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"Finanz- und Wirtschaftskrise - Folge einer Orientierungskrise"


17.12.09

"Finanz- und Wirtschaftskrise: Folge einer gesellschaftlichen Orientierungskrise"

Deutsche Bischofskonferenz stellt Beobachtungen und Orientierungen für den Weg aus der Krise vor

(MEDRUM) Mit einem nachdrücklichen Appell hat der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen und Erzbischof von München und Freising, Erzbischof Reinhard Marx, dazu aufgefordert, die fruchtbaren Impulse der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise positiv zu nutzen. Marx stellte die Ergebnisse der von der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzten Kommission und Arbeitsgruppe der Öffentlichkeit vor.

Im Frühjahr 2009 hatte sich die Deutsche Bischofskonferenz auf einem Studientag intensiv mit der Finanzkrise beschäftigt und beauftragte ihre Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. In einer 39 Seiten umfassenden Stellungnahme hat die Kommission ihre Beobachtungen festgehalten und gibt Orientierungen für den Weg aus einer Krise, die sie als Orientierungskrise sieht.

Erzbischof Marx erklärte heute dazu: „Die zunehmende Entkopplung von Freiheit und Verantwortung, das Ungleichgewicht von Eigeninteresse und Gemeinwohl und die unterschätzte individuelle Verantwortung für die Aufrechterhaltung einer wirtschaftlichen Ordnung liegen der Krise zugrunde. Sie verweisen auf eine tiefer liegende gesellschaftliche Orientierungskrise“, so Erzbischof Marx. Jetzt gehe es um einen Mentalitätswandel, den die Krise erforderlich mache, sagte Marx heute gegenüber Journalisten in München. Dort stellte der Erzbischof das Papier einer von der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz berufenen Arbeitsgruppe zur Finanz- und Wirtschaftskrise vor, das den Titel trägt: „Auf dem Weg aus der Krise. Beobachtungen und Orientierungen“.

Marx machte deutlich, warum sich die Kirche mit der Krise beschäftige: Ihr gehe es um die Anfrage an eine gerechte Welt- und Gesellschaftsordnung. „Im Kern geht es um die Menschen, vor allem diejenigen, deren Existenz und Zukunft gefährdet sind. Die Krise erschwert unsere Bemühungen zur Bewältigung der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“, so Marx. Die Krise verpflichte, Konsequenzen aus den Fehlern zu ziehen. Dabei könne die Katholische Soziallehre ein Kompass auf dem Weg aus der Krise sein. "Mit der heutigen Veröffentlichung mahnt die Kommission an, die Krise als Chance zu nutzen. Die Risiken und Folgen sind zu verheerend als dass man versuchen sollte, in möglichst großer Sicherheit das Nachlassen des Sturms abzuwarten, um dann wieder in alte Muster zu verfallen. Die Kommission erinnert an das bewährte Konzept der Sozialen Marktwirtschaft, das den Prinzipien der Katholischen Soziallehre entspricht und appelliert, das ihr innewohnende ethische Potenzial intensiver zu nutzen.“

Hans-Peter Burghof, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistung an der Universität Hohenheim, der Mitglied der Arbeitsgruppe war, betonte in München die Ungerechtigkeit der Krise: „Sie erfüllt in vielen Aspekten ihres Ablaufs und ihrer Bewältigung oft nicht einmal die einfachsten Fairnesskriterien.“ Dabei sei die Soziale Marktwirtschaft ein „Testfall für ihre Fähigkeit, sich zu wandeln und den Bedürfnissen der Menschen unter veränderten gesellschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Die Krise ist ein Signal dafür, dass in diesem Wandlungsprozess Defizite und Fehlentwicklungen aufgetreten sind.“

In ihrer Stellungnahme stellt die Kommission am Ende fest, die soziale sei auf eine ethische Grundlage angewiesen, die die Märkte selbst nicht bieten würden. Soziale Marktwirtschaft setze verantwortliche Freiheit, Gemeinwohlorientierung und Gerechtigkeitssinn voraus. Die Aktualisierung und Umsetzung dieses Konzeptes sei auch eine kulturelle Aufgabe ersten Ranges.