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Ewig-online


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Morgenandacht bei der Jahrestagung der Europäischen Evangelischen Allianz

von Hartmut Steeb

Ich habe gestern gesagt, dass derjenige, der früh aufsteht, mehr vom Tag hat. Mich hat eigentlich gewundert, dass dem niemand widersprach. Fehlt es doch an der Bibelkenntnis in diesem erlauchten Gremium? Schließlich steht doch in Psalm 127: „Es ist umsonst, dass Ihr des Morgens früh aufsteht und hernach lange sitzet“!

Das ist schon eine heiße Ansage an das Konferenzmanagement. Ob wir da mit unserem Tagesprogramm so richtig liegen? Naja, ich verzichte darauf, jetzt den Psalm 127 auszulegen und auf unsere Tagung anzuwenden, weil da ja dann anschließend steht, dass es den Seinen der Herr im Schlaf gibt.

Aber irgendwie passt das dann doch, dass wir daran erinnert werden: Wir können sitzen und beraten und beraten und sitzen: Wo der Herr nicht das Haus baut, da arbeiten umsonst, die daran bauen.

Ohne IHN ist alles sinnlos. Wir können ohne IHN nichts tun. Aber die gute Nachricht ist wiederum: Wir müssen nichts ohne IHN tun. Er ist immer da.

Wir leben zweifellos im Kommunikationszeitalter. Vorgestern fragte mich einer, als er mich am Laptop erwischte, wie das eigentlich früher ohne Laptop ging. Stimmt!

Wie konnte ich eigentlich vor 35 Jahren mit einem 1-Mann-Büro ohne FAX, Handy und email in 8 Monaten einen Gemeindetag unter dem Wort vorbereiten, an dem dann etwas 40.000 Menschen teilgenommen haben?

Wie konnte ich eigentlich zu Beginn meiner hauptamtlichen Aufgabe in der Evangelischen Allianz vor 21 Jahren arbeiten?

Ja, zugegeben, ich hatte schon ein Telefon. Und seit der Einführung der Massenkommunikationsmittel - Telefon- und Funkverbindung, Radio und Fernsehen - sind die Möglichkeiten schneller Information und schneller Absprachen schier unbegrenzt. Und alle paar Jahre werden neue Wege gefunden werden, um noch schneller, noch direkter, noch bequemer, zu kommunizieren.

Vor 20 Jahren habe ich mein erstes FAX erworben, vor 16 Jahren mein erstes Handy. Ich war ganz stolz. Denn während andere noch mit einem Mobiltelefon in Form eines kleinen Koffers herumliefen, hatte ich schon ein Handy, das man in den Mantel stecken konnte. Es wog nur 850 Gramm.

Heute kommunizieren wir in Sekundenschnelle per e-mail schriftlich rund um den Globus oder unterhalten uns über Skype kostenlos per Computer über das Internet. Wer, wie ich, eine Tochter in Südafrika und eine andere in Neuseeland hat, freut sich über solche phantastisch leichten Kommunikationsmöglichkeiten.

Mir ist deutlich geworden: Christen sind im Bereich der Kommunikation der Entwicklung schon weit voraus. Wir Christen haben das Vorrecht, die ur-alte und doch hochmoderne und alle Zeiten überdauernde Möglichkeit der Kommunikation zu nutzen: das Gebet, das Gespräch mit dem lebendigen Gott. Diese alles überragende Dimension ist unschlagbar. In Jesaja 64,24 steht: „Ehe sie rufen, will ich antworten!“

Kürzlich war ich Talkgast in einer Fernsehsendung zum Thema lebenslange Ehe. Die Sendung wurde um 21 Uhr ausgestrahlt. Um 18 Uhr empfing ich ein Email von einem guten Freund, der mir schrieb: „Ich bete heute Abend für Dich um das richtige Wort.“ Ich habe mich sehr darüber gefreut und ihm zurück geschrieben: „Danke für dein Gebet heute Abend. Die Sache hat nur einen Haken. Die Sendung ist schon vor 10 Tagen aufgezeichnet worden. Jetzt kann ich gar nichts mehr dran ändern. Aber wie gut, dass der Herr nicht an unsere Zeitabläufe gebunden ist.“ Ist doch klasse? Ich kann heute beten, der Herr erhört bereits gestern und ich kann mich morgen darüber freuen.

Lasst euch nicht ins Boxhorn jagen, wenn Christen als die Ewig-Gestrigen dargestellt werden. Beten ist etwas für wache Menschen mit wachem Verstand. Wer betet, bedient sich schon heute der Kommunikationsform, die auch über den Tod hinaus in Ewigkeit Bestand haben wird: Das Gespräch zwischen Mensch und Gott!

Aber auch die andere Seite dürfen wir in Blick nehmen: Auch wenn es gar keine Form der schnelleren Verständigung, der schnelleren Übermittlung von Nachrichten gibt - für unsere Zeitgenossen der Fast-Food-Gesellschaft ist es schwer zu vermitteln, dass sich das Gespräch zwischen Gott und Mensch, zwischen Mensch und Gott, nicht in Windeseile erledigen lässt, die Antworten nicht ebenso prompt auf dem Tisch liegen wie die unbestellte Email-Werbung.

Reden mit Gott ist die schnellste Möglichkeit und braucht dennoch Zeit.

Niemand kann so präzise, so direkt, so schnell und so gewaltig antworten wie Gott. Aber es ist sein Geheimnis, dass er sich oft Zeit lässt. Und dass er uns zumutet, Zeit zu haben, Warten zu können. Warten, diese unmoderne Eigenschaft, ist die notwendige Voraussetzung erhörlichen Gebets. Denn im Unterschied zu uns, die wir keine Zeit haben: Gott hat Zeit. Ja, er hat weit mehr! Er hat zeitlose Ewigkeit!

Darum gilt: Menschen des Gebets brauchen Zeit. Menschen des Gebets haben Zeit! Menschen des Gebets haben Ewigkeit! Sie wissen, dass ihre Zeit in Gottes Händen liegt und dass sie nicht in der Lage sind, Zeit um eine Spanne zu verkürzen oder zu verlängern.

Kurzum: Beter können warten, als ob ihnen ganz persönlich die gesamte Weltzeit zur Verfügung stünde und Beter nehmen das Wort Gottes ganz ernst „Kaufet die Zeit aus“, weil sie um die Begrenztheit wissen und auch die Zeit als eine gute Gabe Gottes sehen. Und darum plädiere ich dafür: Nehmen wir uns Zeit zum Gebet. Denn wer sich diese Zeit nimmt, hat die Ewigkeit als Bündnispartner. Dabei hängt die Intensität des Gebets gewiss nicht von der Dauer der Zeit ab. Aber dennoch plädiere ich für die „3%-Regel“? Wäre es nicht gut und sinnvoll, sich wenigstens 3% der Tageszeit zu reservieren für das unmittelbare Gespräch mit dem lebendigen Gott und das Hören und Lesen seines Wortes! 3 % ist doch nicht viel, oder?

Nun, die Mathematiker haben es schon ausgerechnet. Das wären täglich 43 Minuten.

Wenn wir „Gute-Nachricht“-Leute sein wollen, brauchen wir das intensive Gespräch mit dem, der die Gute Nachricht schlechthin ist. Vielleicht denken wir, aber wir müssen doch sehr viel mehr tun. Wir werden doch nicht fertig mit unserer Arbeit. Aber hier gilt: Beten ist keine Passiv-Tätigkeit der Christen, die sonst nichts Wichtiges im Reich Gottes oder in dieser Welt leisten könnten. Beten ist vielmehr die aktive Beteiligung an der Herrschaft Gottes in dieser Welt. Darum konnte der Reformator Martin Luther sagen: „Heute habe ich viel zu tun. Ich muss erst einmal drei Stunden beten.“ Und der frühere Bischof der Kirche, aus der ich komme, sagte: „Das Beten ersetzt keine Tat, aber es ist eine Tat, die durch nichts anderes ersetzt werden kann“ (Hans von Keler).

Und dann gilt schließlich auch: Beten muss nicht in einem Korridor des Tages abgegrenzt werden.

Wenn wir früher das Wort hörten, dass wir allezeit beten sollten, dann haben wir stets überlegt, wie das eigentlich gehen soll, wenn man doch gleichzeitig arbeitet, studiert, oder eine wichtige Besprechung hat.

Aber in der Zeit moderner Technik wissen wir auch: Man kann seinen Computer ständig online haben, immer offen für neue Impulse von außen. Jetzt können wir es uns doch richtig vorstellen: Es geht darum, dass wir online mit Gott sind. Ständig den Kanal offen. Ständig Botschaften senden und empfangen. Ja, wir müssen jetzt keine Sekunde mehr ohne die direkte Verbindung zum Herzen Gottes leben. Das ist doch eine gute Nachricht. Er geht mit! Er ist immer schon da! Wir dürfen mit ihm reden. Er ist immer online für uns.





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Copyright Hartmut Steeb, 23. April 2009, Tarragona (Spanien)

Hartmut Steeb ist Generalsekretär der Deutschen Evangelische Allianz