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Riesige Verluste für Hedgefonds durch Insolvenz von Lehman Brothers


03.10.08

Riesige Verluste für Hedgefonds durch Insolvenz von Lehman Brothers

Bundestag stimmte für hochspekulative und riskante Hedgefonds

(MEDRUM) Von der Pleite bei Lehman Brothers sind offensichtlich zahlreiche Hedgefonds betroffen. Viele gehören zu den Verlierern der Lehman-Pleite, wie das Handelsblatt berichtet.

Milliarden-Pakete seien spurlos verschwunden, z.B. ein 1,5 Milliarden Franken schweres UBS-Aktien-Paket der Investmentgesellschaft Olivant, das unauffindbar sei. Von 50 - 70 Milliarden ist die Rede, die eingeforen seien. Wie viele Hedge-Funds von der Lehman-Pleite betroffen sind, weiss offenbar niemand. Medienberichten zufolge befinden sich darunter so bekannte Namen wie GLG, Augustus Asset Management, und Brevan Howard Asset Management und Ramius.

Viele Hedgefonds haben Lehman Brothers als Prime-Broker benutzt.  Prime-Broker stellen Hedgefonds und Investmentgesellschaften Fremdkapital gegen Sicherheiten zur Verfügung und streichen dafür in der Regel hohen Zins ein. Lehman Brothers war sechstgrößter Prime-Broker in Europa, über die die Hedge-Fonds ihre Geschäfte abgewickelt haben. Die Bank war auch selbst im Geschäft mit Hedge-Fonds aktiv.

Hedgefonds kämpfen jetzt mit dem Problem, dass alle Konten bei Lehman eingeforen sind. Auf Wertpapiere, die Hedgefonds dort zum Beispiel als Sicherheiten für ihre Fremdkapitalfinanzierung hinterlegten, können sie jetzt nicht mehr zugreifen, denn diese sitzen fest. Womöglich haben sie mit deren Transfer zu Lehman sogar ihre Eigentumsrechte verwirkt, soll die Konkursverwalterin PWC erklärt haben.  Die meisten Hedge-Fonds werden den Wert der Aktiva, die sie bei Lehman hielten, wohl abschreiben müssen, meinte das Handelsblatt.

Auch der berüchtigte Investor George Soros soll sich verspekuliert haben. Er habe sich "verzockt", weil er auf eine Rettung der Lehman Brothers "gewettet" haben soll. Dieser Hedge-Fonds-Manager hatte den Medien zufolge im zweiten Quartal seine Beteiligung an Lehman auf 9,5 Mill Aktien aufgestockt.

Experten befürchten, dass es sogar zu einer Panikreaktion unter Hedge-Funds kommen könnte. Der Nachrichtendienst Dow Jones berichtete, dass über tausend Hedge-Funds jetzt versuchen, ihre Wertpapiere von ihren Prime-Brokern zurückzuziehen, um nicht weiteren Risiken ausgesetzt zu sein. Doch die Krise trifft nicht nur Fonds, die als Investoren an Lehman beteiligt waren. So soll unter Londoner Hedge-Fonds die Sorge umgehen, dass die Bankenbranche so geschwächt sein könnte, dass sie ihre Kreditvergabe an Hedge-Fonds weiter einschränken werde. Das wiederum könnte einige Fonds zu Notverkäufen zwingen, die den Kursrutsch an den Kapitalmärkten noch beschleunigen könnten.

Bundestag mit großer Mehrheit für die weitere Zulassung von Hedgefonds in Deutschland

In Deutschland ist der Vertrieb von Hedge Funds seit dem 1. Januar 2004 möglich. Hedgefonds sind eine spezielle Art von Investmentfonds, die sich durch eine besonders spekulative Anlagestrategie ausweisen. Sie bieten die Chance auf sehr hohe Renditen, sind aber auch dementsprechend mit hohen Risiken behaftet. Typisch für Hedge-Fonds ist der Einsatz so genannter Derivate, die nahezu jede "wettbare" Größe zum Vertragsgegenstand haben können, auch nicht ökonomische Größen. Gerade diese Anlageform wurde insebsondere von Altkanzler Helmut Schmidt als unüberschaubar scharf kritisiert. Wegen ihrer hochspekulativen Strategie, ihrer geringen Transparenz und der damit verbundenen Risiken für Anleger und den Kapitalmarkt wurde am 19.05.06 im Bundestag über die weitere Zulassung von Hedgefonds abgestimmt.

Mit großer Mehrheit sprach sich der Bundestag für eine weitere Zulassung aus. Teile sprachen sich sogar gegen eine weitergehende Regulierung aus. In einer Beschlußempfehlung vom 10.05.2006 hieß es unter anderem: "Die Fraktion der FDP betonte die positiven Effekte, die von Hedgefonds ausgehen können, gerade auch im Hinblick darauf, dass in Deutschland die Nutzung der Kapitalmärkte für die Altersvorsorge breiter Bevölkerungsschichten an Bedeutung zunehmen werde. Deshalb sei eine Abschaffung der Zulassung von Hedgefonds in Deutschland der falsche Weg. Die Fraktion der FDP trete stattdessen dafür ein, die Regulierung von Hedgefonds liberaler zu gestalten."

Bei der Abstimmung im Bundestag 2006 stimmten schließlich 614 Abgeordnete für die weitere Zulassung von Hedgefonds, nur 54 stimmten dagegen, 3 enthielten sich der Stimme, und 37 Abgeordnete stimmten nicht ab.

Gegen Hedgefonds stimmten beispielsweise die Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Peter Hettlich, Dr. Harald Frank Terpe, Monika Lazar, Dr. Anton Hofreiter (alle Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen). Aus den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gab es jedoch keine einzige Nein-Stimme.

Die Problematik von Hedge-Fonds beschäftigte Bundesregierung und Bundestag auch weiterhin. Am 14.02.08 hieß es in einer Antwort der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag:

"Die unzureichende Transparenz der Hedge-Fonds-Branche erschwert nach Ansicht der Regierung allerdings eine Beurteilung der von ihnen ausgehenden Risiken. Eine größere Transparenz würde sowohl die Einschätzung von Finanzstabilitätsrisiken als auch die Marktdisziplin stärken, zeigt sich die Regierung überzeugt. Sie strebt nach eigener Aussage einen internationalen Konsens darüber an."

Bereits im Juni 2007 rang die Investmentbank Bear Stearns um die Rettung zweier Hedge-Fonds. Die Fonds "High Grade Structured Credit Strategies Enhanced Leverage Fund" und High Grade Structured Credit Strategies Fund" hatten laut Wall Street Journal ungefähr 20 Milliarden Dollar in Spekulationen auf steigende Preise und sinkende Renditen am Immobilienmarkt spekuliert. Das eigentliche Geschäft wurde mit dem geliehenen Geld großer Investoren, darunter mehrere andere Wall-Street-Banken, gemacht. Schon im Juli 2007 waren die beiden Fonds praktisch wertlos geworden. Die Folgen ihres Zusammenbruchs wurden bereits vor mehr als einem Jahr als weitreichend für die globalen Finanzmärkte eingeschätzt. Die Spatzen pfiffen es also längst von den Dächern.

Wer Hedgefonds gar für die Altersvorsorge breiter Schichten ins Gespräch brachte, muß sich fragen lassen, ob er dem Normalbürger wirklich anempfehlen will, mit seiner Altersvorsorge zu zocken. Wer bei klarem Verstand ist, tut dies nicht.