07.10.08
Aufgeblasener Artikel in Süddeutscher Zeitung zur Erhöhung des Kindergeldes
Niederländer Willem Adema verteilt Zensuren für die OECD an die Bundesregierung
(MEDRUM) Felix Berth von der Süddeutschen Zeitung (SZ) führte ein Gespräch zur Kindergelderhöhung der Bundesregierung mit dem Niederländer Willem Adema, einem Mitarbeiter der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Willem Adema ist Sachbearbeiter im Arbeitsstab der OECD für die Bearbeitung von Fragen über Ausgaben und Entwicklung der "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" in den OECD-Staaten. Aus der Meinungsäußerung dieses Sachbearbeiters machte die SZ einen Artikel, dessen Tenor lautet: "OECD warnt vor Erhöhung des Kindergeldes."
Wie sind die Äußerungen des Sachbearbeiters Adema zu einer Kindergelderhöhung der Bundesregierung einzuordnen? Und inwieweit ist es überhaupt sinnvoll, einen Mitarbeiter aus dem Aufgabenbereich "Vereinbarkeit von Beruf und Familie" nach seiner Meinung zu einer Kindergelderhöhung befragen und diese dann als Warnung der OECD zu publizieren?
Tatsache ist, dass die OECD als eine Organisation von derzeit 30 Staaten geschaffen wurde, um folgenden Zielen zu dienen:
• Förderung nachhaltigen Wirtschaftswachstums
• Höhere Beschäftigung
• Steigerung des Lebensstandards
• Sicherung finanzieller Stabilität
• Unterstützung der Entwicklung anderer Länder
• Beitrag zum Wachstum des
Welthandels.
In diese volkswirtschaftliche Aufgabenstellung der OECD ist der Aufgabenbereich des Niederländers Willem Adema einzuordnen. Zu seinen Aufgaben gehört es, Daten über relevante Ausgaben zu Beruf und Familie zu sammeln, sie in einer Datenbank zu erfassen, sie zu analysieren und darüber Berichte für die verantwortlichen Stellen im Hause der OECD zu erarbeiten. Willem Adema könnte also aus der Sicht seines Sachgebietes darüber Auskunft geben, was seine Datensammlung über Kindergeld und vergleichbare Ausgaben im Verhältnis zu anderen OECD-Staaten besagt, wie sie Beschäftigung und Wirtschaftswachstum beeinflussen, oder auch inwieweit sie sich auf den Lebensstandard und die finanzielle Stabilität der deutschen Volkswirtschaft und Volkswirtschaften der OECD-Staaten auswirken. Er kann also - von der Aufgabenstellung der OECD aus betrachtet - allenfalls aus seiner persönlichen Perspektive Auskunft aus einem vorgegebenen volkswirtschaftlichen, vor allem beschäftigungspolitischen Blickwinkel heraus geben.
Schon die generelle Frage der SZ, ob die Erhöhung des Kindergeldes ein richtiger Schritt sei, ist nicht mehr sinnvoll gestellt, weil sich diese Frage nur in einem wesentlich weiter gefassten, spezifischen, gesellschaftspolitischen und sozialen Kontext Deutschlands beantworten lässt, für den Willem Adema weder zuständig noch autorisiert ist, für die OECD zu sprechen. Aus der Sicht seines Spezialgebietes "Beruf und Familie", mit dem er sich seit etwa 10 Jahren beschäftigt, liegt jedoch die Antwort auf der Hand, dass eine Kindergelderhöhung nicht zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit beiträgt und deswegen aus diesem begrenzten Aspekt heraus von ihm kaum befürwortet werden kann. Die Fragen der Süddeutschen Zeitung an die Person Willem Adema präjudizieren somit bereits die Antwort.
Um aber eine beschäftigungspolitische Antwort auf die familien- und sozialpolitische Maßnahme der Kindergelderhöhung zu finden, ist die Befragung eines Mitarbeiters der OECD - so interessant seine persönliche Meinung sein mag - allerdings überflüssig. Jeder Student der Volkswirtschaft weiß spätestens im vierten oder fünften Studiensemester, das die Erhöhung des Kindergeldes kurz- und mittelfristig kaum zu erhöhtem Wirtschaftswachstum oder einer höheren Beschäftigung beitragen wird. Kindergeld ist ohnehin nicht als eine kurzfristig angelegte, beschäftigungswirksame Maßnahme gedacht. Eine sozialpolitische Maßnahme dieser Art wird vielmehr ergriffen, um Familien mit Kindern in einer Gesellschaft zu unterstützen, die in doppelter Hinsicht an Kinderarmut leidet und deren Regeneration und Zukunftsfähigkeit seit vielen Jahren nicht mehr gewährleistet ist. Unsere Gesellschaft hat zu wenig Kinder, und unsere Gesellschaft hat zu viele arme Kinder. Relevanter wäre da die Fragestellung gewesen, ob eine Erhöhung des Kindergeldes dazu beitragen kann, den Lebensstandard von Familien mit Kindern und die Zahl von Kindern in Deutschland nachhaltig zu erhöhen. Aber auch zu dieser Frage hätte Adema allenfalls eine persönliche Meinung äußern können, ohne für die OECD als Ganzes sprechen zu dürfen. Adema geht jedoch sogar soweit, aus der Sicht der SZ auch noch schlechte Zensuren für die OECD an die Bundesregierung zu verteilen.
Die Süddeutsche Zeitung erweckt mit ihrer Aufmachung des Artikels und Führung des Interviews den Eindruck, als habe hier die OECD als eine Organisation zu einer Frage gesprochen, zu der sie eine generelle, kompetente Antwort und Empfehlung an die Regierung des Mitgliedsstaates Deutschland abgegeben habe. Nichts von alledem ist der Fall. Hier wurde das Papier einer Zeitung mit den vorhersehbaren Antworten eines Sachbearbeiters in einem irreführenden Duktus geschwärzt, weil es einem Journalisten offenbar so einfiel. Mit fragwürdiger Kompetenz streifte er ein Thema mit einem Gesprächspartner der Sachbearbeiterebene, zu dem dieser lediglich eine persönliche Meinung aus einer vorbestimmten Perspektive abgeben konnte.
Und seine persönliche Meinung zur Frage der Kindergelderhöhung ist unbedeutender als
die Meinung jeder betroffenen Mutter, jeden Vaters und jedes Kindes in
Deutschland. Sie als Warnung der OECD zu verkaufen, kann getrost als "aufgeblasen" bezeichnet werden. Viel Wind also in der SZ um nichts.
Bedeutsamer und in der Zuständigkeit der OECD wäre die Frage gewesen, welche Maßnahmen die OECD der Bundesrepublik Deutschland in der Zusammenarbeit mit anderen Staaten der OECD empfiehlt, um einen Finanzcrash des Finanzsystems und eine Rezession für ihre Volkswirtschaften zu verhindern, damit Wachstum, Stabilität und Wohlstand erhalten bleiben. Denn zur Beantwortung solcher Fragen wurde die OECD gegründet. Aber auf diese Frage kann wohl weder Willem Adema noch die OECD derzeit eine zufriedenstellende Antwort geben.
SZ-Artikel v. 05.10.08 OECD warnt vor Erhöhung des Kindergeldes
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