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Ein überflüssiger Parteiaustritt: Linientreue wichtiger als Grundrecht


25.11.08

Ein überflüssiger Parteiaustritt: Linientreue wichtiger als Grundrecht

Freiheitliche Demokratie ist nicht leicht - das zeigt der Umgang der SPD mit Ex-SPD-Minister Clement

(MEDRUM) Die SPD hat einen ihrer prominentesten Genossen verloren. Wolfgang Clement hat seinen Austritt aus der SPD erklärt.

Freiwillig kam dieser Austritt nicht zustande. Aber wer nur haarscharf einem Parteiausschluss entrinnt und eine öffentliche Rüge kassiert, weil er in einer politischen Frage seine Meinung als Staatsbürger geäußert hat, kann sich mit Recht fragen, ob es noch mit seinem Verständnis von freiheitlicher, auch innerparteilicher Demokratie vereinbar ist, dennoch in einer solchen Partei weiter Mitglied zu sein.

Clement sah in der öffentlichen Rüge durch die Schiedskommission eine Verletzung seines Grundrechtes auf Meinungsfreiheit. Das schrieb er an den SPD-Vorstand. Clement hatte zu Anfang des Jahres nichts anderes getan, als sich aus der Sicht eines Aufsichtsratmitgliedes des Energieunternehmens RWE kritisch zur Energiepolitik von Andrea Ypsilanti zu äußern, die er für völlig verfehlt hielt. Das brachte die Genossen gegen ihn auf. Seine Kritik war unwillkommen, weil man dadurch die Wahlchancen von Ypsilanti gemindert sah. Dies überschritt die Toleranzschwelle in der SPD. Linientreue ging über Grundrechte, auch und gerade bei einem verdienten SPD-Mitglied und Ex-Minister.

Clement war offenkundig zu prominent, um in der SPD das Grundrecht der Meinungsfreiheit für sich in Anspruch nehmen zu können. Der Parteiaustritt ist Clements Antwort auf den Versuch, ihn zu disziplinieren. So mußte er den Spruch der Schiedskommission werten. Wer Clement kennt, wußte, dass er das nicht hinnehmen würde. Was hat dies nun der SPD geholfen? Nichts, diese Partei hat sich lediglich geschadet, weil sie nicht die Größe aufbrachte, mit der Freiheit eines Andersmeinenden gelassen umzugehen. Es hätte völlig genügt, die Position von Clement in der Sache zu widerlegen - wenn sie denn widerlegbar schien - und als Einzelmeinung ihren Stellenwert zu mindern. Damit hätte Clement leben müssen und leben können.

Der Versuch des Parteiausschlusses und die Rüge waren jedoch überflüssige, mißlungene Demonstrationen der SPD, die Gegenwehr von Clement ist indes schon eher gelungen. Er mußte sich nicht öffentlich ohrfeigen lassen. So viel Demut und Unterwürfigkeit war bei ihm nicht zu erwarten. Demokratisches Selbstverständnis und Selbstachtung standen dem entgegen. Dieser Mut verdient Respekt. Auch wenn es nicht die Zielrichtung von Clement gewesen sein mag, werden sich womöglich auch andere fragen, ob sie als Mitglied oder Wähler bei einer Partei richtig aufgehoben sind, in der die Freiheit der Meinungsäußerung anderer nicht respektiert wird, auch kritisch Opposition zu beziehen.