Minderheit, dass eine pauschale Gleichsetzung von Evangelikalen und Fundamentalisten nicht gerechtfertigt sei. Klar sei für ihn hingegen, dass die "Minderheit christlicher Fundamentalisten Freiheitsrechte gefährde", und dass Gefahren von Fundamentalisten in jeder Richtung ausgingen. Er wolle aber "christliche Fundamentalisten in keinem Fall gleichsetzen mit islamistischen Fundamentalisten, die Bomben werfen", so Krüger in der "Welt". Sein Schreiben sei auf einen Verwaltungsfehler zurückzuführen. Auch bekräftigte er, dass er den umstrittenen Artikel, der mit seinem Schreiben und 1.000.000 Zeitschriftenexemplaren an 20.000 Schulen verteilt wurde, vorher nicht gelesen habe (MEDRUM-Artikel vom 15.12.08). Er wolle dieses Thema gerne mit den Verbandsvertretern diskutieren, erklärte er der "Welt".
Evangelikal ganz normal?
Die Zeitschrift "Q-rage" ist ein mit Steuermitteln gefördertes Projekt des Vereines "Aktion Courage e.V.", das sich an deutschen Schulen gegen Rassismus einsetzen will. Mit der Zeitschrift "Q-rage" soll diese Zielsetzung an den deutschen Schulen unterstützt werden. Sie bezeichnet sich selbst als Zeitung des größten deutschen Schülernetzwerks und wird seit 2005 in einer Auflage von 1.000.000 Exemplaren herausgegeben.
In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift wird unter der Fragestellung der Titelseite "Evangelikal ganz normal?" die evangelikale Bewegung und der Jugendkongress für junge Christen "Christival 2008" durch entstellende, unwahre und unhaltbare Pauschalverurteilungen diffamiert, wie die Evangelische Allianz und andere Vertreter der evangelikalen Bewegung erklärten. Am Beispiel der 19-jährigen Leonie wird dargestellt, Evangelikale würden versuchen, junge Menschen auf verführerische Weise für sich zu vereinnahmen und dabei teilweise verfassungsfeindliche Ideologien verbreiten. Für den Leser wird somit das Fazit klar: Evangelikal ist nicht ganz normal. Gleichzeitig wird in einem anderen Artikel am Beispiel der 17-jährigen Stefanie positiv herausgestellt, dass diese Jugendliche durch die Konversion zum moslemischen Glauben den Sinn des Lebens gefunden habe. Zwei Einzelbilder werden im Kontrast präsentiert: hier Lebenssinn durch moslemischen Glauben, dort Gefahr durch verfassungsfeindliche, evangelikale Christen. Krüger bewertete dies in seinem Schreiben, von dem er sich zwischenzeitlich distanziert, und dessen Entstehen er nun als Verwaltungsfehler bezeichnet, noch als interessante Information.
Herausgeber der Zeitung, unter deren Vielzahl von staatlichen Förderern neben der Bundeszentrale für politische Bildung auch die Tageszeitung "TAZ" erscheint, ist "Aktion Courage e.V" als Trägerverein. Die presserechtliche Verantwortung für die Zeitschrift liegt bei der in der Türkei geborenen Sanem Kleff (53), die in Berlin als Hauptschullehrerin und in der interkulturellen Lehrerfortbildung tätig war sowie verschiedene Positionen in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) bekleidete. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins "Aktion Courage e.V." und Herausgeberin des Buches "Islam im Klassenzimmer - Impulse für die Bildungsarbeit."
Nach Aufkeimen des massiven Protestes wegen der Diffamierung evangelischer Christen ist die elektronische Form der Ausgabe 4 der Zeitschrift, die für das Schuljahr 2008/2009 herausgegeben wurde, aus dem Internetportal des Herausgebers entfernt worden. Die Papierausgabe ist verteilt und bei den Schulen eingetroffen.
Verwirrung und Widersprüche bei Präsident und Bundeszentrale
Zur Frage, wie es zu der gesamten Irritation über sein Schreiben und den Artikel kommen konnte, erklärte Krüger in der "Welt" ferner, er selbst habe vorher nicht jeden Artikel gelesen, sondern sich darauf verlassen, dass das Heft von seinen Mitarbeitern geprüft worden sei. Der Pressemitteilung der BpB vom 15.12.08 zufolge steht dies im Widerspruch zu der dortigen Darstellung, dass der Artikel erst nach Veröffentlichung der gedruckten Ausgabe von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb zur Kenntnis genommen worden sei. Dies wurde mit dem Argument unterstrichen, dass sich die Bundeszentrale für politische Bildung die Artikel bisher nicht vor Veröffentlichung vorlegen lasse, um jeden Anschein von eingreifender Zensur zu vermeiden. Der gedruckten Ausgabe lag das Begleitschreiben des Präsidenten jedoch bereits bei, wie ebenfalls aus der Pressemitteilung hervorgeht. Demnach verließ das Empfehlungsschreiben des Präsidenten mit seinem umstrittenen Vorwurf bereits die Bundeszentrale, bevor die Inhalte des Heftes ihm und seinen Mitarbeitern bekannt gewesen sein konnten. Wenn diese Angaben zutreffen, muss daraus geschlossen werden, dass der Präsident eine Stellungnahme zu einer Zeitschriftenausgabe mit einer Auflage von 1 Million Exemplaren für 20.000 Schulen unterzeichnet hat, die weder ihm noch seinen Mitarbeitern bekannt gewesen sein konnte, er sich jedoch gleichzeitig darauf verlassen hat, dass das Heft gewissenhaft geprüft gewesen ist. Neben die Irrtümer und unzutreffenden Darstellungen im Zeitungsartikel und dem Präsidentenschreiben über die Evangelikalen gesellen sich damit nach den Darstellungen der BpB auch Irrtümer des Präsidenten und Widersprüche über eigene Arbeits- und Verfahrensweisen. Hier dürften sich bei manchem Verantwortlichen in Regierung und Parlament die Haare sträuben und die Frage aufdrängen, ob solche Zustände an einer Zentrale der politischen Bildungsarbeit für deutsche Schulen gewollt sind und hingenommen werden können.
MEDRUM-Artikel
-> Anti-christliche und anti-religiöse Propaganda für Schüler
-> Rücktritt des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung gefordert
-> Kommentar: Präsident Bundeszentrale für politische Bildung: Evangelikale stellen Freiheitsrechte in Frage
-> Brücke mit Passierschein für einige Evangelikale um des lieben Friedens willen?
-> Zur Position von Volker Beck: Zweierlei Maß
-> Umstrittene Zeitungsausgabe "Q-rage" aus dem Internet entfernt
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