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Bundesregierung will Zukunft sichern


08.06.10

Bundesregierung will Zukunft sichern

Acht Eckpunkte der Bundesregierung für Konsolidierung der Staatsfinanzen

(MEDRUM) Nach ihrer "Sparklausur" am vergangenen Wochenende veröffentlichte die Bundesregierung am Montag ihr Konzept zur Rückführung der Überschuldung des Bundeshaltes.

Wesentlicher Teil des Konzeptes der Bundesregierung "Grundpfeiler unserer Zukunft stärken" ist ein acht Punkte umfassender Plan, der politische Zielsetzungen und finanzpoliitische Maßnahmen festhält. Damit sollen solide Finanzen, neues Wachstum und Beschäftigung und Vorfahrt für Bildung geschaffen werden. Als Eckpunkte für die weitere Aufstellung des Haushaltentwurfs 2011 und des Finanzplans bis 2014 wurden beschlossen:

1. Grundlage für die Zukunftsfähigkeit: Vorrang für Bildung und Forschung

Bildung und Forschung sind die zentralen Säulen für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesell­schaft. Gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bilden das Rückgrat in den Betrie­ben unseres Landes. Innovative Produkte, die durch Forschung und Entwicklung entstehen, sichern unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätze. Auf diesem Fundament ruhen auch die Systeme der sozialen Sicherung. Deshalb halten wir an unserem Ziel fest, 12 Mrd. Euro zu­sätzlich für Forschung, Bildung und Entwicklung bis 2013 bereit zu stellen. Die Bundesregie­rung setzt damit eine klare Priorität für die Zukunft unseres Landes. Die Bundesregierung appelliert an die Bundesländer, das Ziel, 10 % für Forschung und Bildung auszugeben, weiter zu verfolgen.

 

2. Subventionsabbau und ökologische Neujustierung

 

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Finanzhilfen und Steuervergünstigungen stehen erneut auf dem Prüfstand. Ziel ist es, den Bundeshaushalt mittelfristig zu entlasten. In erster Linie werden zunächst die Ausnahmeregelungen der so genannten Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt haben, reduziert. Konsequente Rückführung von Subventionen bedeutet im Übrigen zwangsläufig auch: In dieser Legislaturperiode wird es weder neue Subventionen geben noch werden bestehende erhöht. Gleichzeitig setzen wir auf Bürokratieabbau durch Steuervereinfachung.

Wir wollen das Zeitalter der regenerativen Energien schnellstmöglich erreichen. Dennoch wird es im Rahmen eines Gesamtenergie-Konzepts notwendig sein, die Laufzeiten von Kern­kraftwerken zu verlängern. Die Kernenergiewirtschaft ist im Vergleich zu anderen Energie­produzenten vom Emissionshandel nicht betroffen. Gleichzeitig sind durch die Einpreisung der CO2 Zertifikate in den Strompreis die Preise gestiegen, die Stromproduktionskosten hingegen nicht. Hierdurch entstehen bei den Betreibern beträchtliche Zusatzgewinne. Das rechtfertigt eine Besteuerung der Kernenergie aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Allein durch die Stilllegung und den Rückbau von kerntechnischen Anlagen – einschließlich voraus-sichtlicher Kosten für die Endlager von Atommüll – wird der Bund erheblich belastet. Auch der Koalitionsvertrag sieht eine angemessene Beteiligung der Kraftwerksbetreiber an den Sanie­rungskosten der Schachtanlage Asse II vor. Durch die Einführung einer steuerlichen Beteiligung der Kernenergiewirtschaft an den Sanierungskosten sowie Reduktion der Zusatzgewinne können jährlich 2,3 Mrd. Euro an zusätzlichen Einnahmen für den Bundeshaushalt generiert werden.

Wir benötigen auch im internationalen Flugverkehr verstärkte Anreize für umweltgerechtes Verhalten. Die Einführung einer internationalen Besteuerung auf Flugbenzin scheint gleichwohl kurzfristig unrealistisch. Bis zur Einbeziehung des Luftverkehrs in den bereits vereinbarten CO2-Emissionshandel wird eine nationale ökologische Luftverkehrsabgabe für alle Passagiere erhoben, die von einem inländischen Flughafen abfliegen. Sie wird differenziert ausgestaltet (Preis, Lärm, Verbrauch).

 

3. Stärkung von Beschäftigungsanreizen und Neujustierung von Sozialleistungen

Das deutsche System der Sozialen Sicherung ist weltweit einmalig. Menschen, die ohne eige­nes Verschulden in Not geraten, erhalten die solidarische Unterstützung der Gesellschaft. Im laufenden Jahr machen die Sozialausgaben mehr als die Hälfte der veranschlagten Bundesausgaben aus. Dies macht deutlich, dass eine nachhaltige Rückführung der staatlichen Defizi­te nur gelingen kann, wenn auch dieser Bereich einen zielgerichteten und fairen Beitrag leis­tet.

Die Bundesregierung bekennt sich zum System der Sozialen Sicherung. Sie wird dort anknüp­fen, wo offenkundig Konsolidierungspotenziale bestehen, da Anreize falsch gesetzt werden. Die Notwendigkeit des befristeten Zuschlages beim Arbeitslosengeld II ist überholt. Bei der Bundesagentur für Arbeit geht es darum, sie durch erweiterte Handlungsspielräume in die Lage zu versetzen, zielgenauer fördern zu können. Wir werden daher so genannte Pflichtleis­tungen in Ermessensleistungen umwandeln und den Rentenversicherungsbeitragssatz für SGB II Empfänger abschaffen. Es geht jeweils darum, die Anreize zur Aufnahme einer sozi­alversicherungspflichtigen Beschäftigung zu stärken.

Durch optimierte Vermittlung und die Rückwirkungen der demografischen Entwicklung auf den Arbeitsmarkt wird sich mittelfristig eine Belebung des Arbeitsmarktes im SGB II Bereich ergeben. Dies schlägt sich im Bundeshaushalt mit zusätzlichen Einsparungen ab dem Jahr 2013 nieder.

Das Elterngeld ist erfolgreich. Dennoch werden wir Veränderungen vornehmen. Die Bundes­regierung wird die Lohnersatzrate bei Elterngeldbeziehern mit einem anzurechnenden Netto-einkommen von über 1.240 Euro im Monat von 67 % auf 65 % moderat absenken. Gleichzei­tig bleibt der Höchstbetrag beim Elterngeld von maximal 1.800 Euro im Monat bestehen. Dadurch wird nicht nur die zukünftige Finanzierung des Elterngeldes gesichert, sondern vor al­lem auch die Unterstützung von Erwerbstätigen im unteren und mittleren Einkommensbereich gewährleistet.

Für die Empfänger von Arbeitslosengeld II ist der Grundbedarf durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen gesichert. Die zusätzliche Gewährung von Elterngeld in Höhe von 300 Euro für Bezieher von Arbeitslosengeld II verringert den Lohnabstand. Es ist daher - analog zur Regelung beim Kindergeld - vertretbar, zukünftig kein Elterngeld für die Bezieher von Ar­beitslosengeld II vorzusehen.

Die Bundesregierung appelliert an die Kommunen, trotz der angespannten Haushaltslage den Ausbau der Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder beschleunigt fortzuführen. Der Bund wird die hierfür bereitstehenden Mittel weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung stel­len. Nur so können wir eine Betreuungsinfrastruktur aufbauen, die Müttern und Vätern glei­chermaßen die Teilhabe am Erwerbsleben nachhaltig sichert.

Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ist eingeführt worden als die Energiekosten auf einem historisch hohen Stand waren. Erfreulicherweise hat sich die Situation entspannt. Die Rückführung auf das früher geltende Recht ist daher angemessen.

Die Bundesregierung prüft daneben Möglichkeiten, die Vielzahl der verschiedenen Program­me und Förderinstrumente für junge Menschen zur Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit besser aufeinander abzustimmen und – wo es sinnvoll und möglich ist – zu bündeln. Dazu wird eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe unter Federführung des BMAS und Beteiligung der betroffenen Ressorts, insbesondere des BMBF, BMFSFJ und BMWI, einen Vorschlag erarbeiten, der zusammen mit der Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente im Jahr 2011 umgesetzt werden soll.

 

4. Anpassung der Bundeswehr an neue Anforderung

Das Bundesministerium der Verteidigung prüft im Rahmen der derzeitigen Reformüberlegun­gen die Optimierung der Strukturen der Bundeswehr an den Erfordernissen der Befähigung zum Einsatz. In diese Überlegungen sind auch die Organisation und Zusammensetzung der Streitkräfte, einschließlich des Personalumfangs der verschiedenen Statusgruppen einbezogen.

Gleichzeitig obliegt dem Bundesministerium der Verteidigung – zusammen mit allen anderen Ressorts der Bundesregierung –, auch zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes und zur Ein­haltung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Schuldenbremse beizutragen.

Vor diesem Hintergrund wird der Bundesminister der Verteidigung in Zusammenarbeit mit der Strukturkommission der Bundeswehr beauftragt, bis Anfang September 2010 aufzuzeigen, welche Folgen eine deutliche Reduzierung der Streitkräfte um bis zu 40.000 Berufs- und Zeit­soldaten für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands, die Einsatz- und Bündnisfähigkeit, Fragen der Beschaffung, die Strukturen und den Gesamtumfang der Bun­deswehr sowie die Wehrform und deren Ausgestaltung hätte. Darüber hinaus wird die Kom­mission beauftragt, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie durch eine bessere Arbeitsteilung im Bündnis Einsparpotentiale gewonnen werden können.

Unabhängig von einem aus dieser Prüfung resultierendem Entscheidungsbedarf wird am Wehr­rechtsänderungsgesetz 2010 in der vom Bundeskabinett beschlossenen Fassung festgehalten, um den zum 01. Juli 2010 einberufenen Wehr- und Zivildienstleistenden Planungs- und Rechtssicherheit dahingehend zu geben, dass ihr Grundwehr- bzw. Zivildienst 6 Monate dau­ert.

Da eine die allgemeine Wehrpflicht betreffende Veränderung auch unmittelbare Auswirkun­gen auf den der Wehrpflicht rechtlich folgenden Zivildienst haben würde, wird die Bundes­ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beauftragt, ebenfalls bis Anfang Septem­ber darzustellen, welche Auswirkungen mögliche Veränderungen der Wehrpflicht für den Zivildienst und die Funktionsfähigkeit der vom Einsatz der Zivildienstleistenden unmittelbar profitierenden sozialen Infrastruktur hätte.


5. Einsparungen in allen disponiblen Bereichen und Effizienzsteigerung in der Verwaltung

Die Ausgaben des Bundeshaushalts werden mittelfristig pauschal um rd. 4 Mrd. Euro p.a. reduziert. Dies wird im flexibilisierten Bereich und bei sonstigen disponiblen Ausgaben - also auch Programmausgaben - erfolgen. Die Umsetzung dieser Vorgabe liegt in der Hand der jeweiligen Ministerien. Schätzansätze können allerdings nicht herangezogen werden. Durch den Verzicht auf die geplante Erhöhung des Weihnachtsgeldes für Beamte in 2011 werden die Bezüge gegenüber dem geltenden Recht um 2,5 % abgesenkt.

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes leisten einen wesentlichen und anerken­nenswerten Beitrag zur Stabilität von Staat und Gesellschaft. Ebenso erkennt die Bundesre­gierung an, dass zum Erhalt dieser Leistung eine dem Aufgabenumfang angemessene Stellen­ausstattung erforderlich ist. Gleichwohl ist mit Blick auf die neue Schuldenregel und den dar-aus resultierenden Konsolidierungsbedarf ein adäquater Konsolidierungsbeitrag der Bundes­verwaltung erforderlich. Angesichts der tariflich vereinbarten bzw. im Entwurf eines Besol­dungsanpassungsgesetzes vorgesehenen Gehalts steigerungen dient die mit dem Haushalt 2010 wieder eingeführte pauschale Stelleneinsparung dazu, die Ressorts bei der Erwirtschaftung der daraus resultierenden Mehrausgaben zu unterstützen. Da die pauschale Stelleneinsparung des Jahres 2010 den Mehrbedarf nur teilweise ausgleichen kann, wird sie auch ab dem Jahr 2011 fortgesetzt werden. Bis zum Jahr 2014 sollen mehr als 10.000 Stellen dauerhaft abge­baut werden. Die grundsätzliche Funktionsfähigkeit der Verwaltung wird durch diese Maß­nahme nicht in Frage gestellt. Vielmehr bedeutet dies zugleich auch eine Anpassung des öf­fentlichen Dienstes an die demographische Entwicklung. Die Ressorts sind und bleiben aufge­fordert, dies durch Prioritätensetzung in ihren Aufgabenbereichen sicherzustellen.

Des Weiteren werden wir das sogenannte Fiskusvorrecht im Insolvenzverfahren, das bis 1999 Geltung hatte, wieder einführen. Wir stellen damit die öffentliche Hand anderen Gläubigern wirtschaftlich wieder gleich. Die Regelung aus dem Jahr 1999 hatte in erheblichem Umfang zu einer Privilegierung von Banken geführt.


6. Stärkung der Autonomie der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesregierung wird die Autonomie der Bundesagentur für Arbeit stärken. Dies wird mit einer höheren Flexibilität bei der Ausgestaltung der Arbeitsmarktprogramme hin zu mehr Ermessensleistungen eingehen.

Das System der Arbeitslosenversicherung wird so aufgestellt werden, dass es mittel- und langfristig ohne Darlehen oder Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt wirtschaften kann. Unterjährigen Liquiditätsbedarfen soll die Bundesagentur für Arbeit durch die Möglichkeit eigener kurzfristiger Kreditaufnahme begegnen können.


7. Verantwortung für die Kommunen

Die Finanzsituation der Kommunen ist teilweise sehr angespannt. Die Bundesregierung be­kennt sich hier zu ihrem Teil der gesamtstaatlichen Verantwortung.

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gemeindefinanzkommission erarbeitet daher ge­genwärtig einen Vorschlag, die Finanzen der Kommunen auf eine stabile Grundlage zu stel­len. Sobald diese Vorschläge vorliegen, wird die Bundesregierung diese zügig prüfen und zur Entscheidung bringen.


8. Angemessene Haftung der Finanzmarktbranche

Um Finanzmarktkrisen, wie wir sie derzeit erfahren, zukünftig zu vermeiden, müssen grund­legende Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft - Haftung und Verantwortung - wieder stär­ker das Handeln der Finanzmarktakteure bestimmen. Die Finanzmarktbranche ist angemessen an den Kosten der Krise zu beteiligen; dabei hat sie auch Vorsorge für etwaige zukünftige Krisen zu treffen. Die Bundesregierung wird zügig die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bankenabgabe schaffen, die in einen Restrukturierungsfonds einfließen soll.

Daneben werden weitere Maßnahmen zur Kostenbeteiligung auf den Weg gebracht. Die Bun­desregierung hält hierbei eine internationale oder europäische Vorgehensweise für sinnvoll. In den kommenden Monaten werden die Arbeiten auf internationaler und europäischer Ebene zur Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung intensiviert werden. Die Bundesregierung strebt die Umsetzung einer Lösung bis 01. Januar 2012 an.

Ein tabellarische Übersicht über Einsparziele für die nächsten Haushaltsjahre ist im Anhang beigefügt.


Leserbriefe

Eine Luftverkehrsabgabe, die für alle Passagiere erhoben wird, die von einem inländischen Flughafen abfliegen, dürfte dazu führen, daß deutsche und fremde Fluggesellschaften auf das umliegende Ausland ausweichen. So hat GermanWings, eine Tochter der Lufthansa, bereits angekündigt, in dem Falle ihre Flüge in die Niederlande zu verlegen. Das würde bedeuten, weniger Arbeitsplätze in Deutschland, geringeres Steueraufkommen, mehr Autoverkehr und dadurch vermehrte Luftverschmutzung. Das wäre kontraproduktiv und würde die erwarteten Einnahmen des Bundes erheblich schmälern, wenn nicht sogar vollends aufzehren. Das sollte man auf jeden Fall auch überlegen, bevor man vorschnell handelt.