Initiativkreis Evang. Kirchenprofil: "Selbstkorrektur der evangelischen Kirche"
Fragestellung: "Schadet Selbstkorrektur der evangelischen Kirche?"
"Ich verstehe das Anliegen des Initiativkreises. Mir persönlich wäre es sehr recht, wenn er Erfolg hätte. Aber tut das unserer Kirche wirklich gut? Sie würde doch damit öffentlich bekennen, dass sie über 10 Jahre falsch gehandelt hat. Was werden die Leute dann über uns sagen?"
Pfarrer Rolf-Alexander Thieke, Mitglied des Initiativkreises, antwortet:
Wir alle sind fehlbare Menschen, auch in der Kirche Jesu Christi. Dies brauchen wir nicht zu verstecken. Wenn Jesus sagt, seine Jünger sollen „vollkommen" sein wie der Himmlische Vater, dann fordert er aber, dass wir Schwächen und Irrtümer freimütig zugeben. Nur so lassen wir uns korrigieren. Der Beter des 32. Psalms berichtet von der Erfahrung: „Da ich's wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine". Unwahrhaftigkeit macht krank - zumindest auf Dauer. Wahrhaftigkeit befreit. Ehrlichkeit ist gut für die seelische Hygiene und für unser Miteinander.
Die Kirche ist auf ständige Überprüfung und Selbstkorrektur angewiesen. Wenn sie sich selbst korrigiert, gewinnt sie Achtung und Glaubwürdigkeit. Dies belegt die Geschichte der Christenheit von den Anfängen an und in besonderer Weise die Reformation. Das Problem vieler Menschen in vielen Lebensbereichen ist heute, dass oft nur oberflächlich „gemeint" und nicht sorgfältig genug „gedacht" wird; deshalb sind so manche „Lösungen" nur von kurzer Dauer.
H e u t e haben wir es in der EKD mit Problemen zu tun, die seit über 30 Jahren nicht mehr ehrlich, frei und weitsichtig genug bedacht wurden. Die Kirchen in Baden, Sachsen und Württemberg, die dem allgemeinen Trend widerstanden haben, haben jetzt eine besondere Chance und Aufgabe: Sie können eine Reformbewegung zur Schärfung des Profils der Kirche bilden, das undeutlich geworden ist. Das prominente Gemeindeglied Albrecht Fürst Castell ruft zu Umkehr und Buße. Der frühere Ratsvorsitzende und Präses i. R. Manfred Kock gibt die Parole aus, wir machen weiter so und kehren nicht um. Die Alternative ist klar, die Zuschriften an unsere Initiative sind eindeutig: die Basis erwartet eine Umkehr an der Kirchenspitze. Diese kann sich an die Spitze einer Umkehrbewegung stellen und dadurch neue Autorität gewinnen. Es kann uns also n u r gut tun, wenn wir offen und ehrlich über Irrtümer und Irrwege sprechen und uns korrigieren. Dies ist der beste Weg, um dann auch die Probleme, vor denen wir stehen, zu bewältigen.