06.07.09
Bundeskanzlerin zeichnet Soldaten für tapferen Einsatz in Afghanistan aus
Vier Soldaten eilten Kameraden und afghanischen Kindern unter akuter Lebensgefahr zur Hilfe
(MEDRUM) Die Bundeskanzlerin Angela Merkel zeichnete heute in Berlin vier Soldaten der Bundeswehr aus, die bei einem Selbstmordanschlag nahe Kunduz am 20. Oktober vergangenen Jahres den Opfern des Anschlages trotz eigener Lebensgefahr zu Hilfe kamen.
Bei dem Attentat waren zwei Soldaten aus dem Fallschirmjägerbataillon 263 Zweibrücken getötet, zwei weitere verletzt worden. Fünf afghanische Kinder wurden durch die Explosion getötet, ein weiteres verletzt.
Hauptfeldwebel Jan Berges, Alexander Dietzen und Henry Lukacs vom Fallschirmjägerbataillon 263 in Zweibrücken sowie Oberfeldwebel Markus Geist von der Luftlande-/Lufttransportschule in Altenstadt eilten nach der Detonation geistesgegenwärtig und reaktionsschnell zum etwa 500 Meter entfernten Anschlagsort. Dort kamen sie, trotz des brennenden Fahrzeugs und explodierender Munition, den Opfern des Anschlages – ihren Kameraden und afghanischen Zivilisten – zu Hilfe. Auch durch weitere Munitionsdetonationen und die Gefahr für ihr eigenes Leben ließen sich die vier Soldaten nicht von ihrem Einsatz zur Hilfeleistung und zur Bergung der Soldaten und Zivilisten abhalten, die von dem Bombenanschlag getroffen wurden.
Das selbstlose Verhalten der Soldaten wurde heute mit der Verleihung des Ehrenkreuzes für Tapferkeit ausgezeichnet, das erstmals verliehen wurde (Bild links). Die Bundeskanzlerin würdigte den vorbildlichen Einsatz der Soldaten im Beisein des Verteidigungsministers, Franz-Josef Jung, und des Generalinspekteurs der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan. Die Soldaten hätten bei ihrem Einsatz in Afghanistan in akuter Lebensgefahr alles getan, um ihren Kameraden und mehreren einheimischen Kindern zu helfen, sagte Angela Merkel am Montag bei einer Feierstunde im Bundeskanzleramt. Die Bundeskanzlerin betonte auch, dass in Deutschland zu wenig über Leistungen, Belastungen und Risiken der Soldaten gesprochen werde, die ihren Dienst im Auslandseinsatz leisteten.
Verteidigungsminister Franz-Josef Jung sprach den Soldaten seine besondere Anerkennung aus: "Sie alle haben Ihre soldatische Pflicht weit über das normale Maß hinaus erfüllt. Daher ist es wichtig und richtig, dass auch der Staat seinen Teil des Treueversprechens sichtbar einlöst. Die heutige Auszeichnung ist eine besondere staatliche Anerkennung für das soldatische Dienen. Sie erfolgt im Namen aller Bürgerinnen und Bürger unseres Staates, für deren Sicherheit Sie sich unter großen Gefahren eingesetzt haben. Sie, meine Herren, sind durch Ihren Einsatz für Recht und Freiheit zum Vorbild für Ihre Kameradinnen und Kameraden geworden. Ich danke Ihnen für Ihre selbstlose und tapfere Tat und wünsche alles Gute und Gottes Segen."
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, betonte, die Auszeichnung beschreibe auch die neue Rolle der Bundeswehr als „Einsatzarmee". Und diese habe in einem Einsatz wie in Afghanistan auch „mit Tod und Verwundung zu leben". Für Soldaten bedeute dies mitunter auch, dass sie ihr "Leben in die Waagschale werfen" müssen, so Kirsch bei N24.
Mit dem „Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit" wurde das Ehrenzeichen der Bundeswehr um eine Auszeichung für herausragende Taten besonderer Tapferkeit ergänzt, bei denen Soldatinnen und Soldaten weit über das normale Maß hinaus auch unter Einsatz von Leib und Leben handeln. Die Auszeichnung für Tapferkeit wurde durch den Bundespräsidenten am 10. Oktober 2008 eingeführt. Es ist seitdem die höchste Stufe des Ehrenkreuzes der Bundeswehr.
Die Bundeswehr ist seit Dezember 2001 als Teil der ISAF (International Security Assistance Force) im Auslandseinsatz in Afghanistan. Aufgrund des damals wütenden Bürgerkrieges und der katastrophalen humanitären Lage der Zivilbevölkerung und afghanischer Flüchtlingsströme erteilten die Vereinten Nationen im Dezember 2001 das Mandat, die Staatsorgane Afghanistans bei der Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und Umgebung zu unterstützen.
Die Taliban hatten seit 1996 ein Unterdrückungs- und Terrorregime in Afghanistan installiert. Die meisten afghanischen Menschen lebten in Angst, Armut und Hunger. Im Jahr 2000 war Afghanistan das am stärksten verminte Land der Erde und hatte mit 27% die höchste Kindersterblichkeit. Frauen durften keine Schulen besuchen, keinen Beruf ausüben und nicht ohne männliche Begleitung auf die Straße gehen. Zur Unterdrückung der Menschen gehörten willkürliche Inhaftierung, Geiselnahme, Folter und Hinrichtung. In den Gefängnissen wurden Frauen systematisch vergewaltigt. Verstöße gegen die Ordnung der herrschenden Taliban wurden von Scharia-Gerichten mit unmenschlichen und erniedrigenden Strafen geahndet, z.B. Prügelstrafen, Amputationen, Steinigungen. Lange Zeit wurden Flüchtlinge aus Afghanistan von der Weltöffentlichkeit ignoriert. Erst die Ereignisse nach den Terroranschlägen in den USA rückten Afghanistan in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Doch schon vorher lebten allein 2 Mio Menschen unter erbärmlichen Bedingungen in Flüchtlingslagern in Pakistan und rund 1,5 Mio Menschen im Iran.
Vor diesem Hintergrund und aufgrund des einstimmigen Beschlusses der Vereinten Nationen stimmte der Deutsche Bundestag am 22. Dezember 2001 erstmals der Entsendung deutscher Streitkräfte nach Afghanistan zur Umsetzung der Resolution 1386 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zu. Die Bundeswehr ist seit diesem Zeitpunkt in Afghanistan im Einsatz, um die afghanische Regierung bei der Gewährleistung der Sicherheit und beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen. In zivil-militärischer Zusammenarbeit hat die Bundeswehr bislang mehr als 700 Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afghanischen Bevölkerung unterstützt. Daneben unterstützt die Bundeswehr die Ausbildung für den Aufbau der Afghanischen Nationalarmee (ANA) sowie den Aufbau der afghanischen Polizei. Der Umfang deutscher Truppen beträgt bis zu 4.500 Soldatinnen und Soldaten.
Die Soldaten sind bei ihrem Einsatz zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften ebenso wie die Zivilbevölkerung immer wieder Anschlägen aus dem Kreis terroristisch agierender Kräfte ausgesetzt. Bisher verloren 35 Bundeswehrsoldaten bei Anschlägen und Feuerüberfällen aus Hinterhalten ihr Leben. Dennoch hat sich seit 2001 die Lage in Afghanistan auf humanitären Gebieten verbessert. So hat der Aufbau des Gesundheits- und des Bildungswesens deutliche Fortschritte vorzuweisen. Es gibt mehr als sechs Millionen Schulkinder, davon sind ein Drittel Mädchen, die unter den Taliban keinen Zugang zu Bildung hatten. Das afghanische Pro-Kopf-Einkommen hat sich seit 2001 verdoppelt.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat zuletzt am 22.09.2008 das Mandat für ISAF verlängert.
MEDRUM-Artikel -> Generalsekretärin von pax christi fordert zum Abzug der Bundeswehr in Afghanistan auf
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