21.01.09
Deutscher Städtetag begrüßt Information der Jugendämter durch Ärzte
Bundeskabinett: Kindeswohl geht vor Schweigepflicht der Ärzte gegenüber Jugendämtern
(MEDRUM) Der Deutsche Städtetag unterstützt die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Ärzten und Behörden, wenn das Kindeswohl gefährdet erscheint.
Das Bundeskabinett verabschiedete heute einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Kinderschutzgesetzes, der einen intensiveren Datenaustausch zwischen Schulen, Jugendämtern und Ärzten vorsieht, wenn das Kindeswohl zum Beispiel bei Verdacht auf Mißhandlungen gefährdet erscheint. In seiner heutigen Pressemitteilung erklärte der Deutsche Städtetag, dass er den verbesserten Informationsaustausch begrüßt. Es sei wichtig, dass künftig Rechtssicherheit bestehe und beispielsweise Ärzte die Jugendämter informieren können, wenn sie Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung haben. Jugendämter könnten erst helfen, wenn sie Kenntnis über kritische Fälle haben", betonte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus, nach dem Kabinettsbeschluss.
Das Argument, Rechtssicherheit zu schaffen, ist von wichtiger Bedeutung, weil Ärzte durch Gesetz an die ärztliche Schweigepflicht gebunden sind. Nach § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) macht sich strafbar, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis offenbart, das ihm als Arzt anvertraut worden oder sonst bekannt geworden ist. Die gegenwärtige Gesetzeslage erlaubt es ihnen zwar unter Berufung auf einen "Notstand" (§34 StGB) ihre Schweigepflicht zu brechen, wenn sie eine Gefahr für Leben und Leib des Kindes nicht anders abwenden können, die Bundesregierung will mit der jetzigen Novellierung des Kinderschutzgesetzes die Entscheidung von Ärzten aber offenbar durch ergänzende und klarstellende Regelungen erleichtern. "Wer wie Ärzte oder Anwälte beruflich zum Schweigen verpflichtet ist, darf künftig trotzdem das Jugendamt alarmieren, wenn das Wohl eines Kindes gefährdet erscheint", teilte die Bundesregierung zum Durchbrechen der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Jugendämtern mit. "Kinderschutz geht vor", ist für die Neuregelungen leitendes Prinzip der Bundesregierung.
Skeptisch beurteilt der Deutsche Städtetag im Gegensatz zur Erleichterung des Informationsaustausches allerdings gesetzliche Vorgaben für Hausbesuche durch die Jugendämter. Länder und Kommunen hätten umfangreiche Maßnahmen ergriffen, um nach den dramatischen Fällen von Mißhandlung bis hin zur Kindstötung den Schutz weiter zu verbessern, so Articus. Den 2005 gesetzlich geregelten Schutzauftrag der Jugendämter zu erweitern, schützt Kinder nicht besser als es mit den schon bestehenden Regelungen möglich ist", erklärte Articus. Er betonte, dass es der Gesetzgeber den Jugendämtern nicht abnehmen könne, die Gefährdungslage zu beurteilen und selbst zu entscheiden, welche Maßnahmen notwendig erscheinen.
Dass die Bundesregierung mit den vorgesehenen Maßnahmen, den Kinderschutz zu verbessern, ein schwieriges Feld betritt, geht auch aus einem Gerichtsurteil hervor, in dem sich das Zusammenwirken zwischen Jugendamt und Ärzten als problematisch erwies. Das Landgericht München sprach den Eltern eines Kindes ein Schmerzensgeld von 20.000 EURO zu, weil sie durch die Mitarbeiterin eines Jugendamtes und den Irrtum eines Arztes zu Unrecht der Kindesmißhandlung verdächtigt wurden.
Eine Erleichterung des Brechens der Ärztlichen Schweigepflicht berührt darüber hinaus die Berufsordnung und das Selbstverständnis der deutschen Ärzte (MBO) sowie das Arzt-Patienten-Verhältnis. Ärzten ist schon zur Wahrung des Vertrauens ihrer Patienten das Schweigen über ärztliche Angelegenheiten auferlegt. Im ärztlichen Gelöbnis heißt es dazu: "Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus wahren." Beim Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) fand die Initiative der Bundesfamilienministerin dennoch Unterstützung. Der Präsident des Verbandes, Wolfram Hartmann, erklärte: „Kinder- und Jugendärzte müssen datenrechtlich abgesichert sein, wenn sie bei Mißhandlungsverdacht das Jugendamt um Mithilfe beziehungsweise Aufklärung bitten. Wir können in solchen Fällen die mutmaßlich mißhandelnden Eltern nicht lange um Erlaubnis fragen, wie es jetzt die ärztliche Schweigepflicht verlangt."
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte -> Kinder- und Jugendärzte unterstützen neues Kinderschutzgesetz
MEDRUM-Artikel -> Gericht rehabilitiert Eltern nach falscher Verdächtigung durch Jugendamt
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