17.01.09
Ein Präsent von Andrea Ypsilanti
Eine kleine Analyse zur Einstimmung auf die Hessenwahl
(MEDRUM) Er konnte sich nur selbst besiegen. Seine ehemalige Kontrahentin Andrea Ypsilanti hat ihm ein ungewolltes Präsent gemacht. Deswegen kann Roland Koch (CDU) am morgigen Sonntagabend einem Wahlsieg entgegenblicken. Die Mehrheit der Stimmenanteile scheint dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten sicher zu sein. Nach 39,2 % in 1999, 49,2 % in 2003 und 36,8 % in 2008 kann die CDU mit Roland Koch nun dank des Debakels in der hessischen SPD mit 36,8 % der Wählerstimmen + X rechnen.
Der "brutalst mögliche Aufklärer" in der Geschichte der Bundesrepublik, wie sich Koch selbst in den Parteispendenskandalzeiten der CDU einmal nannte, kann sich am Sonntag über ein nicht selbst verdientes Wahlgeschenk freuen. Es wird nicht selbst verdient sein, weil er es weniger den Früchten der eigenen Politik, sondern mehr den fehlgeleiteten Ambitionen von Andrea Ypsilanti zu verdanken hat, wenn er bei der Neuwahl in Hessen am Sonntag eine deutliche Stimmenmehrheit für sich verbuchen kann.
Wer sich die Argumente der CDU und Roland Kochs ansieht, mit denen sie um Wählerstimmen werben, findet außer zahlreichen allgemeinen Floskeln wie "Hessen braucht Kompetenz, Klarheit und Erfahrung " und "keine Experimente" kaum Hinweise auf eine überzeugende Bilanz der letzten Regierungszeit von Koch. Wer auf der Internetseite Roland Kochs nach einer "Bilanz meiner Regierungszeit" sucht, sucht vergeblich. Koch präsentiert an vorderster Stelle nicht ohne Not vielmehr Standpunkte und kündigt an, was er künftig tun will. So unverzichtbar dies ist, bleibt jedoch auch festzuhalten: Versprechen für die Zukunft abzugeben, ist bei einem Ministerpräsidenten, der viele Jahre die Entwicklung des Bundeslandes Hessen prägen und zum Besseren hinwenden konnte, auch für CDU-Stammwähler alleine noch nicht überzeugend. Ein Ministerpräsident, der sich zur Wiederwahl stellt, muß sich auch an seiner Bilanz messen lassen. Sie ist im Vergleich zu anderen Bundesländern nicht berauschend. Die SPD verweist nicht zu Unrecht auf die hinteren Ränge, die Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern in der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (Rang 14), in der Wirtschaft (Ränge von 11 bis 14) und in der Bildung (Ränge von 12 bis 16) einnimmt. Koch täte wohl nichts lieber, als dem Wähler mit einem eindrucksvollen Ländervergleich zuzuwinken. Dass ihm dies schwer fällt, zeigt die SPD auf, die sich in ihrer Not nicht scheut, dem Unionspolitiker Koch die unvergleichlich bessere Bilanz der unionsgeführten Länder Bayern und Baden-Württemberg schmerzlich vor Augen zu halten.
Wenn Roland Koch nun dennoch die prognostizierte Mehrheit am morgigen Wahlabend bescheinigt werden wird, dürfte diese Mehrheit der CDU zwar einerseits reichen, um Koch mit Hilfe des designierten Koalitionspartners FDP zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, der Zuspruch zu Koch selbst dürfte andrerseits aber nicht derart groß sein, dass es gelingen könnte, die dramatischen Stimmenverluste der letzten Wahl in Höhe von 12 % wieder wett zu machen. Er ist auch nach Ypsilantis Abgang nicht zu einem umjubelten Sympathieträger und allseits geschätzten Landesvater geworden. Eine Stimmenmehrheit von 49% ist auch bei rückläufiger Wahlbeteiligung von Nicht-CDU-Wählern utopisch. Um die 40 %, wohl etwas darüber, kann er den Umfragen zufolge erwarten. Er wird ein Gewinner sein, weil sich die Mitbewerberin SPD selbst umzingelt und kampfunfähig gemacht hat, aber kein Gewinner, der den Sieg aus eigener Kraft heraus geschafft haben wird. Die Schwäche der einen wird die Stärke des anderen sein. Das Kräfteverhältnis wird sich daher zu seinen Gunsten verschieben, ohne dass er selbst an Stärke gewonnen hätte. Der brutalst kleine, hauchdünne Vorsprung der letzten Landtagswahl in Hessen von 0,13 % vor der SPD wird sich dementsprechend wohl in einen beruhigenden Vorsprung verwandeln. Dazu wird nicht zuletzt auch der Junior-Gegner Torsten Schäfer-Gümpel beitragen, der noch nicht die Statur gewonnen hat, vom Wähler als bessere Alternative zu Koch akzeptiert zu werden.
Es findet eine hessische Metamorphose im doppelten Sinne statt. Da ist zunächst die Wandlung der Stimmenverhältnisse weg von der SPD. Diejenigen, die Koch bei der letzten Wahl die Stimme gaben (Wahlergebnisse in Hessen in 2008 Bild links), werden sie ihm jetzt nicht versagen. Aber ein guter Teil der SPD-Wähler wird bei dieser Wahl der SPD den Rücken zukehren. Er wird sich der Stimmabgabe entweder ganz enthalten oder seine Stimme anderen Parteien geben. Das Ergebnis ist jetzt schon absehbar. Man muss dazu keine Umfrageergebnisse bemühen. Sie können ohnehin trügen. Die Logik trügt indes nicht. Koch wird im Vergleich zur SPD zulegen und sicherlich einen größeren Stimmenvorsprung als 3.511 Stimmen erzielen.
Eine zweite Metamorphose, die sich in Hessen abgespielt hat, ist die Verwandlung des Spitzenkandidaten Koch selbst. Er trägt neue Kleider. Die Rhetorik hat sich geändert. Aus dem Allegro forte der letzten Wahl ist ein Adagio piano geworden. Auch die Tonart hat er gewechselt. Auf Paukenschläge hat er gänzlich verzichtet. Der Dirigent ist zwar der selbe geblieben, aber fromm wie ein Lamm sei er geworden, schreibt das "Faz.net". Das ist nicht verwunderlich, denn Koch ist kein Mann, der Harakiri begehen will. Ob er deswegen als geläutert gesehen werden kann? Eine offene Frage. Koch gehört nicht zu den Politikern, denen Demut gerade ins Gesicht geschrieben ist, wenn es Demut in der Politik überhaupt gibt. Ein Stück davon wäre aber vieleicht nötig, um die Kraft zur selbstkritischen Reflexion aufzubringen und manche Überzeugungen zu korrigieren. Und schließlich auch, um sich vor Selbstüberschätzung und Entfremdung vom Wähler zu schützen, die manchem Politiker zu eigen wird, vor allem wenn er lange regieren darf. Koch scheint zwar dazu gelernt zu haben, ob er aber schon genug und das Notwendige gelernt hat, wird sich zeigen. Einstweilen gelten Rhetorik und Partitur vor der Wahl. Ob daraus eine grandiose Symphonie wird, die die Ovation des Publikums verdient, wird sich erst im Verlauf der Aufführung zeigen.
Der Dirigent Koch erhält nun eine weitere Chance. Es wird die letzte für ihn sein, wenn nicht eine dritte Metamorphose stattfindet, eine Metamorphose vom Kompetenz-Rhetoriker vor dieser Wahl zu einem politischen Akteur, der in der nächsten Legislaturperiode auch durch die Ergebnisse seiner Politik überzeugen kann. Dazu muss er jedoch andere Erfolge aufweisen können, als etwa an eine Wiedereinführung von Studiengebühren zu denken, die dank der Oppositionsparteien abgeschafft wurden. Auch der Flughafenausbau Frankfurt wird dafür nicht reichen. Schwierig? Vieleicht, aber machbar für einen Mann der "Kompetenz", der "Klarheit" und der "Erfahrung". Eine kräftige Portion christlicher Orientierung kann sicher dabei helfen. Man darf gespannt sein, wie Hessen im Benchmarking nach einer weiteren Amtsperiode von Roland Koch dastehen wird. Gut, ist dem Wähler und Bürger zu wünschen. Glück auf dafür!
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-> Der YPSILANTI-GAU in Hessen
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