08.10.15
"Ein denkwürdiger Fernsehabend": Angela Merkel bei Anne Will
FAZ bezeichnet ARD-Sendung als Vereinnahmungsfernsehen, das dem Anspruch der Bürger nicht gerecht wird
(MEDRUM) Eine Stunde Redezeit erhielt Angela Merkel in der Sendung der ARD bei Anne Will. Es sei ein "denkwürdiger Fernsehabend" gewesen, schreibt Michael Hanfeld in seinem Artikel "So spricht die Kanzlerin der Herzen" in der FAZ. Wann sei die ARD Angela Merkel je so nahe gewesen und habe keine Widerrede zugelassen, fragt der FAZ-Redaktur.
In seiner TV-Kritik befasst sich Michael Hanfeld, Redakteur und stellvertretender Chef des Feuilletons der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), ausführlich mit der Sendung von Anne Willl, die am Mittwochabend ausgestrahlt wurde. Die Sendung mit Angela Merkel sollte Antworten auf die Frage geben: Wie kann Deutschland die Flüchtlingskrise bewältigen?"
Nach Auffassung des Kritikers ist die ARD viele Antworten auf diese Frage schuldig geblieben. Merkel sei gekommen, um ihr Mantra "Wir schaffen das" in immer anderen Variationen eine Stunde lang zu präsentieren und die ARD hat dies geschehen lassen. Hanfeld: "Die Beschwörungsformeln werden rund eine Stunde lang variiert, ohne dass die offen zu Tage tretenden Probleme, um die es bei der – fast hätten wir es vergessen – Flüchtlingskrise eigentlich geht, jemals konkret benannt würden." Der Kommentator kritisiert das Vorgehen von Merkel und der ARD mit dem Hinweis auf den Anspruch der Menschen auf "eine Kanzlerin, die bei Anne Will nicht nur wie ein Wasserfall und lebhaft spricht wie sonst nie, woran man erkennt, wie kritisch die Lage für sie ist." Besonders kritisch geht Hanfeld mit der ARD um: "Die gesamte ARD scheint nichts anderes für ihren Auftrag zu halten, als der Bundeskanzlerin den Rücken zu stärken." Angesichts der tatsächlichen Probleme, vor denen das Land und viele Bürger stünden, helfe "Verwöhn- und Vereinnahmungsfernsehen", wie die ARD es an einem solchen Abend produziert habe, jedoch nicht weiter.
Die Kanzlerin blieb sogar die Antwort auf die Frage schuldig, wie viele Asylsuchende dieses Jahr ins Land gekommen seien. Es gebe keine genauen Zahlen, es seien aber sehr viele, meinte Merkel. Der Zuschauer mag sich vorgekommen sein wie ein Bahnreisender, der wissen will, wohin ein Zug fährt, und dem gesagt wird, das sei nicht bekannt, er solle aber ruhig mitfahren, der Zug komme bestimmt an.
Dass der Auftritt von Angela Merkel nicht nur vom TV-Kritiker der FAZ, sondern auch von vielen Bürgern kritisch gesehen wird, geht aus einer Online-Umfrage des Magazin FOCUS hervor. Dort antworteten nur 16 % der knapp 9.000 Umfrageteilnehmer, dass sie Merkels Auftritt "gut" finden, während 84 % mit "schlecht" antworteten (die Umfrage ist allerdings nicht repräsentativ).
Leserbriefe
Auf dem Weg an die Wand
Ich habe mir die Sendung ganz bewusst angesehen und festgestellt, dass sich Frau Merkel ständig im Kreis gedreht hat, ohne ein einziges Mal konkret zu werden. Man könnte die Merkel'schen Aussagen unter der Überschrift "ich weiß zwar nicht, wie ich das alles machen will - aber das mit ganzer Kraft", zusammenfassen. Frau Merkel scheint den Bezug zur Realität verloren zu haben und schicksalsergeben nur noch nach Gefühl zu handeln. Wenn sie nicht bald gebremst wird, ist sie auf dem besten Weg unser Land, diesmal endgültig, an die Wand zu fahren.