09.04.15
Bundesverfassungsgericht verhandelt Hamburgs Klage gegen das Betreuungsgeld
Ralf Kleindiek soll als Vorbereiter der Klage Hamburgs nun seine eigene Klage als Vertreter von Manuela Schwesig entkräften
(MEDRUM) Am 14. April wird das Bundesverfassungsgericht eine Anhörung zur Verfassungsklage Hamburgs gegen das Betreuungsgeldgesetz des Bundes durchführen. Umstritten ist die Entsendung von Staatssekretär Ralf Kleindiek aus dem Bundesfamilienministerium. Denn er hatte zuvor die Klage Hamburgs als dortiger Staatsrat maßgeblich vorbereitet.
Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes?
2013 hatte der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg einen Normenkontrollantrag gegen das Gesetz zur Einführung eines Betreuungsgeldes vom 15. Februar 2013 gestellt. Laut Hamburger Senat gibt es einen wesentlichen Grund, weshalb Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht wurde: "Der Bund ist für das Betreuungsgeldgesetz nicht zuständig. Das Recht zur Gesetzgebung liegt prinzipiell bei den Ländern. Etwas anders gilt nur, wenn das Grundgesetz dem Bund die Gesetzgebungszuständigkeit ausdrücklich verleiht." Es müssten nach Auffassung des Hamburger Senats zwei Voraussetzungen erfüllt sein: "Erstens müsste das Gesetz unter das Sachgebiet der öffentlichen Fürsorge (Artikel 74, Absatz 1, Nr. 7) fallen. Zweitens müsste das Gesetz erforderlich sein, um gleichwertige Lebensverhältnisse innerhalb des Bundesgebiets herzustellen (Artikel 72 Absatz 2)." Beide Voraussetzungen seien durch das Betreuungsgeldgesetz jedoch nicht erfüllt.
In einem sogenannten Normenkontrollverfahren muss jetzt das Bundesverfassungsgericht überprüfen, ob das Betreuungsgeldgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Prozessbevollmächtigen des Hamburger Senats sind beide Verfassungsrechtler: Professor Dr. Arndt Schmehl (Universität Hamburg, Fakultät für Rechtswissenschaft) und Professorin Dr. Margarete Schuler-Harms (Helmut-Schmidt-Universität, Universität der Bundeswehr Hamburg).
Die Verhandlung wird der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts durchführen. Sie wird am 14. April 2015 um 10.00 Uhr beginnen. In seiner mündlichen Verhandlung wird sich der Erste Senat sowohl mit der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG und Art. 72 Abs. 2 GG als auch der materiellen Verfassungsmäßigkeit nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 2 GG.
"Betreuungsspektakel"
Es könnte zu einer Art "heiterem Betreuungsspektakel" (TAZ) kommen. Denn Manuela Schwesig (SPD) gehörte vor ihrem Einzug in das Bundeskabinett zu den Gegnern des Betreuungsgeldes. Nun ist sie als Bundesfamilienministerin die Beklagte und muss das Gesetz verteidigen. Zur mündlichen Verhandlung wird sie dem Vernehmen nach Staatssekretär Ralf Kleindiek entsenden. Dies sorgt bereits im Vorfeld der Verhandlung für Aufregung. Denn der Jurist und SPD-Mitglied Kleindiek war zuvor Staatsrat in Hamburg und hatte dort die Klage des Stadtstaates gegen das Betreuungsgeld maßgeblich vorbereitet. Es stellt sich daher durchaus die Frage, ob er überhaupt unbefangen genug ist, um jetzt gegen seine eigene Klage überzeugend zu Felde ziehen zu können. Auf seiner SPD-Karriereleiter war Kleindiek einst auch Büroleiter bei Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) gewesen.
Fernhalten von Fremdbetreuung
Da sich Manuela Schwesig auch in ihrem jetzigen Amt als Famlienministerin nicht als Befürworterin des Betreuungsgeldes präsentiert und etwa eine Kehrtwende vollzogen hat, sind Zweifel an einer glaubwürdigen Vertretung des Betreuungsgeldgesetzes in Karlsruhe angebracht. Für Schwesig ist das Betreuungsgeld eine "Fernhalteprämie". Sie setzt vor allem auf Fremdbetreuung und meinte erst Anfang März 2015 zum weiteren Kita-Ausbau: "Die Frauen und Männer, die unsere Kinder betreuen, leisten jeden Tag eine engagierte und wertvolle Arbeit." Gemeint waren damit diejenigen Personen, die fremde Kinder in dafür geschaffenen Einrichtungen betreuen, nicht aber diejenigen Eltern, die ihre Kinder nicht in staatlich subventionierten Einrichtungen betreuen lassen und daher als Empfänger des 2013 eingeführten Betreuungsgeldes in der bescheidenen Höhe von 150€ monatlich in Frage kommen.
Grundrecht von "Ehe und Familie" noch gültig?
Mit ihrem vorbehaltlosen Ja zu Fremdbetreuung und Frauenquote steht die gelernte Steuerverwaltungsbeamtin Schwesig für einen Kulturwandel, bei dem die Kleinsten im frühesten Kindesalter allzu oft das entbehren müssen, was für sie das Wichtigste ist: Ihre Familie mit Mutter und Vater. Und eigentlich müsste doch genau dies an erster Stelle stehen, wenn das Grundgesetz gilt, in dem es heißt: Die Familie steht unter dem Schutz der staatlichen Ordnung. Die Beobachter dürfen also gespannt sein, was das Bundesverfassungsgericht auch diesem Grundrecht machen wird.
Email BMFSF: info(at)bmfsfjservice.bund.de
Email Manuela Schwesig: parteivorstand[at]spd.de
07.04.15 | Schwesig gegen Schwesig | TAZ |
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Leserbriefe
Da muss man wirklich mal abwarten...
Grundsätzlich gibt es im Grundgesetz tatsächlich die Möglichkeit, dass alleine die Bundesländer für bestimmte Bereiche sozialer Leistungen zuständig sind und der Bund daher keine Regelungskompetenz hat. Das gilt beispielsweise für die Kultushoheit (allgemeinbildende Schulen). Falls das beim Betreuungsgeld auch der Fall sein sollte, halte ich es für nicht unwahrscheinlich, dass das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld kippt.
Falls das passiert, würde ich mir als die Bundesregierung allerdings zwei Fragen stellen und hätte ein gutes Wahlkampfthema gefunden:
1) Wenn der Bund das Betreuungsgeld nicht regeln darf, dann darf er doch wohl auch nicht ein Recht auf einen KiTa-Platz für unter 3jährige festlegen, so wie er dies kürzlich getan hat. Denn beim KiTa-Platz für unter 3jährige handelt es sich ja um exakt dasselbe soziale Thema wie beim Betreuungsgeld. Sollte das Recht auf einen KiTa-Platz dann im Sinne des Grundgesetzes nicht schnellstmöglich zurückgenommen werden? Dann könnte die SPD-Opposition in Bayern und so manch anderem Bundesland ja mal schauen, ob sie dieses Recht auf Landesebene wieder eingeführt bekommt...
2) Der Bund zahlt zurzeit den vollen staatlichen Anteil für die Betreuungsplätze der unter 3jährigen (ca. 600 € pro Kind und Monat). Die Länder zahlen gar nichts. Warum sollte der Bund aber zahlen, wenn er gar nicht für die Gesetzgebung zuständig ist?
3) Was ist das denn eigentlich für eine Form der „Antidiskriminierung“, liebe SPD? Die Kinder, die zu Hause bleiben, dürfen nicht mal 150 € pro Monat haben, und die fremdbetreuten Kinder bekommen vom Staat ein Mehrfaches davon?
Hier kann man mal wieder wunderbar entlarven, dass es den linken Politikern keinesfalls um Gleichberechtigung geht, sondern um politische Ideologie. Und hier ergibt sich dann auch gleich die andere Seite der Medaille: Sollte der Bund für das Betreuungsgeld nicht zuständig sein, dann würde ich gerne mal wissen, ob man das Betreuungsgeld nicht als Eltern im Sinne der Antidiskriminierung auf Landesebene wieder einklagen kann, so lange gleichzeitig ein Recht auf einen KiTa-Platz für unter 3jährige bestehen würde.