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Häresie – Aufstand des Zeitgeists gegen Gottes Ordnung


06.08.13

Häresie – Aufstand des Zeitgeists gegen Gottes Ordnung

Neu erschienen im Verlag Logos Editions: „Einst opferte Jerobeam ..." - Häresie – Aufstand des Zeitgeists gegen Gottes Ordnung “ - Ein Aha-Erlebnis besonderer Art

Eine Rezension von Rolf-Alexander Thieke

Image(MEDRUM) Der Verlag Logos Editions hat im Mai 2013 den deutschen Büchermarkt um ein wichtiges und höchst aktuelles Buch zum Themenkreis "Häresie" bereichert. Fünf kompetente Autoren haben sich um eine Neuerscheinung verdient gemacht, die unter dem Titel "Einst opferte Jerobeam ..." zu einer klaren Sicht gerade auch auf das aktuelle Geschehen in der Evangelischen Kirche Deutschlands verhilft.

Ein Aha-Erlebnis von besonderer Art in einer verworrenen Zeit

DImageer zunächst religionsgeschichtlich-archaisch anmutende Titel Einst opferte Jerobeam …" dieses Buches weist nur im ersten Augenblick in die Vergangenheit. Schon der Untertitel versetzt den Leser jedoch ‚schockartig‘ in die Gegenwart: „Häresie - Aufstand des Zeit­geistes gegen Gottes Ordnung“. Dies und das Cover (Bild links, Ausschnitt aus dem Hochglanz-Foto vom Bild des opfernden König Jerobeam aus der Pariser Ecole national supérieure des Beaux Arts) lassen ahnen, dass diese Publikation ein Aha-Erlebnis besonderer Art vermittelt, einen wechselseitigen Transfer aus Geschichte und Gegenwart - mit Aspekten profunder theologischer Grundsatzreflexion. Es geht um Hilfen in einer verworrenen Zeit wie heute, da man uns pfiffig-komplexe Des-Orientierung als „Orientierung“ verkaufen will.

Auf rund 100 Seiten beleuchten fünf wissenschaftlich ausgewiesene Autoren (die Professoren  Sven Grosse, Rainer Mayer und Harald Seubert, der Theologe Wolfhart Schlichting sowie der Religionspädagoge und Herausgeber Andreas Späth) das biblische Zeugnis und kirchlich-theologisch virulente Herausforderungen: von verschiedenen Ansätzen und Perspektiven her, auf hohem Niveau, in klarer, allgemeinverständlicher Sprache sowie in einer ‚akademisch‘ etwas unüblichen, fast originell zu nennenden, aber stimmigen Zusammenschau. Diesen Beiträgen ist ein dreiteiliger Anhang beigefügt samt nützlichen Hinweisen zu den Autoren.

Einströmen gottloser Einflüsse

Eingangs legt Wolfhart Schlichting eine umfangreiche, mit erhellenden Anmerkungen ausgestattete Bibelarbeit zu Hesekiel 8 vor. Darin zeigt er die für diesen Propheten ganz charakteristische Konzentration auf den rechten Gottesdienst, auf rechte Lehre und die zentrale Bedeutung und Qualität der Gottesbeziehung auf. Hesekiel nimmt die Überfremdung und Störung der Gottes­beziehung durch Übernahme von Kultformen aus Erfahrungswelten anderer Religionen in den Blick. Schlichting bilanziert:  Wo das Ernstnehmen der bestimmenden Anwesenheit Gottes im gehorchenden Achten auf sein Wort nachlässt, wo dies vernachlässigt wird, da wird die Frömmigkeit sozusagen ‚undicht‘ und ist dem Ein­strömen gottloser Einflüsse ausgesetzt. Auch von daher beginnt Gottesdienst im Erkennen unserer Unwürdigkeit vor Gott und im Bekennen der Versündigung, die zum Flehen um Gnade führt. - Hesekiels Beobachtung und Erfahrung, dass Gott verdrängt und aus seinem Heiligtum Schritt für Schritt vertrieben werden kann, lässt uns erahnen, was auch heute geschehen kann und faktisch geschieht. Und in der Tat, an konkreten Beispielen - Schlichtings gegenwartsbezogenen „Assoziationen“, die in diese Richtung weisen - mangelt es nicht.

Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt.

Es folgt von dem bekannten Bonhoefferforscher Rainer Mayer eine an Dietrich Bonhoeffer geschulte Orientierung in der gegenwärtigen Situation: „Kirche und Häresie – Dietrich Bonhoeffers theologische Überlegungen und praktische Entscheidungen“. Zahlreiche Details, die historische Vorgänge von damals mit gegenwärtigen Herausforderungen ins Gespräch bringen und schlüssig aufeinander beziehen, eröffnen dem Leser Zugang sowohl zu Dietrich Bonhoeffer wie auch zu häretischen Entwicklungen heute. In fünf Abschnitten (‚Das Thema und sein Umfeld‘, Glaubensbekenntnis und Häresie‘, ‚Häresie und Kirchengemeinschaft‘, ‚Kirchenordnung und ethischer status confessionis‘ und: ‚Bekenntnis und Irrlehre heute‘) vergegenwärtigt Mayer neuere Kirchengeschichte auf packende Weise. Der Autor baut so verbreitete Bildungsdefizite ab und zeigt, wie lebenswichtig für die Evangelische Kirche entschiedene, wache Bekenntnisbindung ist, wenn sie sich klaren Kurs, geistliche Autorität und ihre Freiheit nach innen wie nach außen bewahren will. Aus der Fülle seiner wegweisenden Aussagen hier nur drei Kerngedanken:  

  1. „… Wenn es um die Frage der Kirchenordnung geht, sind Strukturen, die gegen Schrift und Bekenntnis verstoßen, kein Adiaphoron!“, also keine Nebensache! Dies betrifft z.B. synodale Entscheidungen für Lebensordnungsfragen auf der Basis eines theologisch sektiererischen Menschen­bildes. 
  2. „Es kommt keine Einheit zustande, weil man nicht vom Bekenntnis her denkt und handelt!“; dies betrifft die EKD heute in hohem Maße, sofern Lehre und Irrlehre zu bloßen Meinungs­verschiedenheiten verharmlost werden (vgl. jene selbstgewisse Rede, quasi mit Offenbarungsattitüde „Ich sehe das anders!“…).
  3. Mit Bonhoeffer: „Nur der Glaubende ist gehorsam, und nur der Gehorsame glaubt.“ Dies betrifft das Glaubens-Verständnis selbst und alle Frömmigkeit: „Glaube“ hängt nicht an ‚meiner Meinung‘, sondern an dem, was von Christus her „pro me“ getan wurde, was durch ihn für mich geschehen ist.

Politische Auffassungen treten mit bekennerhafter Schein-Ehrlichkeit an die Stelle des Bekenntnisses

Unter dem Titel „Häresie – Zeitgeist und Unterscheidung der Geister“ legt der evangelische Philosoph Harald Seubert eine kontroverstheologische Besinnung vor. Auf 12 Seiten findet der Leser eine kulturell hoch erhellende Analyse von Entwicklungen und Trends, die seit vier Generationen - bis unmittelbar in die Gegenwart - die evangelische Theologie und die Kirche zunehmend bestimmen. Dazu gehört der historische Relativismus, der uns quasi diktatorisch gebieten will, dass es absolute Wahrheit nicht geben darf. Da bleibt dann von Verbindlichkeit des Wortes Gottes nicht mehr viel übrig - oder bestenfalls abstrakte Symbolik. Die entstehende Leere wird jetzt nur noch „durch innerweltliche, dem Glauben ferne Dogmata ausgefüllt.“  Seubert zitiert Friedrich Mildenberger: ‚Ein destruierender, ihre Autorität und Vorgegebenheit zerschlagender Umgang mit der Heiligen Schrift, wie er im Mainstream der Exegese gängig geworden ist, hält sich den Anspruch Gottes vom ImageLeib. … Damit können beliebige Häresien Einzug halten.‘ Dies gilt heute zunehmend auch für den Einzug von Parteipolitisierungen bei Kirchenvertretern, die nicht mehr wissen, was „eigentlich“ ihre „Sache“ ausmachen muss. Mit dem Relativismus ziehen Wissenschaftsfetischismus, Utopismus, Reduktionismus und andere -Ismen in der Kirche ein. So gewinnen politische Auffassungen schließlich  dogmatischen  Charakter und treten an die Stelle des auf die Heilige Schrift bezogenen status confessionis. Damit können nun Willkür und Willfährigkeit im Alltag der Kirche und in Kirchenleitungen mehr und mehr eindringen. An die Stelle einer Prüfung anhand von Schrift und Bekenntnis kann jetzt auch eine bekennerhafte Schein-Ehrlichkeit eindringen, die sich sehr selbstgefällig präsentiert und schließlich groß aufs Panier schreibt, was Gottes Geboten direkt widerspricht.

Harald Seubert zeigt, dass „die neuen Häresien, die mit der biblischen Botschaft verwechselt werden wollen“(sic!), in Wahrheit trojanische Pferde sind. Auf diese Weise ersetzen ggf. bloße Mehrheitsentscheidungen getrost die Frage nach der Wahrheit. Seubert geht der Frage nach, welche ideengeschichtlichen Hintergründe unsere Situation hat und welche Folgen sich daraus ergeben, dass das Wort Gottes seine Bindekraft verliert oder durch Einseitigkeiten der historischen Kritik geschwächt wird. Ein skizzenhafter Blick auf die aktuellen Häresien im Einzelnen und seine Schlussüberlegungen „Was not tut“ runden diesen faszinierenden Beitrag ab. Er bewirkt beste „Aufklärung“, die aus der verbreiteten kirchlichen Selbst-Entmündigung unserer Tage herausführt. Wer genauer verstehen will, wie es auf hohen Leitungsebenen in der evangelischen Kirche immer häufiger - und dies ‚guten Gewissens‘! - zu haarsträubenden Willkür-Akten im Umgang mit dem biblischen Zeugnis kommen kann, muss diesen Beitrag gelesen haben. Ihm fällt es wie Schuppen von den Augen.

Mit Ernst und Freude alleine Christus folgen wollen

Sven Grosse erläutert abschließend in dichter, klarer Form die Summa des reformatorischen Bekenntnisses. Unter der Überschrift ‚Wer uns wirklich hilft: Christus allein‘ unternimmt es Grosse, das Petrus-Wort Apg 4,12 vierfach ‚durchzubuchstabieren‘: „das Heil“, „Rettung“, „Wahrer Gott und wahrer Mensch“ und: „Was mit uns geschieht“. Diese zentral dogmatische Aufgabe wird von ihm in geradezu liebevoller Weise so angegangen, dass man darüber ins Staunen gerät, wie lebensnah das theologische und geistliche Urteilsvermögen von Christen geschärft werden kann. Der Leser merkt: es geht ihm letztlich - auch konfessionsübergreifend - darum, dass wir im Alltag mit Ernst und Freude alleine Christus folgen wollen. –

Über den Wert rechter Lehre - mit vitalem Lesevergnügen, auch für leidgeprüfte Amtsträger

Diesem Abschluss ist, zunächst überraschend, eine Predigt von Wolfhart Schlichting  unter dem Wort 1.Kön. 12,33 - 13,33 vorangestellt. Gehalten wurde diese ganz ungewöhnliche Predigt im Rahmen einer Tagung, bei der es um den „Wert rechter Lehre“ ging; im Umkehrschluss entspricht dies dem Gedanken von der „Schädlichkeit falscher Lehre“. Dem Prediger gelingt es - mit Hilfe scharfsinnigen Hinsehens und Hineinhörens in dieses Gotteswort, aber gewiss auch aufgrund seines eigenen Humors und unerfreulicher Erfahrungen mit Kirchenleitungen - in das fremdartige Geschehen dieses Textes von einst ‚kongenial‘ einzudringen. Damit ver­binden sich dann meisterhaft  Konsequenzen und „Ermahnungen“ für bekennende Christen, die mit ihren „Kirchenregimenten“  u n s e r e r  Tage unerfreuliche Erfahrungen gemacht haben. Es sind fünf kurze Ratschläge von so geistreicher Schärfe und Treffsicherheit, dass manch leid­geprüfter Amtsträger, der das liest, sich bald nur noch „kringeln kann vor Lachen“ - und sich echt erleichtert fühlt.  Dies vitale Lese-Vergnügen soll hier nicht vorweggenommen werden, indem etwa Inhaltliches verraten würde. Und vielleicht kann sich selbst manch hoher Amtsträger, der sich seinen Humor bewahrt hat, dazu angeregt sehen, über sich und diese ermutigenden sowie realistischen „Ermahnungen“ mit Gewinn nachzudenken. …

Substantieller und illustrativer Anhang

Last but not least ist auf die Anhang-Teile zu verweisen: zwei kirchliche Dokumente und eine äußerst illustrative theologisch-archäologische Studie von Andreas Späth zu Schlichtings Predigt. Als Anhang I  zur Bedeutung des Bekenntnisses: eine zentrale Passage aus Bonhoeffers Aufsatz „Die Bekennende Kirche und die Ökumene“; als Anhang II: die Rummelsberger Erklärung von 1967, dito zur Bindung an Schrift und Bekenntnis. Anhang III: ein profiliertes Lebensbild von Jerobeam im Kontext seiner politisch und religiös aufregend interessanten Zeitgeschichte.

Fazit: Ein Erkenntnisgewinn für jeden, der die Mainstream-Anpassung der Kirche auf den Prüfstand stellen will

Der Verlag „Logos Editions“ hat sich auch mit dieser im Inhalt reichen, im Umfang knappen und im Preis weit unter Wert zu erwerbenden Publikation wieder verdient gemacht! Zur Zielgruppe für diese Publikation dürften, vorrangig wohl, gebildete evangelische Christen gehören, die sich nicht verdummen lassen wollen, die den aktuellen hohen Vertrauens- und Autoritätsverlust der EKD-Führung mit Sorge verfolgen (den diese selber gar nicht so recht wahrhaben will) und die sich für einen konstruktiv-kritischen Diskurs gegen Dummheit und Mainstream-Anpassung der Kirche zurüsten wollen. Wer dies will, kommt mit der Lektüre und der erwachsenenbildnerischen Erarbeitung dieser klugen Publikation garantiert auf seine Kosten und wird dies mit Freude in Theologische Konvente und in die Gruppenarbeit von Gemeinden einbringen wollen.

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ImageRolf-Alexander Thieke

ist Theologe, Pfarrer und Religionslehrer im Ruhestand. Geboren in Cottbus, studierte er Theologie in Neuendettelsau, Heidelberg und Göttingen. Nach Aufenthalten in der Schweiz, in Frankreich und in Großbritannien war er ab 1973 im Dienstauftrag in der Badischen Landeskirche für den gymnasialen Religionsunterricht tätig. Ab 1987 war er Schulpfarrer am Internat Schule Schloss Salem sowie an weiteren Schulen am Bodensee. Seit 2005  begleitet er pädagogische Projekte in Kinshasa/Kongo. Thieke ist Mitautor der Erklärung „Für die Freiheit des Glaubens und die Einheit der Kirche". Vielfach beachtet ist seine Rezension des Buches "Vergewaltigung der menschlichen Identität - Über die Irrtümer der Gender-Ideologie".


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