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CDL: "Neue Fremdbestimmung am Lebensende droht"


17.06.09

CDL: "Neue Fremdbestimmung am Lebensende droht"

Genügt künftig der "mutmaßliche Wille" zum Sterben für einen Behandlungsabbruch?

(MEDRUM) Der Bundestag will morgen einen Schlusspunkt unter die mehrjährige Debatte über die Patientenverfügung setzen.

Mehr als drei Jahre lang hat sich der Bundestag mit einer gesetzlichen Regelung für Patientenverfügungen beschäftigt. Am Donnerstag, 18. Juni 2009, wird das Parlament nach 75-minütiger Debatte, die um 12.30 Uhr beginnen soll, über drei interfraktionelle Gesetzentwürfe namentlich abstimmen. Damit soll die Patientenverfügung als Rechtsinstitut verankert werden. Ihre Bindungswirkung soll für Arzt, Betreuer und Bevollmächtigte auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden.

Erster Gesetzentwurf

In ihrem bereits im Frühjahr 2008 eingebrachten und von 206 Parlamentariern unterzeichneten Entwurf (16/8442) fordern die Abgeordneten Joachim Stünker (SPD), Michael Kauch (FDP), Dr. Lukrezia Joachimsen (Die Linke) und Jerzy Montag (Bündnis90/Die Grünen), den Willen des Betroffenen unbedingt zu beachten, unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung. Die Tötung auf Verlangen in einer Patientenverfügung solle, wie auch in den anderen beiden Initiativen klargestellt, unwirksam sein. Ebenso sieht der Entwurf vor, dass besonders schwerwiegende Entscheidungen eines Betreuers oder Bevollmächtigten über die Zustimmung oder Ablehnung ärztlicher Maßnahmen vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden müssen. In der Begründung zu ihrer Initiative schreiben die Abgeordneten, viele Menschen wollten Gewissheit haben, dass sie über Art und Weise ihrer medizinischen Behandlung selbst abstimmen können, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls entscheidungsunfähig werden.

Zweiter Gesetzentwurf

Dem Gesetzentwurf (16/11360) nach, den zehn Abgeordnete um den CDU-Parlamentarier Wolfgang Bosbach erarbeitet haben, soll es ausreichen, wenn in einer Patientenverfügung der Abbruch einer lebensverlängernden Behandlung verbindlich angeordnet wird. Als Voraussetzung dafür müsse der Betroffene eine umfassende ärztliche und rechtliche Beratung in Anspruch genommen haben und die Patientenverfügung von einem Notar beurkunden lassen. Diese dürfe zudem nicht älter als fünf Jahre sein. Erfüllt eine Verfügung diese Bedingungen nicht, sollen Arzt und Betreuer nur daran gebunden sein, wenn "eine unheilbare, tödlich verlaufende Krankheit" vorliegt, bei der der Patient das Bewusstsein nicht wiedererlangen wird.

Dritter Gesetzentwurf

Einen Kompromiss zwischen den Positionen der beiden anderen Entwürfe" stellt nach Ansicht seiner Verfasser ein dritter Gesetzentwurf (16/11493) dar, der unter anderem von den Abgeordneten Wolfgang Zöller, Dr. Hans Georg Faust (beide CDU/CSU) und Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) auf den Weg gebracht wurde. Zu den Unterzeichnern gehört auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU). Der Entwurf sieht vor, dass eine Patientenverfügung grundsätzlich verbindlich ist. Als eine solche gelten neben schriftlichen auch mündlich geäußerte Erklärungen. In beiden Fällen müsse immer der aktuelle Patientenwille von Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigtem individuell ermittelt werden. Kriterien hierbei seien unter anderem die Begleitumstände sowie der Stand der medizinischen Entwicklung. In Zweifelsfällen könnten auch dem Patienten nahestehende Personen hinzugezogen werden. Das Vormundschaftsgericht solle lediglich in Ausnahmefällen angerufen werden können.

Erklärung der CDL

Zur morgigen Entscheidung über die gesetzliche Regelung einer Patientenverfügung erklärt Mechthild Löhr, die Bundesvorsitzende der Christdemokraten für das Leben e.V. (CDL):

"Die mit großem Ernst geführte Debatte hat gezeigt: Eine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung, die dem Patienten im Bedarfsfalle wirkliche Sicherheit gewährt, kann es nicht geben. Das bestätigen inzwischen insbesondere Fachleute, die mit dem Problem täglich konfrontiert sind, nämlich Bundesärztekammer, Marburger Ärztebund, EKD und Deutsche Bischofskonferenz, Hospiz- und Palliativ-Verband, Alzheimer-Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie. Sie alle und weitere sprechen sich aus triftigen Gründen gegen Patientenverfügungsgesetze aus, wie sie jetzt im Bundestag zur Abstimmung stehen. Forciert wird indessen das Gesetzesvorhaben seit Jahren nicht ohne Grund von nur wenigen Abgeordneten, von humanistischen Vereinen und vom Vorstand der Hospiz-Stiftung, die nicht zu verwechseln ist mit der breit aufgestellten Hospiz-Bewegung.

Sollte morgen beispielsweise der sehr weitgehende Gesetzentwurf des Abgeordneten Stünker Wirklichkeit werden, kommt es gerade für weit über 90% der Bundesbürger, die keine Patientenverfügung haben, zu einer wesentlichen, weitreichenden und gefährlichen Änderung der Rechtslage. Dann können in lebenskritischen medizinischen Situationen allein der aktuell behandelnde Arzt und ein Betreuer einvernehmlich beschließen, daß ein nichteinwilligungsfähiger Patient nach seinem "mutmaßlichen Willen" wohl keine lebensverlängernde Hilfe mehr wollen würde. Aufgrund einer solchen Gesetzeslage wären sie befugt, auch ohne Vorlage einer schriftlichen Patientenverfügung unter Berufung auf den "mutmaßlichen Willen" z.B. einen Behandlungsabbruch vorzunehmen. Dies kann zur sofortigen Einstellung der künstlichen Ernährung oder der Beatmung führen und damit ein schnelles Sterben bedeuten, ohne daß dies je von einem Vormundschaftsgericht geprüft worden wäre. Die Weiterbehandlung oder Nichtweiterbehandlung von Schwerstkranken in Krisenlagen (z.B. von Komapatienten), die nicht einwilligungsfähig sind, wird damit für viele Menschen zur nicht nachprüfbaren Schicksalsentscheidung durch Dritte. Sie wird allein abhängig davon, ob der behandelnde Arzt und der Betreuer ausreichendes Interesse am Weiterleben eines Patienten haben oder nicht und bewirken damit sogar das Gegenteil vom Selbstbestimmung am Lebensende. Gerade bei weiter wachsendem Kosten- und Leistungsdruck im Gesundheitswesen wird so ein neues, gefährliches Tor zum fremdbestimmten Sterben hin geöffnet.

Bei einem so hohen Rechtsgut, wie dem Recht auf Leben, darf aber zukünftig nicht schon allein ein "mutmaßlicher Wille" zum Behandlungsabbruch berechtigen. Das Parlament ist gut beraten, der klaren Mehrheit der medizinischen und ethischen Experten zu folgen und auf eine gesetzliche Neuregelung der Patientenverfügung definitiv zu verzichten.

CDL ist eine Lebensrechtsinitiative innerhalb der CDU/CSU und Mitglied im Bundesverband Lebensrecht (BVL).



Leserbriefe

Das Recht auf Leben darf nicht vergeben werden. Da zum Geben der Besitz fehlt. Wird das Recht auf den "eigenen" Beschluss vergeben ("Privacy"), wird den Menschen eine Eigenständigkeit genommen. Die Rechte, die sie vorher von G'tt von ganz alleine hatten, werden ihnen jetzt je nach Interessensspiel zugeteilt.