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Gott und das Leid - Bibel TV-Sendung TIPP!


31.10.08

Gott und das Leid - Bibel TV-Sendung TIPP! (3. u. 5. November)

Bibel TV im Gespräch mit Prof. Dr. Werner Thiede über sein Buch: "Der gekreuzigte Sinn"

(MEDRUM) Zu Gast bei Bibel TV ist am 3. November der Professor für systematische Theologie, Dr. Werner Thiede. Er stellt sich im Gespräch mit Wolfgang Severein den Fragen zu seinem Buch "Der gekreuzigte Sinn", in dem er sich mit der Theodizee-Frage "Gott und Leid" befasst.

Warum lässt Gott das Leid zu? Wie lässt sich die Vorstellung von einem guten und liebenden Gott mit dem Leid und den Katastrophen auf der ganzen Welt vereinbaren? Die Frage nach dem Sinn des Leids in der Welt beschäftigt die Theologen immer wieder neu. In seinem Buch "Der gekreuzigte Sinn", setzt sich der Theologe Prof. Dr. Werner Thiede näher mit diesem Thema auseinander. Im Gespräch mit Bibel TV erläutert er unter anderem, warum Gott und das Leid enger zusammenhängen als viele denken.

ImageDas Buch von Werner Thiede wurde von MEDRUM im Artikel "Das Kreuz - Fluch und Segen unseres Lebens im Spiegel der Selbstentäußerung Gottes" im April vorgestellt.  Schon in der Antike war die sogenannte Theodizee-Frage Gegenstand der geistigen Durchdringung (Sextus Empiricus: Grundriß der pyrrhonischen Skepsis) ebenso wie zu Beginn der Aufklärung (Leipniz: Essais de Théodicée sur la bonté de Dieu) oder auch in zeitgenössischen populären Darstellungen (Peter Hahne: Leid. Warum lässt Gott das zu?).

MEDRUM ging im Gespräch mit Werner Thiede der Frage nach, ob sich Gott und Leid auf einen Nenner bringen lassen, oder ob Leid und Gott im Widerspruch zueinander stehen. Zur Einstimmung auf die Sendung von Bibel TV präsentiert MEDRUM das Interview mit Werner Thiede.

Interview mit Werner Thiede zum Buch "Der gekreuzigte Sinn"

MEDRUM: Herr Professor Thiede, Ihr Buch beschäftigt sich mit Gott und dem Leid in der Welt – für viele Menschen ist das ein Gegensatz, der sie hindert, an Gott zu glauben. Die Frage „Warum lässt Gott all das Leid und Unrecht zu?“ widerspricht anscheinend dem Gedanken an einen liebenden, gerechten und all­mächtigen Gott. Kann man Gott und das Leid der Menschen doch auf einen Nenner bringen?

Thiede: Am Kreuz Jesu Christi ist es für Menschen, die an Jesus als den Sohn Gottes glauben, anschaulich geworden, dass und wie Gott und Leid auf einen Nenner zu bringen sind. Gott hat sich in seinem Sohn selbst entäußert. Das heißt, er hat im Vollzug seiner Menschwerdung mit der Konsequenz des Sterbensmüssens die Grenze zwischen sich als dem an sich über alles Leid Erhabenen und der vergänglichen Schöpfungswelt überschritten. Er hat das aus seinem Wesen der Liebe heraus vorgesehen und geschichtlich realisiert. Deshalb wissen sich Christen auch und gerade im Leiden nicht von Gott getrennt, sondern mit ihm verbunden und - dank der Auferweckung Jesu - berufen zur Erlösung in einer leidfreien, vollendeten Welt. Nicht gemeint ist aber die philosophische These, Gott und leidvolle Welt seien in einem pantheistischen Sinn stets und auf immer vermischt, wie das z.B. Friedrich Nietzsche zeitweise gedacht hat. Christlicher Glaube an Gottes Solidarität mit den Leidenden ist immer bezogen auf die künftige Erlösung. Der biblische Satz „Gott ist Liebe" ist nur hilfreich und tröstlich, wenn er im Zusammenhang mit dem erhofften Erweis der Allmacht Gottes am Ende dieser Weltzeit gedacht wird.

MEDRUM: Ist das Leid, das Menschen überkommt, eine Strafe Gottes, die ihren Ursprung in der Verbannung aus dem Paradies hat? Dann gäbe es aber auch den strafenden, und nicht nur den liebenden Gott. Ist der liebende Gott zugleich auch ein strafender Gott?

ImageThiede: Das Leiden ist eine Konsequenz der Tatsache, dass diese Welt nicht das „Reich Gottes“, nicht das Paradies, sondern eine Wirklichkeit ist, die von Gott noch nicht unmittelbar beherrscht wird. Das Gottesreich ist mit Jesus im Kommen und wird nach neutestamentlicher Sicht erst vollendet sein, wenn Gott einst „alles in allem“ ist. Eine Welt aber, die faktisch nicht von Gottes Herrschaft durchdrungen ist, kann keine vollkommene, leidfreie Welt sein. Der Ausdruck „Strafe“ oder „Zorn Gottes“ umschreibt personalisierend diesen Sachverhalt.

MEDRUM: Wenn Gott in seiner Liebe zu den Menschen mit den Menschen und ihrer Not leidet, also auch ein leidender Gott ist, dann leidet er also an seiner „Strafe“ für uns Menschen auch selbst. Kann man sagen, er „straft“ sich in diesem Sinne selber, ähnlich wie Eltern leiden, wenn sie ihre Kinder strafen?

Thiede: In der Tat. Im Kreuzesgeschehen kommt das direkt zum Ausdruck. „Er trug unsere Strafe“ – so lautet die biblische Botschaft. Das ist es, was sich im Geschick Jesu konkret ereignet hat. In dem Wort „Strafe“ wird dabei ausgedrückt, dass auch die moralische Dimension eine Rolle spielt: Was uns als „Schuld“ von Gott trennt, ist dadurch, dass Gott es auf sich nimmt, nichts mehr, was uns von Gott trennen kann. Das ist der Sinn der Botschaft von der Rechtfertigung des Gottlosen.

MEDRUM: Es bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten zu akzeptieren, dass sie oft unverschuldet in Leid und Not geraten. Sie empfinden dies als ungerecht und können es kaum mit dem Bild eines „gerechten“ Gottes vereinbaren. Lässt sich Unrecht mit einem gerechten Gott in Einklang bringen?

Thiede: Gottes Gerechtigkeit ist eine Größe, die erst im Blick auf Jesus Christus erahnbar, erkennbar wird und universal erst einsehbar sein wird, wenn Gott sich aller Welt unmittelbar offenbaren wird. Am Kreuz wird anschaubar, dass Gott selbst unter der Ungerechtigkeit der Welt leidet. Sein Reich und damit auch seine Gerechtigkeit wird sich erst durchsetzen, wenn er die Welt vollendet. Bis dahin gehört es zur Struktur unserer unerlösten Wirklichkeit, dass Leid und Freud durchaus ungerecht verteilt sind.

MEDRUM: Warum hat dann Gott nicht gleich eine vollendete Welt geschaffen?

Thiede: Darauf geht mein Buch ausführlich ein. Hier nur kurz: Gottes Liebe hat ein Gegenüber gewollt, das wirklich etwas Anderes ist als er selbst. Zunächst musste dieses Andere also als Nichtgöttliches auch etwas Unvollkommenes sein. Der dadurch bedingte „unerlöste“ Weltzustand ist aber vom Schöpfer nicht auf immer so gedacht. Mit Römer 11,32 formuliert: „Gott hat alle in den Ungehorsam hinein gebannt, auf dass er sich aller erbarme.“ Gottes Ziel ist sein Reich als ewige Herrschaft über seine Schöpfung, die den Erlösten ewiges Leben bringt. Noch einmal ein Zitat aus dem Römerbrief: „Die Leiden dieser Zeit sind nicht wert, mit der Herrlichkeit verglichen zu werden, die auf uns wartet.“

Das Interview führte Kurt J. Heinz.


 

Sendetermine Bibel TV

Das Bibel TV-Gespräch mit Professor Werner Thiede wird an zwei Terminen gesendet:

Montag, 03.11.2008, 16:30 - 17:00 Uhr
Mittwoch, 05.11.2008, 11:00 - 11:30 Uhr

Bibel TV kann auch über das Internet als Livestream empfangen werden -> Bibel TV - Livestream


 

Über Prof. Dr. Werner Thiede

Der Theologe und Publizist Prof. Dr. theol. habil. Werner Thiede ist Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Bayern und lehrt seit 2000 Systematische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg; von deren Rektor wurde er 2007 zum apl. Professor ernannt.
Seit Oktober 2006 ist er Theologischer Referent beim Regionalbischof im Kirchenkreis Regensburg. Werner Thiede war zuvor letzter eigenständiger Chefredakteur des „Evangelischen Sonntagsblatts aus Bayern" (Rothenburg o.d.Tbr.).


 

MEDRUM-Artikel -> Das Kreuz - Fluch und Segen unseres Lebens im Spiegel der Selbstentäußerung Gottes

Das Buch "Der gekreuzigte Sinn" von Werner Thiede ist 2007 im Gütersloher Verlagshaus erschienen (1. Auflage, ISBN 978-3-579-08012-3, 29,95); Bestellung bei Amazon.de.